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# taz.de -- Schon wieder Neuwahlen in Israel: Mehrheiten sind völlig unklar
> Die Haushaltsverhandlungen scheitern und die Knesset löst sich auf. Am
> 23. März wählt Israel zum vierten Mal in zwei Jahren ein neues Parlament.
Bild: Masken zeigen Ministerpräsident Netanjahu und den alternierenden Ministe…
Tel Aviv taz | Als in Israel die Uhr zu Mitternacht schlug, war es
offiziell: Die Frist, um den Haushalt für 2020 zu verabschieden, lief aus,
die Knesset löst sich in Folge automatisch auf, und Israel wird am 23. März
2021 [1][ein viertes Mal] innerhalb von zwei Jahren wählen gehen.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Likud, und alternierender
Ministerpräsident Benny Gantz von Blau-Weiß gaben sich gegenseitig die
Schuld an den Neuwahlen.
In einer Fernsehansprache am Dienstagabend, noch einige Stunden vor Ablauf
der Frist, sagte Netanjahu, er wolle die Wahlen nicht, aber seine Partei
werde „einen großen Sieg einfahren“.
Blau-Weiß reagierte mit den Worten: „Wenn es kein [2][Gerichtsverfahren]
gäbe, gäbe es einen Staatshaushalt und keine Wahlen.“ Die Partei verweist
damit darauf, dass in ihren Augen Staatschef Netanjahu zahlreiche Manöver
unternimmt, um einem Gerichtsverfahren zu entkommen, zuletzt hatte es
deswegen in der Regierungskoalition Streit um den Staatshaushalt gegeben.
## Extrem schwierige Koalitionsarithmetik
Während ein erdrutschartiger Verlust von Stimmen für Blau-Weiß als sicher
gilt, ist ein Sieg Netanjahus allerdings alles andere als ausgemacht. Die
neue Anti-Netanjahu-Front von rechts, angeführt von [3][Gideon Sa'ars
neugegründeter Partei „Neue Hoffnung“,] dürfte Netanjahu Kopfschmerzen
bereiten. Immer mehr Likud-Abgeordnete wechseln die Seiten zu Sa'ar.
Die prognostizierte Sitzverteilung ergibt derzeit drei mögliche Szenarien.
Eine Koalition aus Netanjahu-Gegnern von rechts, bestehend aus den Parteien
„Neue Hoffnung“, Naftali Bennetts Siedlerpartei „Yamina“, Liebermans
„Israel Unser Haus“, sowie den Mitte-Parteien „Yesh Atid“ und „Blau-W…
würde nach derzeitigen Umfrageergebnissen eine Mehrheit von 61 Sitzen nur
um einen Sitz verfehlen. Denkbar wäre eine Unterstützung der Koalition von
außen durch Meretz oder die mehrheitlich aus arabischen Parteien bestehende
Vereinigte Liste.
Netanjahu, der mittlerweile zahlreiche potenzielle Koalitionäre verprellt
hat, bleiben nur noch die ultraorthodoxen Parteien als natürliche Partner.
Sollte er Bennett, den er aus der letzten Regierung ausgeschlossen hat,
wiedergewinnen können, fehlen ihm laut jetzigem Umfragestand noch immer
drei Sitze für die Mehrheit. Er bräuchte Sa'ar – doch der hat erst in der
vergangenen Woche versprochen, auf keinen Fall ein Bündnis mit Netanjahu
einzugehen.
Und so scheint es nicht ausgeschlossen, dass die Koalitionsverhandlungen
erneut in einer Sackgasse enden – und die Israelis ein fünftes Mal zu den
Urnen gebeten werden.
Abhängen wird dies wohl auch von Dingen, die die israelischen
Politiker*innen nur bedingt beeinflussen können. Der noch amtierende
US-Präsident Donald Trump, der dem israelischen Regierungschef in der
Vergangenheit zahlreiche Wahlkampfgeschenke gemacht und zuletzt mit den
[4][Normalisierungsverträgen] mit einigen arabischen Ländern für ein
Aufleben von Netanjahus Popularität gesorgt hat, wird das Weiße Haus im
Januar verlassen. Ob sein Nachfolger Joe Biden sich in den israelischen
Wahlkampf einmischen wird, wie Trump es getan hat, ist fraglich.
Auch der weitere Verlauf der Coronakrise wird wohl gerade Netanjahus Rang
auf der Beliebtheitskala entscheidend beeinflussen. In Netanjahus Hände
könnten die Corona-Impfungen spielen. Nicht zuletzt Netanjahus Versagen in
der Coronakrise hatte zu einem starken Vertrauensverlust in der
Öffentlichkeit geführt.
23 Dec 2020
## LINKS
[1] /Regierungskrise-in-Israel/!5740282
[2] /Historischer-Prozessauftakt-in-Israel/!5687615
[3] /Israel-vor-moeglicher-Neuwahl/!5730524
[4] /Israel-und-die-arabische-Welt/!5737538
## AUTOREN
Judith Poppe
## TAGS
Israel
Benjamin Netanjahu
Benny Gantz
Likud
Knesset
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Coronavirus
Israel
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