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# taz.de -- Pasta entfacht postkoloniale Debatte: Dumme Nudeln
> Eine italienische Firma benennt ihre Pasta nach Tatorten kolonialer
> Massaker – und reagiert erst nach öffentlicher Empörung.
Bild: Die ursprüngliche Bezeichnung „Abissine rigate“ sorgte für heftige …
Namen, [1][haben US-Forscher:innen mal herausgefunden,] sind wichtiger als
viele meinen. Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Menschen Dinge und
Menschen bevorzugten, deren Namen dem eigenen ähneln: Und zwar, weil wir
die Tendenz hätten, die eigene Person und alles, was damit zusammenhängt,
großartig zu finden – das gelte insbesondere auch für Vorlieben beim Essen.
Wenn nun in Italien [2][gerade ein Sturm im Nudeltopf um Benennungen des
Nationalheiligtums Pasta] vor sich hin köchelt, so können wir aus der
obigen Einleitung eine These zur Analyse herleiten. Wie eine Pastasorte
genannt wird, ist marketingmäßig kein Zufall, sondern zielt bewusst oder
mit ganz viel gutem Willen auch unbewusst auf auszulösende positive
Geschmacksgefühle.
Wem aber läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn Nudeln nach [3][Tatorten
kolonialer Schlächtereien] benannt werden? Es geht um „Abissine rigate“
„Tripoline“ und „Tripoline lunghe“ des Nudelherstellers La Molisana im
süditalienischen Campobasso.
Die vor hundert Jahren gegründete und 2011 wiederbelebte Marke hat nach
Angaben der Firmenleitung auf historische Produktbezeichnungen
zurückgegriffen, diese aber nun nach Protesten wieder geändert. Und zwar
indem sie für den italienischen Markt nun schlicht die selben Namen
verwendet wie schon bislang für den Verkauf im Ausland, also „Conchiglie
rigate“, „Farfalline“ und „Mezze fettucce ricce“.
## Alles wieder al dente?
Dass die brutale und [4][erst in jüngster Zeit kritisch thematisierte
italienische koloniale Vergangenheit] in Libyen (Tripolitanien) und
Äthiopien (vor hundert Jahren Abessinien) jenseits der Alpen oder gar auf
der anderen Seite des Mittelmeers positive Geschmacksgefühle ausgelöst
hätte, davon war eben dann doch keiner der Verantwortlichen ausgegangen.
Auch der Werbetext, in dem die Verbindung zum Faschismus durchaus bewusst
betont wurde und von Produkten die Rede war, die „ferne exotische Orte
hervorrufen und ein koloniales Aroma haben“, wurde geändert.
Nun ist also alles wieder al dente – und die einzige Frage, die immer nach
solchen Affären bleibt: Warum hat man es in Campobasso nicht schon vorher
besser gemacht? Aber die ist nun wirklich nicht auf Italien oder auf Pasta
beschränkt – im Gegenteil: Wer nicht auch schon im eigenen Namen Begriffe
hat verkochen lassen, der werfe die erste Nudel.
6 Jan 2021
## LINKS
[1] https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/warum-namen-mehr-sind-als-schall-u…
[2] https://www.corriere.it/economia/aziende/21_gennaio_05/molisana-polemiche-s…
[3] /Umstrittenes-Denkmal-in-Italien/!5689956
[4] /Italien-und-die-Gefluechteten/!5512937
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Postkolonialismus
Nudeln
Faschismus
Kolumne Geschmackssache
italienisches Essen
Roman
Sexualisierte Gewalt
Faschismus
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