# taz.de -- Coronainfektionen in Irland: Offene Pubs und Mutationen | |
> Die Zahl der Neuinfektionen ist in Irland regelrecht explodiert. Ein | |
> Grund dafür sind Familienfeste und die neue, infektiösere Virusmutante. | |
Bild: Nicht auf Rituale verzichtet: Weihnachtsbad in Dublin | |
Dublin taz | Vom Musterknaben zum Sorgenkind: Die Entwicklung der | |
Coronafälle in Irland ist rasant. Vorige Woche verzeichnete das Land mit | |
45.700 Fällen die höchste Zahl an Neuinfektionen in der Welt, wie die John | |
Hopkins University bekannt gab. Auf Deutschland mit zwanzigmal so vielen | |
Einwohnern übertragen wären das mehr als 900.000 Neuinfektionen in einer | |
Woche. | |
Noch Anfang Dezember hatte Irland die niedrigste Infektionsrate in der | |
Europäischen Union, weil man Ende Oktober scharfe Restriktionen verhängt | |
hatte. Dann kam Weihnachten, und die meisten Beschränkungen wurden | |
aufgehoben. Das Fest hat eine besondere Bedeutung auf der Grünen Insel, | |
traditionell kehren zigtausende Auswanderer für die Feiertage zurück. | |
Die Lockerungen waren eine populistische Entscheidung. Micheál Martin, | |
Irlands Premierminister, der mit dem Amt restlos überfordert scheint, | |
versprach den Menschen ein „bedeutsames Weihnachtsfest“, ohne das weiter zu | |
erläutern. So interpretierte das jeder für sich. Die Folge waren Partys, | |
volle Restaurants und Pubs sowie überfüllte Einkaufsmeilen. Hinzu kam die | |
Verbreitung der neuen, infektiöseren Variante des Coronavirus. Welchen | |
Anteil diese Variante an der rasanten Ausbreitung der Infektionskrankheit | |
hat, ist noch nicht geklärt. | |
Die fatale Entwicklung des Infektionsgeschehens in Irland hatte zur Folge, | |
dass am Silvestertag erneut die höchste Restriktionsstufe 5 verhängt werden | |
musste: Sämtliche Geschäfte außer Lebensmittelläden und Apotheken sind | |
geschlossen, bei Hochzeiten und Beerdigungen sind höchstens zehn Gäste | |
erlaubt, Schulen bleiben zu, Hausbesuche sind untersagt, öffentliche | |
Verkehrsmittel dürfen nur aus besonderen Gründen benutzt werden, und | |
niemand darf sich weiter als fünf Kilometer von seinem Wohnhaus entfernen. | |
Die Beschränkungen gelten zunächst bis Monatsende. | |
Dennoch hat Irland am Montag die 150.000-Marke an Infizierten | |
überschritten. Eine Woche zuvor waren es noch knapp 100.000. Insgesamt sind | |
bisher 2.400 Menschen an oder mit Covid-19 gestorben. Zurzeit werden fünf | |
von tausend Menschen pro Tag getestet, davon sind 21 Prozent positiv. | |
Dänemark hingegen testet im Vergleich zwölf von tausend Einwohnern, aber | |
nur 2,7 Prozent sind positiv. | |
Bei der Todesrate sieht es in Irland allerdings etwas besser aus. Trotz der | |
vielen Infizierten sterben täglich nur zwei von einer Million Menschen an | |
Covid-19. In Großbritannien sind es fast 14. Experten warnen jedoch, dass | |
die Zahl in Irland in den kommenden Wochen auf über hundert pro Tag steigen | |
könnte. 2.500 Patienten werden in den kommenden zwei Wochen wahrscheinlich | |
ein Krankenhausbett benötigen, bis zu 400 davon auf der Intensivstation. | |
## Staatliche Kontrolle der Privatkrankhäuser | |
Die Regierung will deshalb noch in dieser Woche die Privatkrankenhäuser | |
vorübergehend unter staatliche Kontrolle bringen. Dabei können schon jetzt | |
fast 600 Betten nicht belegt werden, weil das Personal fehlt. Zurzeit | |
fallen 3.500 Gesundheitsarbeiter und 1.000 Betreuer in Altenheimen aus, da | |
sie entweder selbst an dem Virus erkrankt sind oder in engem Kontakt mit | |
jemanden waren, der erkrankt ist. Deshalb sollen die „Menschen an | |
vorderster Front“ zuerst geimpft werden. | |
Irland wartet händeringend auf den Impfstoff. Ende der Woche sollen erste | |
Lieferungen von Moderna eintreffen, und sobald der AstraZeneca-Impfstoff | |
Ende des Monats von der EU genehmigt ist, kann er binnen kürzester Zeit | |
eingesetzt werden. Nur dann kann das Ziel von 700.000 Impfungen bis Ende | |
März erreicht werden. | |
Die Folgen für die Wirtschaft sind noch nicht absehbar, die | |
Arbeitslosigkeit liegt inzwischen bei über 20 Prozent. Dennoch prophezeit | |
das Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung für dieses Jahr ein | |
Wirtschaftswachstum von 4,9 Prozent – unter der Voraussetzung, dass die | |
Restriktionen der Stufe 5 nicht länger als sechs Wochen im ersten Halbjahr | |
dauern. Angesichts der derzeitigen Zahlen erscheint das äußerst | |
optimistisch. | |
12 Jan 2021 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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