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# taz.de -- Bidens Einfluss auf den Nahostkonflikt: Kleiner Trost
> Joe Biden wird die Not der PalästinenserInnen lindern und eingefrorene
> Zahlungen aktivieren. An der Lage der Menschen wird das nur wenig ändern.
Bild: Joe Biden und Benjamin Netanjahu bei einem Treffen im März 2016 in Jerus…
Von zwei entgegengesetzten Startpositionen aus richten sich Deutschland und
Israel auf eine neue Normalität der Beziehungen zu den USA ein. Während man
in Berlin mit dem frisch vereidigten US-Präsidenten Joe Biden auf eine
deutliche Verbesserung des bilateralen Klimas hofft, rechnet die Regierung
in Jerusalem mit einer Abkühlung im Weißen Haus. Nie zuvor standen sich die
beiden Führungen näher als in den vergangenen vier Jahren. Schnell wird
noch der Bau von ein paar Hundert neuen Wohneinheiten im besetzen Palästina
ins Rollen gebracht, bevor der neue Chef in Übersee Zeit hat,
möglicherweise Protest gegen Israels Siedlungspolitik verlauten zu lassen.
Ex-US-Präsident Donald Trump war die Erfüllung von Benjamin Netanjahus
maßlosesten Träumen. Dasselbe Feindbild, dieselben Methoden bilden das
Fundament dieser wunderbaren Freundschaft. Trump perfektionierte den von
Israels Präsident Netanjahu lange vor ihm praktizierten Populismus, die
Verteufelung von KritikerInnen und rechtsstaatlichen Institutionen, das
Aufwiegeln der einen gegen die anderen im eigenen Land.
Zu Trumps Zeiten musste Netanjahu keine Zurechtweisungen fürchten. Er
konnte unbefangen tun, was er wollte, und wurde dafür noch belohnt, etwa
mit der Anerkennung der Golanhöhen als israelischem Hoheitsgebiet. Und mit
dem Jahrhundert-Friedensplan „made in USA“, der Israel weite Teile des
besetzten Westjordanlandes zuspricht. Beides dürfte Netanjahu wichtige
Punkte bei den beiden letzten Parlamentswahlen 2019 und 2020 verschafft
haben.
In wenigen Wochen steht [1][die vierte Wahl binnen zweier Jahre an].
Netanjahu braucht diesmal nicht mit US-amerikanischer Rückendeckung zu
rechnen. Zudem hat das hohe Ansehen Trumps im jüdischen Staat mit der
Stürmung des Kapitols einige Kratzer davongetragen. Netanjahu, der sich bei
früheren Kampagnen auf Wahlplakaten gern Seite an Seite mit dem
Ex-US-Präsidenten präsentierte, tut gut daran, den Namen Trump in den
kommenden Wochen nicht mehr allzu oft zu erwähnen. Innenpolitisch macht
sich das nicht mehr gut, und auch mit Blick auf die künftige Zusammenarbeit
mit dem neuen Chef im Weißen Haus ist Schweigen ratsam.
## Israel warnt vor Lockerung der Iran-Sanktionen
Vor allem in der Frage möglicher neuer Verhandlungen mit Teheran wird
Netanjahu versuchen, seinen Einfluss auf Biden stark zu machen. Israel
warnt vor einer Rückkehr zum Atomvertrag mit Iran und der Lockerung von
Sanktionen. Doch Biden will sich zügig mit den Partnern des 2015
unterzeichneten Abkommens beraten. Die IranerInnen zeigen sich ihrerseits
nur allzu bereit zu neuen Gesprächen. Für Netanjahu sind das keine guten
Nachrichten, hatte Israel mit der Annäherung an die Vereinigten Arabischen
Emiraten, Bahrain und Sudan doch gerade einen Etappensieg beim Aufbau einer
regionalen Front gegen den Erzfeind verbuchen können.
Die PalästinenserInnen zürnten über die Abkommen ihrer Glaubensbrüder in
Abu Dhabi und Manama mit der Besatzungsmacht. Sie fühlten sich verraten und
verständlicherweise noch weiter ins Abseits des internationalen Geschehens
gedrängt. Von viel größerer Relevanz für sie ist indes der Machtwechsel in
den USA und die absehbare Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen.
Biden wird das PLO-Büro in Washington öffnen und das Konsulat der USA in
Ost-Jerusalem. Er wird die Hilfszahlungen an die PalästinenserInnen, allen
voran an die Flüchtlingsorganisation UNRWA, wieder aufnehmen und auf die
Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen zwischen Israel und der PLO
drängen. Trumps Jahrhundertplan dürfte im Keller des Nationalarchivs
verschwinden.
Das ist ein Trost für Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der den
Trump’schen Plan für das künftige Palästina mit einem löchrigen Schweizer
Käse verglich. Viel mehr ist aus Washington dann aber auch nicht zu
erwarten. Abbas beeilte sich zwar, dem neuen Chef im Weißen Haus
Verhandlungsbereitschaft zu signalisieren. Doch ob sich Biden für neue
Friedensverhandlungen einsetzen wird, bleibt fraglich. Zu viele seiner
Vorgänger haben sich am nahöstlichen Konflikt die Finger verbrannt.
## Obama zog sich aus der Region zurück
Selbst der gutmeinende Barack Obama zog sich eiligst aus der Region zurück.
Seine berechtigte anfängliche Forderung an Israel, sämtliche
Siedlungsaktivitäten in den besetzten Gebieten einzustellen, erwies sich
sogar als kontraproduktiv. Die PalästinenserInnen machten den
Siedlungsstopp zur Vorbedingung für Verhandlungen mit dem Ergebnis, dass
keine mehr stattfanden. Joe Biden wird vorsichtiger sein, den Bau neuer
Siedlungen allenfalls kritisieren und Israel vor einer Annexion
palästinensischer Gebiete warnen. Die Agenda des neuen US-Präsidenten ist
auch ohne den Nahostkonflikt ellenlang.
Überhaupt sind die PalästinenserInnen selbst an der Reihe, Ordnung im
eigenen Haus zu schaffen anstatt nur dazusitzen und internationale
Spendengelder zu kassieren. Im Moment wäre noch nicht einmal klar, wer
Friedensverhandlungen führen sollte. Saeb Erekat, der langjährige
Chefunterhändler und PLO-Generalsekretär, erlag im November den Folgen
seiner Covid-19-Erkrankung.
[2][Abbas kündigte Parlaments- und Präsidentschaftswahlen an]. Beide sind
seit über zehn Jahren überfällig. In Sachen Demokratie haben die
PalästinenserInnen wenig Übung, und sie haben äußerst schlechte Erfahrungen
damit gemacht. Die letzten Wahlen führten letztendlich zur Teilung und noch
mehr Leid.
Trotzdem dürfen sie nicht tatenlos bleiben, sollte Abbas Ausreden finden,
warum die Wahlen doch wieder nicht stattfinden. Es ist Zeit, die Nachfolge
für den 85-jährigen Präsidenten zu klären. Und die PalästinenserInnen
sollten den Fehler aus dem Jahr 2006 nicht wiederholen. Sollten sie wieder
mehrheitlich für die [3][islamistische] Hamas stimmen, ist ihnen nicht zu
helfen.
22 Jan 2021
## LINKS
[1] /Schon-wieder-Neuwahlen-in-Israel/!5740387
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## AUTOREN
Susanne Knaul
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