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# taz.de -- Schulöffnungen in der Pandemie: Kaum ein Land macht Schule
> Präsenzunterricht oder Homeschooling: Bei den Schulöffnungen ist nicht
> nur in Berlin viel Versuch und Irrtum. Ein Blick in drei Länder.
Bild: Da hilft auch Desinfktionsmittel nichts: Die Schulen in Berlin bleiben we…
Berlin taz | Eigentlich hätten die Berliner Schulen ab dem heutigen Montag
wieder in den teilweisen Präsenzunterricht gehen sollen, trotz des bis zum
31. Januar verlängerten Shutdowns. Doch nach massiver Kritik auch aus den
Reihen der eigenen Partei musste Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD)
schließlich zurückrudern. „Bis vor dem 25. Januar 2021 wird es keine
generelle Präsenzpflicht an Berliner Schulen geben“, teilte Scheeres’
Verwaltung am Freitagabend kurz vor dem Wochenende mit – als die meisten
Eltern von ihren Schulen bereits einen ganz anders lautenden Fahrplan
erhalten hatten.
Zuvor hatte der Senat am Mittwoch beschlossen, bei den Schulöffnungen im
Shutdown von der Linie der MinisterpräsidentInnen-Konferenz abzuweichen: In
den Grundschulen sollte es ab 18. Januar für die Jahrgänge 1–3 mit
Präsenzunterricht in halber Klassenstärke losgehen (im Wechsel mit
Homeschooling), ab dem 25. Januar sollten die Klassen 4–6 folgen.
Bei den Abschlussjahrgängen 10, 12 und 13 sollen die Schulen entscheiden
dürfen, ob sie Präsenzunterricht in Kleingruppen ab dem heutigen Montag
verantworten wollen. Laut einer Umfrage des Landesschülerausschusses unter
1.200 SchülerInnen hätten sich 60 Prozent für eine Fortsetzung des
Distanzlernens ausgesprochen, sagte [1][Landesschülersprecher Richard Gamp
der taz].
Nach dem Senatsbeschluss geriet Scheeres, auch angesichts einer wieder
steigenden Inzidenz in Berlin, massiv unter Druck. Die [2][Petition eines
Vaters gegen Präsenzunterricht] unterschrieben am Freitag schnell
Zehntausende, Stand Sonntag waren es knapp 46.000. Die Lehrer-Gewerkschaft
GEW kündigte aus Protest gegen die Schulöffnungen an, die Mitgliedschaft im
Hygienebeirat der Bildungsverwaltung zu beenden. „Daran halten wir auch
weiter fest“, sagte GEW-Landesvorsitzender Tom Erdmann der taz. Das Gremium
sei eine „reine Alibiveranstaltung“.
Am Ende schwand Scheeres auch der Rückhalt in der eigenen Partei: Der
Regierende Michael Müller (SPD) hatte zunächst die Beschlüsse aus der
MinisterpräsidentInnen-Schalte unterstützt, war dann aber auf Scheeres’
Kurs eingeschwenkt. Franziska Giffey, Landesvorsitzende und
Spitzenkandidatin für die Müller-Nachfolge, ließ sich dann aber am
Freitagabend zitieren, sie finde es „richtig“, dass Scheeres „nach
Abstimmung in der Koalition“ den Schulstart jetzt doch verschoben habe. Am
19. Januar soll erneut entschieden werden, wie es weitergeht. Anna Klöpper
## Frankreich: Schulen bleiben offen
Paris taz | Vorläufig geht der Unterricht in den französischen Schulen auf
allen Stufen im Klassenzimmer weiter. Nur die Hörsäle der Hochschulen, die
ganz auf Videokonferenzen umgeschaltet haben, bleiben weiterhin gähnend
leer.
Beim Beginn des neuen Schuljahres im Herbst mussten zuerst die über
11-Jährigen eine Schutzmaske tragen, die sie nur beim Essen am Mittag oder
beim Sport ablegen dürfen. Bald danach mussten aber wegen der bedenklichen
Zunahme der Corona-Neuinfektionen auch die Kleineren ab 6 Jahren maskiert
in die Schule kommen.
Bei dieser Regel bleibt es fürs Erste, hat am Donnerstag der
Premierminister Jean Castex auf einer Pressekonferenz erklärt. Denn die
Zahl der positiven Coronatests sinkt weniger rasch als erhofft in
Frankreich, wo derzeit vor allem der Osten und Südosten des Landes stark
von der Ausbreitung der Pandemie betroffen sind.
Ab dem Wochenende gilt darum für insgesamt 25 von 101 Départements die
[3][abendliche Ausgangssperre ab 18 Uhr] statt ab 20 Uhr wie im restlichen
Frankreich. Und obwohl die Situation laut Castex „weniger dramatisch als in
den Nachbarländern“ ist, bleiben überall die Restaurants, Cafés, Bars und
Fitnesszentren bis auf Weiteres zu.
Auf eine rasch wirksame Impfkampagne, die in Frankreich verspätet und nur
sehr langsam beginnt und bereits von Pannen – wie zum Beispiel einer
fehlerhaften Anleitung – überschattet ist, kann der Regierungschef nicht
vertrösten. Sorgen bereitet aber auch das Auftauchen der neuen
Coronavirus-Varianten aus England und Südafrika, die auch unter den
Jüngeren ansteckender sein sollen. In zwei Schulen der Pariser Region ist
die britische Variante bereits festgestellt worden. Das könnte die
Gesundheitsbehörden dazu zwingen, ihre Vorkehrungen im Schulsystem rasch zu
verschärfen.
Castex meint dazu, „nur eine drastische Verschlimmerung“ könnte eine
Entscheidung rechtfertigen, die Schulen erneut wie im letzten Frühling zu
schließen. Manche Eltern ziehen laut Medienberichten andere Schlüsse und
nehmen ihre Kinder eigenhändig aus der Schule, um sie zu Hause selbst zu
unterrichten. Dies angeblich, um ihnen das Tragen einer Schutzmaske während
langer Stunden zu ersparen. Es gibt keine Zahlen dazu, aber anscheinend
häufen sich nach Angaben von Lehrer:innen die Fälle. Auch ist eine von
empörten Eltern im November lancierte Petition gegen die Maskenpflicht ab 6
Jahren von mehr als 200.000 Personen unterzeichnet worden. Rudolf Balmer
## Israel: Keine Impf-Priorität für Lehrkräfte
Tel Aviv taz | „Von einer Erleichterung der Situation an den Schulen kann
keine Rede sein“, erzählt Shahar Gutman. „Viele Eltern und Schüler sind
frustriert, Lehrer haben Angst, sich zu infizieren, die psychische
Belastung ist nach wie vor enorm hoch.“
Der Mittdreißiger Gutman unterrichtet am traditionsreichen Gymnasium
Herzliya in Tel Aviv und zieht es vor, seinen echten Namen nicht in der
Zeitung zu lesen. Zwar lässt Israel sämtliche Länder der Welt in puncto
[4][Impfgeschwindigkeit weit abgeschlagen] zurück. 1,7 Millionen Israelis
sind bereits mit der ersten Spritze immunisiert worden, das sind fast 20
Prozent der Einwohner*innen.
Doch noch sind die Effekte nicht spürbar. Die Zahl der Neuinfektionen hat
sich in den letzten Tagen bei 8.000 eingependelt, für das kleine Land mit
knapp 9 Millionen Einwohner*innen ist das sehr viel. Die Krankenhäuser
schlagen deshalb Alarm. „Wir stehen ganz am Anfang einer sehr ernsten
Welle“, sagte Pierre Singer, Leiter der Intensivstation im Krankenhaus von
Petah Tikva.
Ein zweiwöchiger Lockdown, der von vielen Israelis als Farce bezeichnet
wurde, wurde am vergangenen Freitag verschärft. Seitdem bleiben das
Herzliya-Gymnasium genauso wie alle Schulen und Kindergärten in Israel –
mit Ausnahme der Bildungseinrichtungen für Sonderpädagogik – geschlossen.
Die neuen Regelungen gelten vorerst für weitere zwei Wochen.
Gutman versteht nicht, warum die Regierung die Lehrer*innen angesichts der
hohen Zahl für die zur Verfügung stehenden Impfungen bisher nicht
priorisiert: „Auf diese Weise wäre es möglich, das Schulsystem offen zu
halten.“ Die derzeitigen Regelungen geben medizinischem Personal,
Pflegepersonal und über 60-Jährigen den Vorrang, aber auch Polizist*innen
und Soldat*innen werden bereits immunisiert.
Viele Kommunen bereiten sich trotz der Regelungen der Regierung darauf vor,
auch Lehrer*innen zu immunisieren. Das Tel Aviver Ichilov-Krankenhaus
impfte bereits in den vergangenen Tagen in einem Alleingang Tausende von
Lehrer*innen, unter ihnen auch Lehrer Gutman.
Zumindest die Lehrer*innen in sonderpädagogischen Bildungseinrichtungen,
die auch während des derzeitigen Lockdowns mit ihren Schüler*innen
zusammenkommen, werden laut Gesundheitsministerium wohl in der kommenden
Woche immunisiert.
Während die Situation in den Krankenhäusern dramatisch ist und Schulen und
Kindergärten geschlossen sind, gibt sich Ministerpräsident Benjamin
Netanjahu optimistisch. Als erster Israeli erhielt er zur besten Sendezeit
am Samstagabend live die zweite Dosis des Impfstoffs. Sein Versprechen
kommt, kurz nachdem zügiger Nachschub von Moderna und Pfizer gesichert
werden konnte. Judith Poppe
## Schweden: Präsenzunterricht bis Klasse 9
Stockholm taz | Einiges hat sich geändert beim Umgang Schwedens mit der
Coronapandemie in den letzten zehn Monaten. Eines aber nicht: Schulen sind
offen.
Jedenfalls prinzipiell. Der Stand zum Unterrichtsbeginn nach den
Weihnachtsferien am heutigen Montag: Kitas, Vorschulen und Schulen bis zur
9. Klasse sind offen und fahren ihren normalen Präsenzunterricht. Für
Gymnasien empfiehlt die Gesundheitsbehörde Distanz- und Fernunterricht.
Ausgenommen sind der Einführungsunterricht der 10. Klassen sowie der
Spezial- und der Sprachenunterricht für migrantische SchülerInnen.
Diese Regelung gilt zunächst bis zum 24. Januar. Sie galt so auch schon von
Mitte März bis zum Beginn der Sommerferien im Juni und wurde am 7. Dezember
erneut eingeführt. Was die Jahrgangsstufen 7 bis 9 angeht, wurde vergangene
Woche erstmals die Möglichkeit eingeräumt, je nach den örtlichen
Verhältnissen flexibel zu agieren. Es kann teilweiser Distanzunterricht
eingeführt werden, wenn es schwierig oder unmöglich ist, die allgemeinen
Abstandsregeln einzuhalten.
Die Begründung von Bildungsministerin Anna Ekström: „Nicht alle Schulen
sind auf die Situation 100-prozentig vorbereitet.“ Angesichts regional
teilweise sehr hoher Inzidenzzahlen solle Gedränge in den Schulen wie im
öffentlichen Nahverkehr vermieden werden. Für Letzteren empfiehlt Schweden
erstmals seit 7. Januar eine Empfehlung zum Tragen von Mund- und
Nasen-Schutz – in der Rushhour.
Warum bleiben die Schulen offen? Man müsse eine „Balance zwischen den
Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen sowie deren Recht auf Ausbildung
und den Maßnahmen zur Infektionskontrolle finden“, lautet die Leitlinie von
Regierung und Gesundheitsbehörde. Für die oberen Klassen sei eine solche
Balance auch mithilfe von zeitweiligem Distanzunterricht möglich, bei
unteren Klassen wären die negativen Auswirkungen zu groß. Belastbare
Studien zum Infektionsgeschehen zeigten, dass Kinder dabei keine treibende
Kraft darstellten.
Auch beim Personal in Kitas und Schulen sei bislang kein höheres
Covid19-Ansteckungsrisiko als bei anderen Berufsgruppen konstatiert worden.
Mit dieser Einschätzung stützt Schweden sich ausdrücklich auf eine am 23.
Dezember veröffentlichte [5][Studie der Europäischen Gesundheitsbehörde
ECDC]. Auch Schulen mit Distanzunterricht müssen im Übrigen Schulessen
anbieten. Bei [6][Medienberichten über Raumluftfilter], mit denen
schwedische Klassenzimmer angeblich flächendeckend ausgestattet worden sein
sollen, handelt es um Falschmeldungen, die sich in deutschen Medien aber
hartnäckig halten. Lediglich in wenigen Einzelfällen, in denen vorhandene
Klimaanlagen als nicht ausreichend angesehen wurden, wurden solche Geräte
installiert. Reinhard Wolff
11 Jan 2021
## LINKS
[1] /Schuelersprecher-ueber-Praesenzunterricht/!5742719
[2] https://www.change.org/p/michael-m%C3%BCller-kein-pr%C3%A4senzunterricht-in…
[3] /Corona-Impfungen-in-Frankreich/!5738119
[4] /Palaestinenser-warten-auf-Immunisierung/!5742211
[5] /Schwedens-Versaeumnisse-in-Coronapandemie/!5739500
[6] /Kampf-gegen-Corona-in-Berlins-Schulen/!5734232
## AUTOREN
Anna Klöpper
Judith Poppe
Reinhard Wolff
Rudolf Balmer
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