| # taz.de -- EU-Abgeordnete zu Tracking im Internet: „Den Werbemarkt veränder… | |
| > Die EU will Onlineplattformen neu regulieren. Eine Gruppe von | |
| > EU-Parlamentarier:innen will ein Verbot trackingbasierter Online-Werbung. | |
| Bild: Berliner Abiturientin mit Smartphone: Vielen ist gar nicht bewusst, was m… | |
| taz: Frau Geese, was ist gute Werbung im Internet? | |
| Alexandra Geese: Wenn Werbung überhaupt gut sein kann, dann solche, die | |
| nicht ausspioniert. Aus Sicht der Werbetreibenden ist es Werbung, die die | |
| Nutzer:innen erreicht. Das ist möglich, ohne dafür riesige | |
| Datensammlungen anzulegen und Menschen auszuspionieren, wie es derzeit im | |
| Internet üblich ist. Es funktioniert kontextbasiert, egal ob im | |
| Printprodukt oder Online: Da gibt es in der Automobilzeitschrift dann eben | |
| Werbung für Autos oder Herrenrasierer, was natürlich ein sexistisches | |
| Klischee ist, aber es funktioniert, ganz ohne Nutzer:innenprofile | |
| anzulegen. | |
| Und was ist problematische Onlinewerbung? | |
| Das ist Werbung, die zielgerichtet auf eine bestimme Person bezogen | |
| ausgespielt wird. Dafür werden, während wir durchs Internet surfen, | |
| [1][haufenweise Daten über uns gesammelt] und in riesigen Datenbanken | |
| zusammengeführt. | |
| Das, was man unter dem Begriff Tracking versteht. | |
| Genau. Dazu kommen Offlinedaten, zum Beispiel, wenn wir im Supermarkt | |
| Treuepunkte einlösen. Für jede Person gibt es also ein Profil mit all ihren | |
| Daten. Wenn ich eine Webseite besuche, die Werbung zeigen will, wird mein | |
| Profil Hunderten Unternehmen per Auktion angeboten. Wer am meisten bietet, | |
| bekommt den Werbeplatz. Das alles läuft innerhalb von Bruchteilen von | |
| Sekunden ab. | |
| Momentan sehen wir im Internet vor allem die problematische Variante. Sie | |
| setzen sich gemeinsam mit anderen EU-Parlamentarier:innen dafür ein, dass | |
| die EU trackingbasierte Werbung verbietet. Warum? | |
| Jedes Datenprofil besteht aus 20.000 bis 50.000 Datenpunkten. Darunter sind | |
| sensible Daten wie Religion oder sexuelle Orientierung oder Vorlieben | |
| erfasst. Die meisten Nutzer:innen werden kaum wollen, dass Dritte | |
| darüber Bescheid wissen. Und dieselben Daten werden genutzt, um Hass, Hetze | |
| und Desinformation zu verbreiten. Wer im Netz einem Trump-Anhänger folgt, | |
| dem werden per Algorithmus auch andere und immer radikalere Inhalte | |
| zugeführt. Im Kern geht es deshalb darum, unsere Demokratie zu schützen. | |
| Konzerne argumentieren, per Tracking bieten sie Nutzer:innen Werbung, | |
| die für sie relevant ist und so als weniger aufdringlich empfunden wird. | |
| Viele Nutzerinnen und Nutzer wissen nicht, was mit ihren Daten passiert: | |
| Wie viele und welche Daten gesammelt werden, wie sie zusammengeführt | |
| werden, wie lange sie gespeichert werden und wer das alles bekommt. Würden | |
| die Menschen das alles wissen, würden die meisten diese Art von Werbung | |
| nicht mehr haben wollen. Das zeigt ein Beispiel aus den Niederlanden: Dort | |
| hat die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ihre Nutzer:innen gefragt, | |
| ob sie dem Tracking zustimmen. 90 Prozent der Befragten haben gesagt: Nein, | |
| das will ich nicht. | |
| Auch wenn es keine personalisierte Werbung mehr gäbe, würde das Tracking | |
| nicht verschwinden. Es ist beispielsweise auch Basis dafür, welche Posts | |
| Nutzer:innen in [2][Online-Netzwerken] angezeigt werden. Warum wollen | |
| Sie nicht gleich das Tracking komplett untersagen? | |
| Das würde ich am liebsten. Eigentlich ist beim Tracking vieles nach der | |
| Datenschutz-Grundverordnung nicht erlaubt und mindestens eine rechtliche | |
| Grauzone. | |
| Aber es wird gemacht. | |
| Ja, das liegt auch daran, dass die für die meisten der IT-Konzerne | |
| zuständige irische Datenschutzaufsicht nicht sehr aktiv ist. Die Umsetzung | |
| fällt leider nicht in die Zuständigkeit des Parlaments. Aber mit der | |
| Forderung, trackingbasierte Werbung aus Europa zu verbannen, denken wir | |
| weiter: Wir wollen die finanziellen Anreize für das Tracking nehmen. 98 | |
| Prozent der Einnahmen von Facebook beruhen auf der spionierenden Werbung. | |
| Bei Google sind es 70 Prozent. Indem wir den Werbemarkt verändern, | |
| verändern wir die Gesellschaft zum Vorteil für unsere Demokratie. | |
| Wie genau soll sich das denn äußern? | |
| Wir profitieren als Gesellschaft, wenn wir die Überwachung durch wenige | |
| große Unternehmen stoppen. Denn die Daten, die für die Werbung gesammelt | |
| werden, ermöglichen auch die politische Manipulation von Menschen. Das ist | |
| zum Beispiel anhand des Brexits nachgewiesen. Da wurden bestimmte | |
| manipulierende Pro-Brexit Botschaften zuerst an Gruppen von Menschen | |
| ausgespielt, die dafür besonders empfänglich waren. Zum Beispiel gab es | |
| eine Anzeige: Wenn wir in der EU bleiben, ist die nächste Außengrenze | |
| Großbritanniens der Irak. Das wurde zuerst an Menschen ausgespielt, die so | |
| etwas glauben. | |
| Dazu kommt noch ein zweites Problem: [3][Die Onlinenetzwerke] können auf | |
| Basis dieser Trackingdaten Nutzer:innen sehr lange im Netz halten, weil | |
| sie so persönlich sind, dass wir uns immer direkt angesprochen fühlen. Aber | |
| gerade Desinformationen, Hass und Hetze, die uns zur Interaktion einladen | |
| und daher die Werbeeinnahmen erhöhen, werden auf Basis dieser Daten | |
| ausgespielt. Und das schadet uns als Gesellschaft. Das Wall Street Journal | |
| hat letztes Jahr interne Facebook-Zahlen veröffentlicht, wonach ein Drittel | |
| aller Facebook-Gruppen extremistisch sind. Und 64 Prozent der Mitglieder | |
| dieser Gruppen wurden von Facebooks Empfehlungsalgorithmus dahingeschickt. | |
| Also doch Tracking komplett untersagen? | |
| Die EU hat sich digitale Souveränität zum Ziel gesetzt, und für mich | |
| bedeutet das eine freie Gesellschaft, die nicht auf Schritt und Klick | |
| getrackt wird. Nur so können wir unsere Diskurse auf den großen | |
| Social-Media-Plattformen wieder demokratischer führen und | |
| eigenverantwortlich über die Nutzung unserer Daten entscheiden. | |
| 3 Feb 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Bundesgerichtshof-zu-Tracking-Cookies/!5685362 | |
| [2] /EU-Kommission-stellt-Gesetzentwuerfe-vor/!5734135 | |
| [3] /Facebook-und-Co-entmachten/!5730460 | |
| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
| ## TAGS | |
| Datenschutz | |
| Internet | |
| Werbung | |
| Schwerpunkt Meta | |
| Wissenschaftsfreiheit | |
| Datenschutz | |
| Schwerpunkt Meta | |
| EU-Kommission | |
| Social Media | |
| Internet | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Datentracking bei Wissenschaftsverlagen: Warnung vor den Wissensspionen | |
| Forscher wehren sich gegen Datentracking von Verlagen. Sie sehen die | |
| Wissenschaftsfreiheit in Gefahr und fordern klare Regeln. | |
| Tracking-Schutz bei Apple: Endlich Nein sagen können | |
| Apple kratzt an der Praxis von Datensammeln und Werbung im Netz. Die | |
| Empörung ist groß. Dabei wäre es Zeit für ein Verbot personalisierter | |
| Werbung. | |
| Nach dem Datenleck bei Facebook: Abgesaugt | |
| Datenlecks wie jüngst bei Facebook werden zunehmen. Bedrohlich wird die | |
| Sache durch die schiere Masse preisgegebener Informationen. | |
| Googles Absage an Cookie-Tracking: Plan in der Hinterhand | |
| Google will dem lückenlosen Tracking von User:innen ein Ende setzen. Ist | |
| das eine glaubwürdige Liebeserklärung an den Datenschutz? | |
| EU-Pläne für Big-Tech-Regulierung: Großes, kleines Internet | |
| Es ist richtig, dass die EU-Kommission Monopole im Internet verhindern | |
| will. Aber der Lobbydruck der Konzerne wird enorm sein. | |
| Regeln für Onlineplattformen: Ihre Macht betrifft alle | |
| Ob Facebook, Airbnb oder Google – für Plattformgiganten braucht es klare | |
| Pflichten etwa in Sachen Transparenz. | |
| Tracking-Urteil des BGH: Nur ein Teil des Problems | |
| Cookies dürfen laut BGH nicht voreingestellt werden. Doch digitale Spuren | |
| lassen sich auch anderweitig sammeln. |