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# taz.de -- Neues Stipendium in Schleswig-Holstein: Starthilfe für Studis ohne…
> Bevor das Studium losgeht, entstehen für die künftigen Studierenden schon
> hohe Kosten. Das schreckt Jugendliche aus finanzschwachen Familien oft
> ab.
Bild: Ohne Geld zwecklos: Studentische Wohnraumsuche via Schwarzem Brett
Neumünster taz | Als erstes Bundesland wird Schleswig-Holstein ein
Stipendium an Studienanfänger*innen aus einkommensschwachen Familien
zahlen. Darauf haben sich die Fraktionen der Jamaika-Koalition geeinigt.
Ein ähnliches Modell läuft bereits in Hannover – dort zeigt sich, dass das
Geld vor allem Jugendlichen aus migrantischen Familien und Geflüchteten den
Eintritt in die Uni erleichtert.
Der Umzug in eine andere Stadt, Bett und Schreibtisch, Mietkaution, Laptop
und Bücher: Der Beginn des Studiums ist nicht nur der Start in einen neuen
Lebensabschnitt, er ist auch teuer. Viele Studierende erhalten das Geld für
die Erstausstattung von den Eltern oder Großeltern. Aber was ist mit
Jugendlichen, deren Familien keinen Cent übrig haben oder die nicht auf die
Hilfe ihrer Verwandten hoffen können, etwa weil sie in einem Heim
aufgewachsen oder weil sie als Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind?
Für sie ist die „Starthilfe“ gedacht, sagt Lasse Petersdotter,
Hochschul-Experte der Grünen-Landtagsfraktion. Denn für Jugendliche aus
nicht akademischen Haushalten sei der Weg an die Uni immer noch weit:
„Allein, weil die Eltern nicht erzählen können, was dort passiert, aber
auch aus finanziellen Gründen.“
Zwar gibt es die staatliche Unterstützung Bafög, aber die erste Rate wird
erst ausgezahlt, wenn das Studium schon läuft, wenn also die Wohnung
gemietet ist und der Semesterbeitrag gezahlt sein muss. An der Universität
Kiel geht es um 263 Euro, die sich aus Verwaltungsgebühren, dem Beitrag für
das Studierendenwerk und dem landesweit gültigen Semesterticket von 134
Euro zusammensetzen. Zwar können Studierende in Ausnahmefällen die Kosten
zurückerhalten, dennoch muss zuerst eingezahlt werden. „Das schreckt viele
Leute ab“, sagt Petersdotter.
Dass die Jugendlichen Geld verdienen und für den Studienbeginn zurücklegen,
ist schwierig. Denn wenn die Familie von Arbeitslosengeld II oder
Asylbewerberleistungen lebt, darf auch ein Kind nur 100 Euro im Monat extra
behalten. „Erstens ist es extrem schwer, so diszipliniert zu sein,
monatelang zu arbeiten, aber keinen Cent ausgeben zu dürfen“, sagt
Petersdotter. „Und zweitens gibt es kaum Jobs, in denen man nur 100 Euro
verdient, die meisten Arbeitgeber suchen 450-Euro-Kräfte.“ Hinzu komme,
dass zahlreiche Jobs für Schüler*innen und Studierende vom Kellnern bis
Hausaufgabenhilfe unter Pandemiebedingungen kaum möglich sind. „Die Leute
gehen tief in den Dispo und pumpen ihren Freundeskreis an – oder sie lassen
das Studium.“
Die Beihilfe allein werde die gesellschaftlichen und finanziellen
Unterschiede nicht ausgleichen, aber „es kann gelingen, es ein bisschen
gerechter zu machen“, sagt Petersdotter. Die Jamaika-Koalition stehe
geschlossen hinter dem Antrag.
Für die „Studienstarthilfe“ sind im kommenden Haushalt, der am Freitag
vorgestellt wird, 120.000 Euro vorgesehen. Ein Stipendium beträgt maximal
800 Euro, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Bei den Summen haben sich
die Koalitionäre am Beispiel von Hannover orientiert.
Dort hat das Studentenwerk 2015 ein solches Projekt gestartet, das von Jahr
zu Jahr besser angenommen wird. 2018 erhielten 131 Personen eine
„Starthilfe“, die in Hannover maximal 400 Euro beträgt. 104 der
Stipendiat*innen haben Migrationshintergrund, davon sind 59
Geflüchtete. Zwei der heutigen Studierenden bewarben sich aus dem
Asylverfahren heraus.
Lob für die Idee gibt es vom Kieler Asta: „Wir finden die Maßnahme sehr gut
und die Summe angemessen“, teilen die Sprecher*innen Julia Schmidtke und
Johnny Schwausch mit. Wichtig sei ein unbürokratisches Verfahren.
Dafür soll das Studentenwerk Schleswig-Holstein sorgen. Deren
Sozialberaterin Daniela Evers freut sich, dass es zum nächsten
Wintersemester losgehen soll: „Das Studentenwerk SH hat diese Starthilfe
angeregt und begrüßt die Entscheidung des Landes.“ Das Ziel sei, die
Bürokratie „möglichst gering“ zu halten.
Das scheint machbar: In Hannover umfasst der Fragebogen knapp zwei Seiten.
29 Jan 2021
## AUTOREN
Esther Geißlinger
## TAGS
Stipendium
Bildungschancen
Studierende
Studium
Schleswig-Holstein
Studentenwerk
Bremen
Bildung
Stipendium
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