# taz.de -- Supertanker havariert: Tickende Zeitbombe vor dem Jemen | |
> Ein verlassener Supertanker droht im Roten Meer vor dem Jemen | |
> auseinanderzubrechen. Eine Ölpest würde nicht nur die Küste des Landes | |
> verseuchen. | |
Bild: Der havarierte Öltanker vor der jemenitischen Küste | |
BERLIN taz | Nach und nach läuft das Wasser aus dem Roten Meer in den | |
Maschinenraum eines mit 1,2 Millionen Barrel Rohöl (1 Barrel = 159 Liter) | |
beladenen verlassenen Tankers namens „FSO Safer“ vor der [1][jemenitischen | |
Hafenstadt al-Hudaidah]. Die Lecks in dem Frachter werden immer größer, die | |
Pumpen des Schiffs funktionieren kaum noch. Mit jedem Tag steigt die Gefahr | |
einer ökologischen sowie humanitären Katastrophe vor der Küste des Jemen. | |
Seit Beginn des [2][Bürgerkriegs im Jemen] vor sechs Jahren kontrollieren | |
Huthi die Region rund um die Hafenstadt Hudaidah. Die UN verkündete im | |
Juli, dass es schon seit Mai dieses Jahres Lecks in dem Supertanker gibt, | |
der seit Jahren als schwimmendes Lager genutzt wird. Das Schiff hat viermal | |
so viel Brennstoff wie die „Exxon Valdez“ bei sich, die im Jahr 1989 vor | |
der Küste von Alaska zerbrach. Damals gerieten rund 40.000 Tonnen Rohöl ins | |
Meer. | |
ExpertInnen warnen nun, das Öl könne jeder Zeit ins Rote Meer auslaufen, | |
gar das ganze Schiff explodieren lassen. „Die Huthi benutzen das Schiff als | |
Druckmittel bei den Verhandlungen mit der legitimierten Regierung im Jemen. | |
Sie sagten der UN eine Wartung des Tankers bereits mehrmals zu und ziehen | |
das dann immer wieder zurück“, erklärt die jemenitische Aktivistin Hadil | |
al-Moufarak die politische Situation rund um den Tanker. | |
Sie und einige weitere junge Jemenit*innen setzen sich seit Monaten für | |
eine Lösung für die „FSO Safer“ ein. Die jemenitische Regierung habe sich | |
bisher lediglich ein einziges Mal dazu geäußert, meint Al-Moufarak. Dabei | |
beziehe sie sich auf Gerüchte, dass Huthi das Öl bestimmt bereits verkauft | |
hätten. Dafür gibt es jedoch keine Beweise. Für Lecks und gigantische | |
Mengen an ausgeflossenem Rohöl jedoch schon. | |
Laut dem Greenpeace-Experten Christian Bussau droht eine ökologische | |
Katastrophe, wenn der Tanker explodiert oder auseinanderbricht. Das Rote | |
Meer würde großflächig verseucht. Neben der des Jemen würden auch die | |
Küsten Saudi-Arabiens, Eritreas, Dschibutis und Somalias verpestet. Die | |
Region wurde erst im Sommer von einer Ölpest heimgesucht, als vor der Insel | |
Mauritius mehr als 1.000 Tonnen Öl ins Meer liefen. Die Dimensionen sind | |
diesmal jedoch viel bedrohlicher. Das Auslaufen des gesamten Öls halten | |
Experten jedoch für unwahrscheinlich. | |
Dass „lediglich“ einige zehntausend Tonnen auslaufen, gilt jedoch als | |
möglich – ebenfalls die gravierenden Folgen. Bereits zehntausend Tonnen | |
würden Unmengen an Korallenriffe zerstören. „Unzählige Kleinstlebewesen, | |
Fische ebenso wie Haie, Meeresschildkröten, Delfine und Seevögel würden | |
sterben“, erklärt Christian Bussau. „Die Reinigung wäre schwierig oder | |
unmöglich. Die Kosten würden in die Millionen gehen. Langfristige Schäden | |
können nicht ausgeschlossen werden.“ | |
Noch hält Bussau allerdings eine andere Möglichkeit am wahrscheinlichsten: | |
„Dass durch kleinere Lecks geringe Mengen Öl austreten.“ Ölsperren könnt… | |
zwar verhindern, dass Öl austritt. Gleichzeitig müsste allerdings das Öl | |
dringend geborgen werden. Schon einige hundert Tonnen würden eine | |
breitflächige Verschmutzung der Küsten und Tausende tote Seevögel und | |
Fische zur Folge haben. | |
Alle Szenarien zeigen, dass eine Ölpest jeglicher Größe fatale ökologische | |
Folgen hätte. Doch dabei bleibt es nicht. | |
Der Hafen von Hudaida ist aktuell die einzige Landstelle, durch die | |
humanitäre Hilfe in den Norden des Landes gelangen. Bei einer Ölkatastrophe | |
müsste der Hafen laut UN-Experti:innen bis zu sechs Monate geschlossen | |
werden, was zum temporären Engpass an Hilfsgütern führen würde. | |
## Auf humanitäre Hilfe angewiesen | |
Dazu kommen die Millionen Jemenit*innen, deren Lebensgrundlage die | |
Fischerei ist. Aktivistin Hadil al-Moufarak appeliert deshalb seit Sommer: | |
„Wir können es uns nicht leisten, den Hafen Hudaida auch nur für ein paar | |
Monate zu schließen. Es geht um Essen und medizinische Hilfe für Millionen. | |
Und wir sprechen von einem Land, das sich bereits in einer Hungersnot | |
befindet.“ | |
24 Millionen von 30 Millionen Jemenit*innen sind derzeit laut | |
UNO-Flüchtlingswerk auf humanitäre Hilfe angewiesen. UNO-Generalsekretär | |
António Guterres warnt, es drohe die schlimmste Krise im Land seit | |
Jahrzehnten. Die Lage in dem Bürgerkriegsland wurde durch die Kürzung von | |
Hilfsgeldern in den vergangenen Jahren, eine Heuschreckenplage, | |
Überschwemmungen und die Coronapandemie noch verschlimmert. | |
Durch die Luftangriffe der Saudis verfügt das Land nahezu über keine | |
Infrastruktur mehr. Hilfsgüter kommen schon jetzt nicht ausreichend bei der | |
Bevölkerung an. | |
Dementsprechend groß ist jetzt die Hoffnung, dass die Zustimmung einer | |
Wartung durch die UN vonseiten der Huthi vor einigen Wochen ernst gemeint | |
ist. Laut al-Dschasira könnten UN-Expert:innen im Januar oder in den ersten | |
Februartagen des nächsten Jahres mit den Arbeiten am Tanker beginnen. | |
15 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Celine Weimar-Dittmar | |
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