| # taz.de -- Gesetz zu Suizidassistenz: Sterbehilfe nur nach Beratung | |
| > Abgeordnete von SPD, FDP und Linke haben einen Gesetzentwurf zur | |
| > Suizidassistenz vorgestellt. Er umfasst auch Zulassung eines strittigen | |
| > Medikaments. | |
| Bild: Jede Entscheidung, das Leben selbst zu beenden, muss freiwillig sein | |
| BERLIN taz | Menschen, die ihrem Leben ein Ende setzen wollen, sollen dazu | |
| von einem Arzt oder einer Ärztin Hilfe erhalten können, wenn sie vorher | |
| eine unabhängige Beratung in Anspruch genommen haben. Dies sieht ein | |
| interfraktioneller [1][Gesetzentwurf] der Abgeordneten Karl Lauterbach | |
| (SPD), Katrin Helling-Plahr (FDP) und Petra Sitte (Linke) vor, der am | |
| Freitag in Berlin vorgestellt wurde. | |
| Lauterbach sagte, er sehe die Notwendigkeit, durch ein neues | |
| Sterbehilfegesetz ein „Sicherheitsnetz“ aufzuspannen, um zu garantieren, | |
| dass bei einer Entscheidung zum Suizid „Autonomie“ gegeben sei. Dem | |
| ärztlich assistierten Suizid müsste laut dem Gesetzentwurf eine Beratung | |
| durch eine unabhängige staatlich anerkannte Stelle vorausgehen, in dem der | |
| oder die Suizidwillige über Handlungsalternativen und die Möglichkeiten der | |
| palliativen Medizin aufgeklärt werden. | |
| „Wir möchten ein umfassendes Beratungsangebot aufbauen“, sagte | |
| Helling-Plahr, „schließlich ist es uns aber auch wichtig, dass | |
| Sterbewillige in einem geordneten Verfahren Zugang zu Medikamenten zur | |
| Selbsttötung erhalten.“ | |
| Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil im Februar 2020 ein | |
| Verbot der Sterbehilfe als mit der Verfassung unvereinbar erklärt. Nach wie | |
| vor lehnen die Berufsordnungen der Ärztekammern in einigen Bundesländern | |
| aber die Hilfe zum Suizid ab. | |
| ## Bescheinigung darf nicht zu alt sein | |
| Der Gesetzentwurf der Abgeordneten sieht vor, dass der Arzt einem oder | |
| einer Suizidwilligen ein Mittel zur Selbsttötung verschreiben darf, sich | |
| aber durch „Vorlage einer Bescheinigung“ „nachweisen“ lassen muss, dass… | |
| Person zuvor eine Beratungsstelle aufgesucht hat. Die Beratung muss | |
| mindestens zehn Tage und darf höchstens acht Wochen zurückliegen. | |
| Die unentgeltliche Beratung kann auch „aufsuchend“ sein, etwa wenn ein | |
| Patient oder eine Patientin nicht mehr mobil ist. Als Beratungsstellen | |
| können auch die Einrichtungen freier Träger sowie Ärztinnen und Ärzte | |
| „anerkannt werden“, heißt es in dem Entwurf. | |
| Lauterbach erklärte, das [2][Urteil] des Bundesverfassungsgerichts von 2020 | |
| habe „wenig Spielraum“ für einen Gesetzentwurf gelassen. Das Gericht kippte | |
| im Februar 2020 das Verbot der „geschäftsmäßigen“ Sterbehilfe, weil nach | |
| Ansicht der Richter das Recht auf selbstbestimmtes Sterben das Recht | |
| einschließe, sich mit Hilfe Dritter das Leben zu nehmen. Die Karlsruher | |
| Richter räumten dem Gesetzgeber aber die Möglichkeit ein, die Verfahren der | |
| ärztlichen Suizidassistenz auszugestalten. | |
| ## Streitpunkt Pentobarbital | |
| Das Mittel [3][Natrium-Pentobarbital], das in der Sterbehilfe als besonders | |
| human und wirksam gilt, darf in Deutschland von ÄrztInnen bislang nicht für | |
| PatientInnen verschrieben werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, das | |
| Betäubungsmittelgesetz zu ändern, sodass die Verschreibung von | |
| Natrium-Pentobarbital in der Suizidassistenz möglich wäre. | |
| Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) blockiert | |
| bisher auf Anweisung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die | |
| Abgabe dieses Mittels an schwerkranke Suizidwillige, obwohl die | |
| Verwaltungsgerichte in Einzelfällen diese Abgabe gestatteten. ÄrztInnen | |
| müssten „unabhängig vom BfArM, das mit dieser Entscheidung überfordert ist, | |
| Zugriff auf Medikamente für die Patienten erhalten“, sagte Petra Sitte von | |
| der Linken. | |
| Ein alternativer Gesetzentwurf zum ärztlich assistierten Suizid kommt von | |
| den Abgeordneten der Grünen, Renate Künast und Katja Keul. Dieser Entwurf | |
| unterscheidet, ob die Betroffenen ihren Tod wegen einer schweren Erkrankung | |
| anstreben oder aus anderen Gründen. Im letzteren Fall seien „höhere | |
| Anforderungen“ an die „Dokumentation der Dauerhaftigkeit eines | |
| selbstbestimmten Entschlusses“ zu stellen, so der Entwurf. | |
| Derzeit bieten vor allem die Vereine Sterbehilfe Deutschland und Dignitas | |
| den ärztlich assistierten Suizid an. Mit den Vereinen verbundene ÄrztInnen | |
| verschreiben Suizidwilligen Medikamentenkombinationen, die tödlich wirken. | |
| Diese Suizidassistenz kann mit allen Nebenkosten um die 10.000 Euro kosten. | |
| 29 Jan 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.helling-plahr.de/files/dateien/210129%20Interfraktioneller%20En… | |
| [2] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/0… | |
| [3] https://www.bundestag.de/resource/blob/706148/0b81480f8b72ef011e73d02d928d5… | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Dribbusch | |
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