| # taz.de -- Alkoholverbot auf Berlins Straßen: „Späti ist Luxus“ | |
| > Seit vergangenem Mittwoch gilt das Alkoholverbot in der Öffentlichkeit. | |
| > Wie Späti-Fans damit umgehen und wie der Alkohol in den Becher kommt. | |
| Bild: Ein Späti in Berlin: „Katastrophe!“ | |
| „Es ist 'ne Katastrophe“, sagt der Besitzer des „Gin & Coffee“ im | |
| Helmholtzkiez zerknirscht. Er kann dem [1][Alkoholverbot] nicht viel | |
| abgewinnen. Es ist Samstagabend, wenige Tage nach Beginn des harten | |
| Lockdowns. Der Verkauf von alkoholischen Getränken ist von 22 bis 6 Uhr | |
| nicht mehr erlaubt, das Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit verboten. | |
| Das Verbot wirke sich besonders auf den Umsatz der Spätis aus und gehe | |
| ihnen an die Existenz. | |
| Sie lebten hauptsächlich vom Alkoholverkauf, erklärt der 32-Jährige mit | |
| lauter Stimme. Kommen die Leute denn nicht trotzdem, um sich etwas für zu | |
| Hause zu kaufen? Er kassiert eine Kundin ab und erklärt resigniert: „Späti | |
| ist Luxus. Du kriegst das Beck’s im Supermarkt für 59 Cent.“ Anders als im | |
| Supermarkt erfahren Kund*innen hier aber Service und guten Smalltalk. | |
| Stammkund*innen zahlten für den Service gerne. „Wenn du aber [2][seit | |
| sieben Monaten auf Kurzarbeit] bist mit drei Kindern, dann überlegst du | |
| dir, ob du diesen Euro wirklich investierst.“ Ein Kunde in einem grauem, | |
| eng geschnitten Mantel betritt den Laden und fragt nach einem Sixpack Bier | |
| einer bestimmten Marke – gibt es nicht. Im Kühlregal steht nur noch Corona. | |
| Es ist kurz vor sieben. Bis 22 Uhr darf er noch welches kaufen. | |
| Trinkt er das denn draußen? „Nö, grad nicht. Irgendwann akzeptiert man | |
| einfach, wie es ist“, erwidert der Kunde zögernd und holt sechs Flaschen | |
| aus dem Kühlschrank. Vor dem Laden wirbt ein Schild mit Glühwein für 2,50 | |
| Euro. Glühwein wird noch verkauft? Der Späti-Besitzer zwinkert. „Das steht | |
| da einfach, damit die Leute reinkommen.“ Cleveres Marketing. | |
| Ein Pärchen sitzt eng umschlungen vor einem geschlossenen indischen | |
| Restaurant auf einer Bank und trinkt Gin Tonic aus der Dose. Liebe wärmt, | |
| Alkohol aber bekanntlich auch. Am Helmholtzplatz spielen einige | |
| Tischtennis, Hunde rennen um die Platten herum, unter einer steht leuchtend | |
| im Laternenlicht eine halbvolle Weinflasche. In der sonst so belebten | |
| Danziger Straße weht nur der Berliner Wind. Neben einem Plattenladen nippt | |
| eine dreiköpfige Truppe an ihren Kaffeebechern. Beim Vorbeigehen riecht es | |
| etwas verdächtig. Offensichtlich halten sich nicht alle daran – in Berlin | |
| keine Überraschung. Ohnehin hält Daniel Krüger (AfD), Bezirksstadtrat für | |
| öffentliche Ordnung, das Verbot für eine „unpraktikable Verordnung, die man | |
| nicht kontrollieren kann“. | |
| Im nächsten Späti ist man nicht so besorgt, der Mitarbeiter Selim lacht | |
| trotzdem. Viele Kund*innen wollten nach 23 Uhr unbedingt noch Getränke | |
| kaufen, berichtet er. Generell glaube er nicht, dass die Leute weniger | |
| trinken. Die meisten Kund*innen nehmen sich jetzt etwas für zu Hause mit. | |
| Er weiß aber, dass einige trotzdem in der Öffentlichkeit trinken – nur eben | |
| versteckt: „Manche fragen nach Kaffeebechern und schütten das hinein. | |
| Deckel drauf und dann merkt’s keiner.“ Ganz nach amerikanischem Vorbild. | |
| Immerhin in Bechern, nicht in Tüten. „Dass sich so viele daran halten, wird | |
| aber hauptsächlich am Wetter liegen“, meint Selim. „Wäre es Sommer, würde | |
| einfach jeder draußen trinken.“ Stammkunden hielten den Laden über Wasser. | |
| „Mit [3][Laufkundschaft] ist hier eh nicht mehr viel.“ | |
| 21 Dec 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Atessa Bucalovic | |
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