# taz.de -- Neue Musik aus Berlin: Leere Wohnungen beschallen | |
> Die italienische Cellistin Martina Bertoni legt auf ihrem Album „Music | |
> for Empty Flats“ elektronische Schichten über die Klänge ihres | |
> Instruments. | |
Bild: Steht auf brummende Drones: Martina Bertoni | |
Jüngere Musiker aus Italien, die seit einigen Jahren oder auch seit gar | |
nicht allzu langer Zeit in Berlin leben, gibt es inzwischen eine ganze | |
Menge. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Das hat zum einen mit dem Status | |
der Stadt als Zentrum für recht spannende Musik aller Art zu tun. Zum | |
anderen aber ebenso damit, dass die wirtschaftliche Lage in Italien für | |
nachwachsende Generationen derzeit wenig an Aussichten bietet. | |
Die Cellistin Martina Bertoni ist in Rom geboren und 2017 nach Berlin | |
gezogen, daher noch einigermaßen ortsfrisch. Ihr Instrument spielt sie | |
dagegen schon lange. Sie interessiert sich ebenfalls schon lange mehr für | |
Abenteuer in der Musik, das Arbeiten mit Klängen, als für die beim Cello | |
verbreitetere klassische Literatur. Töne sind bei ihr gern langgezogen, zu | |
Drones, die schwer liegen oder sich zu große Bögen aufschwingen. | |
„Music for Empty Flats“ heißt ihr zweites Album, was gegenwärtig eher | |
paradox anmutet. Sind die meisten Wohnungen aktuell doch stark bewohnt. | |
Abgesehen vielleicht von den Behausungen von Personen mit mehreren | |
Adressen, die jetzt an einem Ort festsitzen und ihre anderen Domizile nicht | |
aufsuchen können. | |
Das im Titel gewählte Bild spielt zudem, bewusst oder unbewusst, mit der | |
überlieferten Metapher von Ambient-Musik als Klangtapete oder Musikmöbel, | |
denn in dieser Tradition der bedächtig schwebenden, fast statischen | |
akustischen Gebilde steht Martina Bertoni durchaus. Bloß, dass sie die in | |
ihrem Genre bewährte Perspektive umkehrt. Statt die Musik als zur | |
Einrichtung von Immobilien gehörig zu betrachten, widmet sie ihr Album den | |
Behausungen selbst. | |
Sie beginnt dazu mit den Klängen des Cellos, bearbeitet diese dann so | |
lange, bis sich diverse elektronische Schichten über das akustische | |
Material gelegt haben. Der menschliche Input verschwindet darüber nicht, | |
wird aber, von Hall oder Feedback angereichert, immer schroffer und | |
„elektronischer“. Für leere Wohnungen wie für Lebewesen mit Ohren | |
gleichermaßen geeignet. | |
22 Jan 2021 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
## TAGS | |
taz Plan | |
Kolumne Berlinmusik | |
Cello | |
taz Plan | |
taz Plan | |
taz Plan | |
taz Plan | |
taz Plan | |
taz Plan | |
taz Plan | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neue Musik aus Berlin: Die wehrhaften Töpfe | |
Mit dem Hörspiel „Popol Vuh“ verarbeitet Götz Naleppa einen vor 500 Jahren | |
verschriftlichten Mythos der Mayas zu einer sanften Klangkomposition. | |
Neue Musik aus Berlin: Minimalismus galore | |
Wummern, dräuen und dröhnen: Das beim Label Adagio830 veröffentlichte | |
Debütalbum des Synthwave-Duos Ostseetraum bietet 21 tolle Minuten Musik. | |
Neue Musik aus Berlin: Die letzte Station | |
Eine Aufnahme von Beethovens „Variationen“ ist das Abschiedsgeschenk der | |
Pianistin Angela Hewitt an ihren Fazioli-Flügel. | |
Neue Musik aus Berlin: Nach Kalifornien hier entlang | |
CV Vision klingt auf seinem Solo-Debütalbum „Tropical“, als ob er an einem | |
kalifornischen Strand Surfmusik mit Krautrock mischt. | |
Neue Musik aus Berlin: Ein Leben lang Antifa | |
Emika und Paul Frick veröffentlichen zusammen ein minimalistisches Album, | |
während Synth-Pop-Queen Molly Nilsson eine alte Single neu auflegt. | |
Klassik made in Berlin: Transparente Akustik | |
Das Jerusalem Quartet legt ein Album mit Streichquartetten Béla Bartóks vor | |
– aufgenommen im legendären Teldex Studio in Lichterfelde. | |
Postpunk und Wave aus Berlin: Phantomschmerz im Tanzbein | |
Der neue Sampler vom Kassetten-Label Kollektiv Flennen bietet richtig gutes | |
Zeug – die Erlöse gehen an Opfer rassistischer Polizeigewalt. |