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# taz.de -- ForscherInnen warnen vor Impfeuphorie: Optimismus macht unvorsichtig
> Menschen neigen angesichts guter Nachrichten zu Leichtsinn, zeigt eine
> Studie. Für die Corona-Impfungen lässt das nichts Gutes erwarten.
Bild: In diesem Impfpass fehlt noch die zweite Eintragung. Nur eine Dosis reich…
Stockholm taz | Die Erwartung, sich bald impfen lassen zu können, kann
Menschen gefährlich unvorsichtig machen. Das zeigt die schwedische
Forschungsstudie [1][„Anticipation of COVID-19 Vaccines reduces social
distancing“], die das Research Institute of Industrial Economics jetzt
veröffentlicht hat. So könne sich das Virus noch rascher ausbreiten,
fürchten die ForscherInnen.
„Positive Informationen über Effektivität und Zugänglichkeit eines
Impfstoffs mindern den Willen, die Empfehlungen zur Wahrung sozialer
Distanz und guter Hygieneroutinen einzuhalten“, fasst Ökonomieprofessor
Erik Wenström, Mitverfasser der Studie, zusammen: „Sie glauben dann, dass
sich das Leben schneller wieder normalisiert, was ihre Aufmerksamkeit und
ihre Bereitschaft, den Empfehlungen der Behörden zu folgen, zu verringern
scheint.“
Wirklich überraschend sei eine solche Reaktion nicht, betonen die
WissenschaftlerInnen. Menschen seien nun einmal gerne zuversichtlich,
wollten lieber mit positiven Visionen als sorgenvoll in die Zukunft
blicken. „Optimism bias“ nennen Sozialpsychologen diese Tendenz.
Die Crux sei, dass „solcher Impfoptimismus zu einem schlechteren
Gesundheitsverhalten führen kann“. Politik und Gesundheitsbehörden müssten
sich dessen bewusst sein, empfiehlt die Studie: [2][Wenn die Impfungen
begännen], seien keine Lockerungen bestehender infektionsbegrenzender
Maßnahmen angebracht, sondern womöglich sogar „strengere Regeln
erforderlich“.
## ForscherInnen wollten schnell informieren
Die Studie wurde zwischen dem 10. und 13. Dezember vorgenommen, als es in
mehreren Ländern erste Notfallzulassungen des Corona-Impfstoffs von
Biontech/Pfizer gab, eine EU-Zulassung für die Zeit nach Weihnachten
angekündigt wurde und in Großbritannien Impfungen starteten. In einer
bevölkerungsrepräsentativen Umfrage wurden den TeilnehmerInnen
unterschiedliche Szenarien zur bevorstehenden Impfentwicklung vorgelegt.
Danach wurden sie nach ihren dadurch veranlassten Verhaltensweisen befragt.
Dabei habe es so signifikante Unterschiede zwischen der Personengruppe, der
man das optimistischste Szenarium präsentiert hatte, und einer
Kontrollgruppe gegeben, dass man sich entschlossen habe, [3][die Studie
noch vor einem Peer-Review-Prüfverfahren und der Publikation in einer
Wissenschaftszeitschrift zu veröffentlichen], um Öffentlichkeit und Politik
aktuell über sie informieren zu können.
Das ist vermutlich keine schlechte Idee, wie Nachrichten aus Dänemark
zeigen. In „Feierlaune“ waren nach eigener Aussage Personal und
BewohnerInnen eines Altersheims in Aarhus, nachdem alle am 29. Dezember
geimpft worden waren. Womöglich war diese Partystimmung etwas zu ungestüm,
denn eineinhalb Wochen später wurden drei Personen aus dem Pflegepersonal
und sechs BewohnerInnen positiv getestet. Ein 35-jähriger Pfleger musste
sich sogar in Klinikbehandlung begeben.
## Nicht nach einem Pieks vorbei
Mit dem ersten Impf-Stich dürfe man das Corona-Problem keinesfalls für
erledigt halten, betont Jens Lundgren, Professor für Infektionskrankheiten
am Rigshospitalet in Kopenhagen: „In den ersten 14 Tagen nach der Impfung
muss man sich als nicht-geimpft ansehen.“
Lundgren warnt im Übrigen auch davor, dem britischen Beispiel zu folgen und
den Zeitraum zwischen der ersten und der zweiten Impfdosis auf 12 Wochen zu
verlängern, um angesichts begrenzt zur Verfügung stehender Impfdosen so
viele Personen wie möglich zumindest einmal impfen zu können. Er hält eine
solche Vorgehensweise, die auch in Deutschland diskutiert wird, „für
zutiefst riskabel“, weil man damit unter anderem das Risiko für das
Entstehen impfresistenter [4][Mutationen] erheblich erhöhe.
11 Jan 2021
## LINKS
[1] https://www.ifn.se/eng/publications/wp/2020/1378
[2] /Impfstart-im-Seniorenheim/!5738803
[3] /Vermeintliches-Wissen-in-der-Coronakrise/!5683243
[4] /Corona-in-Grossbritannien/!5742723
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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