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# taz.de -- Selbstabschaltende Diesel-Software: Volkswagen droht neuer Rückruf
> Der Europäische Gerichtshof stellt sich gegen Volkswagen. Damit werden
> Abschaltanlagen für Diesel-Abgase künftig wohl noch strenger gehandhabt.
Bild: Der EuGH hat in einem Strafverfahren gegen Volkswagen entschieden – es …
In einem Strafverfahren gegen Volkswagen hat der Europäische Gerichtshof
(EuGH) am Donnerstag gegen den Automobilhersteller entschieden. Demnach
darf in einem Motor die Abgasreduzierung nur abgeschaltet werden, um dort
Schäden zu vermeiden. Die damit formulierten hohen Anforderungen an solche
Abschaltmechanismen könnten nun zu neuen Rückrufaktionen bei Millionen von
Dieselfahrzeugen führen.
In Frankreich läuft [1][seit dem Bekanntwerden der Schummelsoftware von VW
im Herbst 2015] ein Strafverfahren wegen „schwerer Täuschung“ der
Verbraucher. Laut französischem Verbraucherschutz-Gesetzbuch droht VW eine
Geldstrafe von bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes. Die Schummelsoftware
hatte dafür gesorgt, dass die Abgasreduzierung nur arbeitet, wenn das
Fahrzeug auf einem Prüfstand steht. Deshalb konnten die gesetzlichen
Grenzwerte im Normalbetrieb nicht eingehalten werden. Betroffen waren rund
950.000 Fahrzeuge des VW-Konzerns.
VW berief sich seinerzeit auf eine Ausnahmeregelung in der EU-Verordnung.
Demnach ist die Abschaltung von Maßnahmen der Abgasreduzierung
grundsätzlich verboten. Ausnahmsweise sind solche Abschalteinrichtungen nur
erlaubt, „um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen“. VW
argumentierte, auch der Schutz des Motors vor Verschmutzung und die
Verzögerung von Verschleiß fielen darunter. Ein Pariser Gericht hatte diese
Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.
## Was passiert mit bestehenden Abschalteinrichtungen?
[2][Der EuGH hat die Argumentation von VW nun klar abgelehnt.] Der Schutz
vor Verschmutzung und Verschleiß des Motors kann eine Abschaltung der
Abgasreduktion im Normalbetrieb nicht rechtfertigen. Sonst wäre das Verbot
von Abschaltvorrichtungen in „seiner Substanz entleert“, so die Richter.
Die Abgasreduktion darf deshalb nur abgeschaltet werden, um „den Motor vor
plötzlichen und außergewöhnlichen Schäden zu schützen“, die unmittelbar …
einer „konkreten Gefahr während des Betriebs des Fahrzeugs führen“.
In Deutschland ist nach dem Urteil eine Diskussion darüber entbrannt, ob
mit diesen strengen Anforderungen nicht nur die VW-Schummelsoftware für
illegal erklärt wurde, sondern auch sogenannte Thermofenster, die viele
Dieselhersteller verwenden. Sie führen dazu, dass die Abgasreduktion nur
bei mittleren Temperaturen funktioniert, bei Kälte aber abgeschaltet wird.
Das Kraftfahrbundesamt hatte 2015 ein Software-Update angeordnet, das
Thermofenster bestehen ließ.
VW hat seine Argumentation bereits den neuen Anforderungen angepasst und
behauptet nun, die Thermofenster schützten die Motoren vor plötzlichen und
unerwartet auftretenden Schäden. Ob dies stimmt, müssen neue
Sachverständigengutachten klären. Möglicherweise kommen auf VW aber neue
teure Rückruf- und Nachbesserungspflichten zu.
Anwälte sehen zudem eine neue Klagewelle von Dieselkäufern auf die
Hersteller zurollen. Sie suchen neue Betätigungsfelder, auch weil der
Bundesgerichtshof an diesem Donnerstag entschied, dass Klagen wegen der
VW-Schummelsoftware spätestens Ende 2018 erhoben werden mussten und spätere
Klagen verjährt sind (Az.: VI ZR 739/20).
Schadenersatzklagen wegen des Thermofensters werden aber nur erfolgreich
sein, wenn es gelingt, VW und anderen Herstellern „sittenwidrige“ Absichten
nachzuweisen. Das war bei der Schummelsoftware, die nur auf dem Prüfstand
funktionierte, leichter als beim Thermofenster, das die Abgasreduktion bei
kalten Temperaturen abschaltet.
17 Dec 2020
## LINKS
[1] /5-Jahre-Dieselskandal/!5711270
[2] https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2020-12/cp200170de…
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Dieselskandal
Volkswagen
EuGH
Abgase
Luftverschmutzung
Automobilbranche
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