# taz.de -- Regierungskrise in Israel: Erneute Neuwahl rückt näher | |
> Ein Streit um den Staatshaushalt wird wohl zur vierten Wahl in Israel | |
> innerhalb von zwei Jahren führen. Die Ära Netanjahu könnte damit zu Ende | |
> gehen. | |
Bild: Demonstrierende mit aufblasbaren Benjamin Netanjahu- und Benny Gantz-Mask… | |
TEL AVIV taz | Israel steht vor der [1][vierten Wahl innerhalb von nur zwei | |
Jahren]. Das israelische Parlament hat am Montag einen Gesetzentwurf | |
abgelehnt, der die Frist für die Verabschiedung des Staatshaushalts 2020 um | |
eine weitere Woche verschoben hätte und so Neuwahlen möglicherweise noch | |
einmal hätte verhindern können. | |
Nur eine Annäherung der Koalitionspartner Benjamin Netanjahu und Benny | |
Gantz könnte eine erneute Neuwahl noch einmal abwenden, doch es gibt wohl | |
keinen Israeli, der an eine Einigung der beiden glaubt. Aller Voraussicht | |
nach wird also in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch die Frist zur | |
Verabschiedung des Haushalts auslaufen und es kommt automatisch zu | |
Neuwahlen – vermutlich am 23. März 2021. | |
Der Streit um den Haushalt ist seit Monaten der Kernkonflikt der | |
Koalitionspartner Blau-Weiß und Likud. Dabei ging es allerdings nicht um | |
Sachfragen. Vielmehr stellte der Haushalt für Netanjahu ein Schlupfloch | |
dar, Neuwahlen provozieren zu können, ohne seinen Posten als | |
Ministerpräsident an Gantz abgeben zu müssen. Denn in der | |
Regierungsvereinbarung war festgehalten worden, dass Gantz im Fall von | |
Neuwahlen Interimsministerpräsident wird. Dies gilt allerdings nicht, wenn | |
noch kein Haushalt verabschiedet ist. | |
Der letzte Haushalt, der verabschiedet wurde, wurde im Jahr 2017 für 2018 | |
erstellt. Danach konnte das Budget wegen der wiederholten Wahlen nicht | |
erneuert werden. Aufgrund der Streitigkeiten um den Haushalt 2020 und 2021 | |
und im Fall von Neuwahlen wird ein neuer Staatshaushalt wohl erst im Sommer | |
2021 oder später verabschiedet werden. | |
## Likud-Abspaltung mischt Karten neu | |
Für Netanjahu, der sich bis vor Kurzem noch Neuwahlen wünschte, um eine | |
sicher geglaubte eigene Regierung ohne Beteiligung von Blau-Weiß stellen zu | |
können, hat sich mittlerweile der Wind gedreht. Denn sein größter Rivale | |
kommt nicht mehr aus der politischen Mitte oder von links, sondern aus den | |
eigenen Reihen: Der ehemalige Likud-Abgeordnete Gideon Sa'ar gräbt | |
Netanjahus Likud mit seiner [2][neu gegründeten Partei Tikva Chadascha] | |
(Neue Hoffnung) zahlreiche Stimmen ab. | |
Umfragen sagen der neugegründeten Partei 19 Sitze voraus, die, schenkt man | |
Sa'ars Worten Glauben, garantiert nicht Teil einer gemeinsamen Koalition | |
mit der Likud sein werden. Diese würde laut der Umfrageergebnisse 8 Sitze | |
verlieren und zöge mit 28 Sitzen ins Parlament ein. | |
Sa'ars neue Partei könnte das Ende bedeuten für den hartnäckigen | |
Ministerpräsidenten, der derzeit in drei Korruptionsfällen vor Gericht | |
steht und gegen den seit nunmehr einem halben Jahr jede Woche Tausende | |
Israelis protestierten. Sie werfen ihm [3][Versagen in der Coronakrise], | |
eine Aushöhlung der Demokratie und Korruption vor. | |
Doch ein mögliches Ende der Netanjahu-Ära wird wohl kein Ende der | |
rechtsgerichteten Politik in Israel bedeuten. Im Gegenteil ist ein weiterer | |
Rechtsruck zu erwarten, zumal die vormalige Alternative links von | |
Netanjahu, [4][das blau-weiße Bündnis, in der Bedeutungslosigkeit | |
verschwunden] ist. Gantz' Partei hat in den Umfragen an Unterstützung | |
verloren, seit sie im Mai eine Einheitsregierung mit dem Likud eingegangen | |
ist. | |
Gantz hatte zuvor versprochen, einer von Netanjahu geführten Koalition | |
wegen der Korruptionsvorwürfe gegen ihn nicht beizutreten. Blau-Weiß, die | |
derzeit 33 Abgeordnete in der Knesset hat, dürfte gerade noch den Sprung | |
über die 3,25-Prozent-Hürde schaffen. | |
22 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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