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# taz.de -- Science-Fiction-Film „Bliss“ auf Amazon: Kristalle der Glückse…
> Der Science-Fiction-Film „Bliss“ zeigt Owen Wilson und Salma Hayek
> zwischen zwei Realitäten. Philosophie-Star Slavoj Žižek hat auch einen
> Auftritt.
Bild: Eine so triste graue Welt wie die in „Bliss“ kann doch kaum wirklich …
Künstliche Paradiese. Das sind laut dem gleichnamigem Essay des
französischen Dichters Charles Baudelaire in erster Linie von Opium und
Haschisch herbeigeführte Zustände. Wobei er schon in seinem als Vorwort
dienenden „Gedicht vom Haschisch“ bekundet, dass „die Dinge der Erde nur
wenig Dasein haben“ und dass „es Wirklichkeit nur in den Träumen gibt.“
Und weiter: „Um sowohl das natürliche Glück als das künstliche verdauen zu
können, muss man zunächst den Mut haben, es zu verschlucken; und die
vielleicht dieses Glück verdienen, denen ist die Glückseligkeit, wie sie
die Menschen verstehen, immer als Brechmittel erschienen.“
Der neue Film des US-amerikanischen Regisseurs Mike Cahill, der
Science-Fiction-Romanzen-Thriller „Bliss“, erscheint fast wie eine
Meditation über Baudelaires Essay. Greg Wittle, der Protagonist, sucht sein
Glück am Anfang noch in Psychopharmaka. Man sieht ihn, gespielt von einem
grandios neben der Spur agierenden Owen Wilson, wie er untätig in einem
anonym-farblosen Büro sitzt. Ein Telefonat mit seiner Tochter gibt
Aufschluss darüber, dass er von seiner Frau geschieden ist.
Statt zu arbeiten, zeichnet der mutmaßlich Depressive an seinem
Schreibtisch Blätter mit Skizzen voll, ein Haus in idyllischer Landschaft,
auf einem anderen eine Frau mit langen dunklen Haaren. Als er zum Chef
gerufen wird, greift er erst noch einmal zum Telefon, um neue Tabletten für
sich anzufordern, doch sein Rezept, sagt man ihm, ist schon zu oft erneuert
worden. Beim Chef erfährt er schließlich, dass er gefeuert ist.
Kurz darauf passiert etwas Unvorhergesehenes. Der Boss ist tot, Greg flieht
panisch aus dem Büro und in die nächste Bar gegenüber. Dort spricht ihn die
etwas ungepflegt erscheinende Isabel an. Sie gibt ihm kurzerhand zu
verstehen, dass er und sie „echt“ seien, die meisten anderen Menschen um
sie herum jedoch nicht. Sie lebten in einer großen Simulation und sie wolle
ihm helfen.
## Mit Substanzen die Welt manipulieren
Isabel, von Salma Hayek gegeben, hat aber nicht allein Geheimwissen über
die Welt zu bieten, sie verfügt zudem über Substanzen, die wie gelbe
Diamanten aussehen, mit denen sie die simulierte Welt manipulieren kann.
Das beeindruckt Greg, man schmeißt gemeinsam eine Runde, geht kurz darauf
zur Rollschuhbahn, um dort die anderen durch bloßen Fingerzeig zu Fall zu
bringen. Ein großer Spaß für das neue Paar und für die Zuschauer ebenso.
Das alles mit einem Minimum an Special Effects.
Um Greg vor der Polizei zu verstecken, da er seines toten Bosses wegen
gesucht werden könnte, nimmt Isabel ihn erst einmal zu sich. Sie lebt wie
eine Obdachlose in einer sperrmüllartigen Zeltkonstruktion, nahe am Fluss
der namenlosen, in blassgrauen Tönen gehaltenen Stadt, hinter Brücken vor
den Blicken der Öffentlichkeit verborgen. Greg nimmt das alles ziemlich
widerstandslos hin, auch dass sich Isabel in einer seiner Zeichnungen
wiedererkennt und ihm offenbart, sie gehörten zusammen.
Cahill erzählt diese Geschichte einer ungleichen Begegnung, bei der
zunehmend unklar ist, ob Isabels Verschwörungstheorie nun wahr ist oder
nicht, wie die Ballade zweier Junkies, bei denen besonders Salma Hayek
immer wieder mit abhängigkeitstypischen Anfällen Zweifel an der
Glaubhaftigkeit ihrer Erzählung nährt. Alles eine drogeninduzierte
Wahnwelt? Irgendwann ist für Isabel jedenfalls ein Punkt erreicht, an dem
sie meint, Greg die Realität noch einmal zeigen zu müssen. Mithilfe von
anderen, blauen Kristallen.
Der Wechsel in die nächste Welt hat verschiedene filmische Vorbilder. Am
bekanntesten ist „Matrix“ [1][der Wachowskis] von 1999. Cahills
hirnwindungsstrapazierendes Verwirrspiel mit den Ebenen ähnelt vor allem
aber [2][Rainer Werner Fassbinders Simulationsklassiker „Welt am Draht“
(1973)] nach dem Science-Fiction-Roman „Simulacron-3“ von Daniel F.
Galouye.
## Verdächtig perfekte „echte“ Welt
So ist nach dem Ausflug in die „echte“ Welt, die, so ganz ohne soziale
Ungerechtigkeit oder Umweltnöte, verdächtig perfekt und farbenfroh wirkt,
für Greg kaum noch zu unterscheiden, welche der beiden künstlich ist und
welche nicht. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob Cahills Erzählung nicht
ohnehin näher an Baudelaires Meditation über die Wirklichkeit des Rausches
ist. Immerhin müssen Greg und Isabel ständig synthetische Stoffe schlucken,
um ihre Form der „Glückseligkeit“, so die Übersetzung des englischen
Titels, zu erlangen. Suchtwirkung inklusive.
Cahill gelingt dabei nicht allein eine elegante Verwirbelung der zwei
Ebenen durch optische Fallstricke, er lässt in der paradiesischen „echten“
Welt auch diverse Figuren als Hologramme auftreten, was für zusätzliche
Irritationen sorgt.
Sogar der [3][Philosoph Slavoj Žižek] hat einen Cameo-Auftritt als solch
ein Hologramm. Er präsentiert als Theorie-Zitat seine auch außerhalb der
fiktiven Grenzen des Films von ihm vertretene Ansicht zur Hölle als einem
Ort großer Ausschweifungen, der bloß gelegentlich mit Ansage vom Himmel aus
observiert wird. Für diese kurzzeitige Kontrolle von oben unterbrächen die
Sünder dann ihre Orgien, um zu simulieren, sie würden in der Hölle leiden.
In den ersten Bildern des Films sitzt Greg an seinen Zeichnungen eines
Hauses und einer Frau. Dazu spricht er aus dem Off, dass er sich nicht
sicher sei, ob diese Dinge echt seien. Er habe aber ein Gefühl bei ihnen.
Und das Gefühl sei echt. Auch das eine Art künstliches Paradies, eines mit
Wirklichkeit.
4 Feb 2021
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## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
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