# taz.de -- Klassik made in Berlin: Transparente Akustik | |
> Das Jerusalem Quartet legt ein Album mit Streichquartetten Béla Bartóks | |
> vor – aufgenommen im legendären Teldex Studio in Lichterfelde. | |
Wenn von Musikaufnahmen die Rede ist, sind meist zwei Dinge zu | |
berücksichtigen: die Musiker und, bei Klassik vor allem, die Komponisten, | |
sofern nicht mit den Musikern identisch. Was seltener erwähnt wird, ist der | |
Ort der Aufnahme. Von Albumtiteln wie „At San Quentin“ einmal abgesehen. | |
Beim Jerusalem Quartet, das jetzt die zweite Hälfte seiner | |
Gesamteinspielung der Streichquartette des ungarischen Komponisten Béla | |
Bartók vorgelegt hat, alles keine ausgewiesenen Berliner, entstand die | |
Aufnahme dafür in einem geschichtsträchtigen Gebäude: dem Teldex Studio in | |
Lichterfelde. Vor dessen Gründung 2002 war dort das Teldec Studio des | |
gleichnamigen Klassiklabels. Teldec war ursprünglich eine Zusammenarbeit | |
des Berliner Unternehmens Telefunken und des britischen Plattenlabels | |
Decca. | |
Das Teldex Studio begann aus purer Not. Teldec war 2001, als der | |
Mutterkonzern Time Warner, zu dem das Label inzwischen gehörte, mit AOL | |
fusionierte, aufgegeben worden, Studio inklusive. Drei frühere Tonmeister | |
von Teldec beschlossen, das Studio weiterzubetreiben, und begannen 2002 | |
eine Kooperation mit dem französischen Klassiklabel Harmonia Mundi. Label | |
wie Deutsche Grammophon, Sony Classical oder EMI folgten. Seitdem | |
etablierte sich das Teldex Studio als eines der führenden auf seinem | |
Gebiet. | |
Wenn man den Namen Teldex nicht hinten im Booklet nachliest, übersieht man | |
dieses Detail gern. Dabei spielt der Klang eine nicht unerhebliche Rolle | |
bei Neueinspielungen. Ist die Konkurrenz am Markt doch so groß, dass selbst | |
bei überragenden Interpretationen eine mittelmäßige Akustik | |
geschäftsschädigend wäre. Derlei Hindernisse müssen die Streicher des | |
Jerusalem Quartet nicht fürchten. | |
Ihr rhythmisch federnder, transparenter Bartók hat dank nah positionierter | |
Mikrofone und nur leichtem Nachhall etwas warm Intimes und bietet genug | |
Raum zum Atmen. Genau richtig für diese aus heutiger Sicht klassische | |
Moderne, die in ihrem Erkundungen so lyrisch-zart wie dezent sperrig ist. | |
8 Jan 2021 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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