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# taz.de -- Coronasterblichkeit in Deutschland: Dramatische Ausmaße in Sachsen
> Das Robert-Koch-Institut meldet neue Höchststände bei Infektionen und
> Toten. Die Übersterblichkeit wird sichtbarer – vor allem in Sachsen.
Bild: Ein Aufkleber „Infektionsgefahr“ klebt auf einem Sarg in einem Kremat…
Berlin taz | Die Zahl der Toten durch Corona hat am Freitag einen weiteren
Höchststand erreicht. Auch die Übersterblichkeit durch Corona wird mehr und
mehr sichtbar, vor allem in Sachsen hat sie dramatische Ausmaße angenommen.
Zudem gibt es Anzeichen, dass die Dunkelziffer der Infizierten wieder
gestiegen ist.
Das [1][Robert-Koch-Institut (RKI) gab am Freitag bekannt], dass binnen 24
Stunden weitere 1.188 Menschen gestorben seien, die positiv auf das Virus
getestet worden waren. Ein Teil der Meldungen dürfte erneut auf
Verzögerungen rund um die Feiertage zurückzuführen sein. Aber auch der
7-Tage-Schnitt liegt mit jetzt 739 so hoch wie noch nie.
Insgesamt sind damit 38.795 Menschen in Deutschland an den Folgen von
Corona gestorben. Spätestens am Sonntag wird das 40.000. Opfer registriert
werden. Auch daran lässt sich die Dramatik der Pandemie ablesen. Bis zu den
ersten 10.000 Toten dauerte es gut sieben Monate. Die zweiten 10.000
starben binnen sieben Wochen, die dritten innerhalb von 18 Tagen, die
vierten 10.000 werden nun in nur noch 13 Tagen registriert.
Die hohen Sterbezahlen kommen nicht überraschend. Sie sind die Folge der
exponentiellen Zunahme der Neuinfektionen im Dezember. Bereits vor
Weihnachten hatten Statistiker*innen der [2][Covid-19 Data Analysis Group
(Codag)] der Ludwig-Maximilians-[3][Universität München] errechnet, dass
von den in der zweiten Dezemberwoche Neuinfizierten im Schnitt 900 Menschen
pro Tag sterben werden. Das spiegelt sich in den aktuellen Sterbezahlen nun
wider.
In der zweiten Dezemberwoche gab es im Schnitt rund 24.000 Neuinfizierte
pro Tag. In der ersten Januarwoche waren es – offenbar als Folge des
härteren Lockdowns seit Mitte Dezember – nur gut 17.000 pro Tag. Das lässt
die Hoffnung zu, dass auch die Sterbezahlen in zwei bis drei Wochen um ein
Viertel niedriger liegen könnten. Allerdings steigt die Zahl der
registrierten Neuinfektionen aktuell wieder an. Am Freitag meldete das
Robert-Koch-Institut 31.849 Fälle, auch das ein neuer Höchstwert.
Wegen der Meldeverzögerungen und der deutlich geringeren Testzahl rund um
Weihnachten und Neujahr sind diese Zahlen aber weiterhin nur mit äußerster
Vorsicht zu interpretieren.
## Dramatische Übersterblichkeit in Sachsen
Umso sicherer sind die Ergebnisse, die das Statistische Bundesamt am
Freitag veröffentlicht hat. In seiner aktuellen [4][“Sonderauswertung zu
Sterbefallzahlen des Jahres 2020“] analysieren die Statistiker alle bisher
vorliegenden Zahlen aus der Zeit bis zum 13. Dezember. Demnach gab es
deutschlandweit in der zweiten Dezemberwoche eine Übersterblichkeit von 25
Prozent. Das heißt, dass ein Viertel mehr Menschen gestorben sind, als zum
gleichen Zeitpunkt in den Vorjahren.
Besonders dramatisch ist die Lage in Sachsen. Dort gab es sogar 88 Prozent
mehr Tote als erwartbar gewesen wäre. Sachsens Sozialministerin Petra
Köpping (SPD) forderte daher bereits, die Verteilung der Impfstoffe an die
aktuellen Infektionsraten und die Altersstruktur der Länder zu koppeln. In
Sachsen liegt die Inzidenz derzeit bei bei knapp 300 Neuinfizierten pro
100.000 Einwohnern innerhalb von 7 Tagen. Sie ist damit mehr als doppelt so
hoch wie im Bundesschnitt. Zudem ist die Bevölkerung Sachsens älter als in
anderen Teilen der Bundesrepublik.
## Übersterblichkeit nur bei den Ältesten
Wie entscheidend die Altersstruktur für die Zahl der Todesfälle ist, zeigt
auch eine neue Analyse der Codag-Wissenschaftler*innen aus München. In
ihrem [5][Newsletter von Donnerstag] kommen die Statistiker*innen zu dem
Ergebnis, dass die Übersterblichkeit in Deutschland ausschließlich bei
Älteren zu beobachten ist, in geringem Maße bei den 60- bis 79-Jährigen,
besonders dramatisch aber bei den Über-80-Jährigen.
Die sind keineswegs eine kleine Randgruppe, im Gegenteil. Durch die
Veränderung in der Alterspyramide ist ihr Anteil laut Codag allein in den
letzten 4 Jahren von 5,9 auf 7 Prozent gestiegen. Auch sind das keineswegs
Menschen, die „eh bald sterben“, wie häufig zu hören ist. Ein 80-jähriger
Mann in Deutschland hat immer noch [6][eine durchschnittliche
Lebenswartung] von 8 Jahren, eine gleichaltrige Frau sogar von fast 10.
Sterben diese Menschen vorzeitig an Corona, verlieren sie mithin gut ein
Zehntel ihrer Lebenszeit.
## Wachsende Dunkelziffer
Die Forscher*innen aus München machen noch auf ein anderes Phänomen
aufmerksam. In Sachsen liegt die Übersterblichkeit aktuell so hoch, dass
sie sich allein aus den vorliegenden Coronazahlen nicht erklären lässt.
„Etwa die Hälfte der zur Zeit beobachteten Übersterblichkeit in Sachsen
kann nicht direkt mit einer registrierten COVID-19 Erkrankung in Verbindung
gebracht werden“, schreiben die Forscher*innen. Es sei zu prüfen, ob dieses
überraschende Ergebnis „durch fehlende Post-mortem Tests, falsch
ausgestellte Todesursachen, reine Datenfehler oder anderweitig begründet
werden kann.“
Eine mögliche Erklärung ist auch die wieder wachsende Dunkelziffer bei den
Neuinfektionen. Die Münchner Codag hat errechnet, dass seit Oktober, also
mit dem Beginn der zweiten Welle, insbesondere bei den 60- bis 79-Jährigen
„eine deutlich sinkende Nachweisrate“ zu erkennen sei.
Ähnliches hat der Physiker Matthias Linden beobachtet, der am
Max-Planck-Institut in der Gruppe [7][um Viola Priesemann] die Corona-lage
analysiert. Es gebe Hinweise auf eine sich entwickelnde Dunkelziffer bei
den 60- bis 79-Jährigen, schrieb Linden [8][auf Twitter.] [9][In einem
längeren Thread] legte er dar, dass in dieser Altersgruppe deutlich mehr
Todesfälle anfallen, als sich aus der Zahl der Infektionen prognostizieren
lässt.
Mithin muss man annehmen, dass das Ausmaß der Coronapandemie in Deutschland
sogar noch etwas größer ist, als aktuell bekannt. Darauf deuten auch die
oben erwähnten Zahlen des statistischen Bundesamtes hin. Danach wuchs die
Übersterblichkeit seit Anfang November Woche für Woche ziemlich exakt im
Maße der offiziell gemeldeten Coronatoten. In der zweiten Dezemberwoche
aber gibt es fast 700 Todesfälle, die sich durch die offiziell
registrierten Todesfälle nicht erklären lassen.
Linden beendete seinen Thread [10][mit den Worten]: „Wird Zeit, dass wir
die Kurve kriegen.“
8 Jan 2021
## LINKS
[1] https://experience.arcgis.com/experience/478220a4c454480e823b17327b2bf1d4/p…
[2] https://www.covid19.statistik.uni-muenchen.de/newsletter/index.html
[3] https://www.covid19.statistik.uni-muenchen.de/pdfs/codag_bericht_5.pdf
[4] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefa…
[5] https://www.covid19.statistik.uni-muenchen.de/pdfs/codag_bericht_6.pdf
[6] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1783/umfrage/durchschnittlic…
[7] /Forscherin-ueber-steigende-Coronazahlen/!5721211
[8] https://twitter.com/matthiaslinden/status/1346604452904636417?s=20
[9] https://twitter.com/matthiaslinden/status/1346573353881104387
[10] https://twitter.com/matthiaslinden/status/1346573353881104387?s=20
## AUTOREN
Gereon Asmuth
## TAGS
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Sandra Scheeres
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