# taz.de -- Studentenwerke im Verdacht: Unverdienter Bonus | |
> Bei den niedersächsischen Studentenwerken sollen Mitarbeitern Zulagen | |
> gezahlt worden sein, die nicht rechtens waren. | |
Bild: Die niedersächsischen Studentenwerke fühlen sich zu Unrecht an den Pran… | |
HANNOVER taz | Haben [1][die fünf niedersächsischen Studentenwerke] ihren | |
Mitarbeiter*innen massenhaft unzulässige Zulagen gewährt? Das | |
suggeriert ein Bericht der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom | |
Dienstagmorgen. [2][Von „hunderten Verdachtsfällen“] ist da die Rede, 254 | |
der rund 1.800 Mitarbeiter*innen sollen betroffen sein und | |
möglicherweise im Monat Beträge von 75 bis 770 Euro zu viel erhalten haben, | |
zum Teil schon seit 20 Jahren. | |
Durchgesickert war dies, nachdem Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) | |
den zuständigen Landtagsausschuss am Montag in vertraulicher Sitzung | |
darüber unterrichtet hatte, dass sein Ministerium diese Fälle nun | |
überprüft. Losgetreten hat das wohl der neue Geschäftsführer des | |
Hannoverschen Studentenwerkes Michael Knüppel, der nach seinem Amtsantritt | |
Zweifel an einigen Zulagen hatte und daher erst anwaltlichen Rat und dann | |
eine ministerielle Stellungnahme einholte. | |
Das Ministerium dehnte die Prüfung dann auf die weiteren niedersächsischen | |
Studentenwerke aus, forderte Unterlagen aus Göttingen, Oldenburg, Osnabrück | |
und Ostniedersachsen an. Das Studentenwerk Hannover hat die Auszahlung | |
aller Zulagen mit Wirkung zum 1. April sicherheitshalber gestoppt. | |
Haben hier also ausgerechnet die, die sich um die Beratung, Unterbringung | |
und Verpflegung von chronisch klammen Studierenden kümmern, sich selbst | |
fröhlich großzügige Gehaltsaufbesserungen gewährt? | |
„Auf keinen Fall!“, sagt der Geschäftsführer, der das Ganze ausgelöst ha… | |
Die Darstellung, in seinem Hause hätten sich schon 33 Verdachtsfälle | |
bestätigt, bei denen die Zulagen nicht tarifkonform seien, sei schlicht | |
falsch, sagt Knüppel. Er habe zwar noch gar keinen definitiven Bescheid vom | |
Ministerium bekommen, aber man gehe bisher davon aus, dass alle Zulagen | |
„dem Grunde und der Höhe nach“ den tariflichen Bestimmungen entsprechen. | |
## Bloß nicht dokumentiert | |
Begründet wurden die nämlich mit einer Öffnungsklausel, die der | |
Tarifvertrag vorsieht: Um Fachkräfte an sich zu binden, kann von der sonst | |
gültigen Eingruppierung abgewichen werden. Das ist vor allem dort wichtig, | |
wo der öffentliche Dienst zurzeit gerne mal das Nachsehen hat: in der | |
Informationstechnologie oder im Bausektor zum Beispiel, wo sich | |
höherqualifizierte Fachkräfte vor Angeboten kaum retten können. | |
Strittig sei jetzt lediglich, ob die Begründung dieser Abweichung | |
hinreichend dokumentiert wurde, sagt Knüppel. Es gäbe dazu nämlich einen | |
Durchführungshinweis, der besagt, dass für diese Art von Zulage ein | |
Drittangebot vorliegen muss. Im Klartext: dass es also einen echten | |
Abwerbeversuch gibt und nicht bloß eine*n Mitarbeiter*in, der/die sagt, er | |
oder sie schaue sich jetzt mal woanders um. Dieser Vorschrift des | |
Finanzministeriums hat man aber wohl nicht in jedem Fall Genüge getan. | |
Dass die Zahl der Betroffenen so hoch ist, erklärt Knüppel damit, dass | |
jetzt erst einmal alle Zulagen auf dem Prüfstand stünden – ganz sicher | |
werde sich aber ein großer Teil als völlig unproblematisch herausstellen. | |
Immerhin gibt es ja auch Zulagen, die der Tarifvertrag ausdrücklich | |
vorschreibt – etwa bei bestimmten Schicht- und Bereitschaftsdiensten. Auch | |
die Öffnungsklausel umfasst noch weitere Umstände: Den Ausgleich von | |
höheren Lebenshaltungskosten in Großstädten zum Beispiel. | |
Knüppels Amtskollegen sind alles andere als begeistert von der öffentlichen | |
Welle, die diese Angelegenheit nun macht und fühlen sich zu Unrecht an den | |
Pranger gestellt. „Mit großem Staunen und Verwunderung habe ich diese | |
Berichterstattung zur Kenntnis genommen“, sagt der Geschäftsführer des | |
Göttinger Studentenwerks Prof. Dr. Jörg Magull, der auch als Sprecher für | |
die Arbeitsgemeinschaft der niedersächsischen Studentenwerke fungiert. | |
Er habe bisher weder über die Rechtsgrundlagen noch die Ziele und Tiefe der | |
Prüfung detaillierte Auskünfte erhalten und werde sich hüten, zu einem | |
schwebendem Verfahren irgendetwas zu sagen. Heinke Traeger, Sprecherin des | |
Ministeriums, erklärt, dass das Verfahren bei weitem noch nicht | |
abgeschlossen sei. | |
## Alarm bei Ver.di | |
Der Bund der Steuerzahler hat aber schon einmal die Ohren gespitzt: „Ich | |
habe heute Morgen detaillierte Anfragen an die Geschäftsführer der | |
betroffenen Studentenwerke gestellt und wir werden das im Auge behalten“, | |
sagt der niedersächsische Vorsitzende Bernhard Zentgraf. | |
Auch die Gewerkschaft Ver.di ist alarmiert. „In der Regel haben die | |
Personalräte solchen Zulagen ja zugestimmt, dann können die auch nicht mal | |
eben einseitig vom Arbeitgeber wieder kassiert werden“, mahnt der | |
zuständige Gewerkschaftssekretär Frank Ahrens. | |
30 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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