Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nach dem Sturm aufs Kapitol: Rauswurf im Eilverfahren?
> Fast 190 Demokraten sprechen sich für ein erneutes Impeachmentverfahren
> gegen Donald Trump aus. Dieser bliebe aber trotzdem bis zum Ende im Amt.
Bild: Zahlreiche US-Demokraten fordern ein schnelles Impeachmentverfahren gegen…
Berlin taz | Nur neun Tage vor der Amtseinführung Joe Bidens als neuer
US-Präsident könnte das Repräsentantenhaus am Montag ein neues
Impeachmentverfahren gegen Donald Trump einleiten. Fast 190 demokratische
Abgeordnete haben sich bislang einem entsprechenden Entwurf der
Abgeordneten Ted Lieu aus Kalifornien und David Cicilline aus Rhode Island
angeschlossen.
Trump wird vorgeworfen, mit seinen Tweets und seiner Rede vor den
versammelten Demonstrierenden am vergangenen Mittwoch direkt zum Sturm auf
das Parlamentsgebäude aufgerufen zu haben, der fünf Menschen das Leben
kostete und die Sitzung zur Bestätigung von Bidens Wahlsieg über Stunden
unterbrach. „Wir können es nicht bei ernst formulierten Presseerklärungen
belassen. Wenn Trump nicht zurücktritt, muss der Kongress ihn verurteilen,
um ihn zur Verantwortung zu ziehen“, sagte Lieu der New York Times. Trump
würde damit zum ersten Präsidenten der US-Geschichte, gegen den der
Kongress gleich zweimal Anklage erhebt.
Allerdings würde ein Impeachmentverfahren nicht verhindern, dass er bis zum
festgelegten Ende seiner Amtszeit am 20. Januar um 12 Uhr Washingtoner
Ortszeit mit allen Machtbefugnissen im Amt bleibt.
Im Repräsentantenhaus würde die einfache Mehrheit der demokratischen
Abgeordneten genügen, um die Anklage zu verabschieden. Und das könnte
schnell gehen: „Nachdem er seine Anhänger mit Lügen über den Wahlausgang in
einen Rausch versetzt hat, stachelte der Präsident einen Aufstand an, und
das in aller Öffentlichkeit“, sagt Norm Eisen, juristischer Architekt des
ersten Impeachmentverfahrens, dem Magazin [1][Politico]. „Was braucht man
mehr?“
## Einen Tag vor Bidens Amtseinführung
Deshalb wäre es durchaus möglich, dass das Repräsentantenhaus im
Eilverfahren über die Anklage abstimmt und nicht erst nach langen
Zeugenanhörungen wie im Jahr 2019 wegen der Ukraine-Affäre.
Selbst dann aber würde der Senat, der letztlich in einer Art
Gerichtsverfahren über die Anklage entscheiden muss und in dem es eine
Zweidrittelmehrheit bräuchte, um Trump des Amtes zu entheben, sich
frühestens am 19. Januar erstmals damit befassen – einen Tag vor Bidens
Amtseinführung.
Verhandeln muss er aber auch dann, wenn Trump nicht mehr im Amt ist. In dem
unwahrscheinlichen Fall einer Verurteilung bliebe das für Trump nicht
folgenlos: Ihm wäre dann untersagt, noch einmal für ein öffentliches Amt zu
kandidieren.
Den ganzen Samstag über, berichten US-Medien, habe Nancy Pelosi, die
demokratische Chefin des Repräsentantenhauses, Gespräche über das weitere
Vorgehen geführt. In einem Brief an die demokratische Fraktion äußerte sie
sich nicht eindeutig darüber, ob sie das Verfahren tatsächlich in Gang
setzen wolle, forderte aber die Abgeordneten auf, sich bereitzuhalten, um
nach Washington zurückzukehren. „Es muss festgehalten werden, dass diese
Schändung [des Parlamentsgebäudes] vom Präsidenten angestiftet wurde“,
schrieb sie.
## Politischer Ausweg für Nancy Pelosi
Abwägen muss sie allerdings weit mehr. Der kommende Präsident Joe Biden,
der zudem immer wieder bekräftigt, das Land einen zu wollen, braucht in den
nächsten Monaten einen Senat, der mit Volldampf daran arbeitet, seine
Nominierten für Regierungsposten zu bestätigen und an neuen Gesetzen zu
arbeiten. Ein Senat aber, der sich wochenlang mit Trump beschäftigen würde
– und dann auch noch Fragen wie die strafrechtliche Verantwortung von
Demonstrationsveranstalter*innen für von Teilnehmer*innen ausgehende
Gewalt zu verhandeln hätte – kann nicht im Interesse des geplanten
Neuanfangs liegen.
Mehrere jener republikanischen Abgeordneten, die am Mittwoch für die
Bestätigung von Bidens Wahlsieg votierten, haben sich mit der Bitte an
Biden gewandt, Pelosi von der Einleitung eines neuen Impeachmentverfahrens
abzubringen. Biden selbst hielt sich dazu bedeckt – er werde diese
Entscheidung dem Kongress überlassen, hieß es lediglich.
Von republikanischer Seite hat die Idee des neuen Impeachmentverfahrens
bislang kaum öffentliche Unterstützung erfahren. Auch diejenigen, die seit
Mittwoch ihre Abneigung gegen Trump neu entdeckt haben, hielten sich zurück
– auch wenn davon auszugehen ist, dass viele von ihnen fürchten, was Trump
in seinen verbleibenden Tagen im Amt noch alles anstellen könnte.
Pelosi hatte bereits Ende vergangener Woche nicht nur versucht,
Vizepräsident Mike Pence dazu zu bringen, gemeinsam mit dem Kabinett eine
schnelle Absetzung Trumps durch Anwendung des 25. Verfassungszusatzes in
Gang zu setzen – was Pence ablehnte. Sie versuchte auch, mit dem
Generalstab darüber zu sprechen, Trump die Befugnisse zu entziehen, die er
als Oberbefehlshaber laut Verfassung noch bis 11.59 Uhr am 20. Januar hat,
insbesondere die Verfügung über die Atomwaffencodes. Dafür allerdings sieht
die Verfassung kein Verfahren vor, solange ein Präsident im Amt ist.
Ein politischer Ausweg für Pelosi könnte es sein, zwar in der kommenden
Woche im Repräsentantenhaus über die Anklage abstimmen zu lassen – sie dann
aber vorerst nicht an den Senat zu übermitteln. Das politische Statement
wäre abgegeben, aber die Beschäftigung mit Trump stünde einem guten Start
der Biden-Regierung nicht im Wege.
10 Jan 2021
## LINKS
[1] https://www.politico.com/news/2021/01/09/nancy-pelosi-democrats-impeachment…
## AUTOREN
Bernd Pickert
## TAGS
US-Kongress
Donald Trump
Impeachment
Impeachment
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
US-Demokraten
US-Demokraten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Amtsenthebungsverfahren gegen Trump: Impeachment ist Pflicht
Trump abzusetzen, ist alternativlos. Die Abgeordneten müssen handeln, denn
neben der Demokratie ist die innere und äußere Sicherheit in Gefahr.
Twitter sperrt Account von Trump: Es hat sich ausgezwitschert
Die Demokraten bereiten ein Amtsenthebungsverfahren gegen den
US-Präsidenten vor. Und eine erste republikanische Senatorin fordert seinen
Rücktritt.
US-Linker über Sturm aufs Kapitol: „Seit Frühling vor einem Putsch gewarnt�…
Gegen die Gewalt von Faschisten am Kapitol hätten Gewerkschaften und Linke
mobilisieren müssen, findet der US-Bürgerrechtler Bill Fletcher.
Impeachment gegen US-Präsident Trump: Die Demokraten sind sich uneins
Junge Demokraten-Abgeordnete wollen US-Präsident Trump schnellstmöglich aus
dem Amt entfernen. Die alte Garde gibt sich zurückhaltender.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.