| # taz.de -- Demo von Verschwörungsanhänger:innen: „Achtung, liebe taz“ | |
| > In Berlin protestieren selbsternannte Querdenker gegen die Medien. Sie | |
| > fabulieren von „Manipulation“ und bedrohen Journalist:innen. | |
| Bild: Selbsternannte Querdenker demonstrieren am Mittwoch gegen die Medien | |
| Berlin taz | „Ich weiß zwar nicht von welcher Zeitung Sie sind, aber wollen | |
| Sie dazu was sagen?“, fragt der „Querdenker“, gekleidet in einem gelben | |
| Superheldenoutfit, nach einem kurzen Monolog über die angeblich | |
| manipulierte Presse. Holger Friedrich schüttelt mit dem Kopf. Der | |
| Eigentümer der Berliner Zeitung nimmt eine Handvoll Zettel entgegen und | |
| verschwindet wieder im Redaktionsgebäude. „Berichte fair!“, brüllen ihm | |
| Einzelne hinterher. | |
| Mit einem „Medienmarsch“ haben rund 150 selbsternannte Querdenker der | |
| verhassten Medienlandschaft in Berlin einen Besuch abgestattet – vom ZDF | |
| und der ARD über die taz und den Tagesspiegel bis zum Axel Springer Verlag, | |
| dem Spiegel und der Berliner Zeitung. | |
| Umhüllt von Weihrauchgeruch und Weihnachtsmusik forderten [1][die | |
| Verschwörungsideolog:innen] eine „faire Berichterstattung“ über ihre | |
| Proteste und witterten eine „Manipulation“ der Berichterstattung über die | |
| Coronapandemie. „Die Medien“ würden alle gleichermaßen unkritisch über d… | |
| Pandemie berichten und damit nicht nur „Hofberichterstattung für die | |
| Regierung und die Superreichen“ machen, sondern vielmehr zum „Handlanger | |
| des Faschismus“. | |
| „Wir sind keine Coronaleugner“, sagt die Demonstrationsanmelderin Monica F. | |
| Schließlich leugne sie nicht die Existenz des Virus – dieses sei jedoch | |
| schlicht ungefährlich. Medienberichte über die Proteste, auch in der taz, | |
| seien durchweg falsch, rechtsextrem seien die Demos nicht. Unter | |
| hunderttausenden von Demonstrant*innen könnten schließlich auch mal eine | |
| Hand voll Neonazis sein, das könne man nicht verhindern. Mit | |
| „Reichsbürgern“ habe man ebensowenig zu tun – jedoch beklagen | |
| Demonstrant*innen am Mittwoch nicht nur einen vermeintlich fehlenden | |
| Friedensvertrag, ein zentrales Argumentationsmuster der „Reichsbürger“, | |
| sondern bedienen auch das antisemitische Bild eines „Schuldkults“. | |
| ## Es wird weitergeräuchert | |
| Die [2][Demonstrationen sogenannter „Querdenken“-Initiativen] finden seit | |
| Monaten in ganz Deutschland statt, oft mehrfach in der Woche, und zeichnen | |
| sich durch eine kuriose Mischung der Teilnehmenden aus. Von | |
| Impfgegner:innen über Friedensbewegte bis hin zu Neonazis versammeln sich, | |
| regelmäßig in großer Anzahl auch in Berlin. Diese Mischung zeigte sich auch | |
| beim „Medienmarsch“, wobei ein eher friedensbewegtes, sich als links | |
| verstehendes Publikum zu dominieren schien. | |
| Auf der Demonstration dominiert das Bild einer verschlossenen Medienwelt, | |
| in der lediglich die Meinung der Regierung nachgeschrieben würde. „Lassen | |
| sie ihre Redakteure frei recherchieren“, ruft F. etwa vor dem Axel Springer | |
| Verlag. Und: „Verhindern sie die Impfungen, denn sie können das!“ | |
| Vor dem Gebäude der Funke-Mediengruppe auf der Berliner Friedrichstraße | |
| spricht die Anmelderin Monica F. von dem Journalisten Daniel Funke, dem | |
| Ehemann von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. F. deutet an, dass Daniel | |
| Funke ein „Abkömmling“ der Funke-Familie sei, und damit eng mit der | |
| Funke-Mediengruppe verbunden. Dran ist an dieser Verschwörungstheorie | |
| nichts, hinter den gleichen Namen steckt bloßer Zufall. | |
| Der Chefredakteur der Funke-Zentralredaktion in Berlin, Jörg Quoos, | |
| widerspricht im Gespräch mit den „Querdenkern“ dann auch noch vor Ort der | |
| aufgestellten Behauptung. Der „Querdenken“-Superheld gibt derweil auf der | |
| Bühne den Widerspruch von Quoos weiter und beteuert immerhin, hierzu | |
| nochmal gründlich recherchieren zu wollen. | |
| Vor der taz werden mit einem „Achtung, liebe taz“ Auszüge des Pressekodex | |
| des Deutschen Presserats verlesen, eine Auflistungen von ethischen | |
| Richtlinien in der Berichterstattung, der sich alle großen Medien in ihrer | |
| Berichterstattung verpflichtet fühlen – dazu gibt es wütende | |
| „Lügenpresse“-Rufe mehrerer Demonstrant*innen. Eine Frau mit Megaphon | |
| bedroht währenddessen einzelne Journalisten. | |
| Mehrfache Nachfragen, wer die Berichterstattung in den Medien denn | |
| manipuliere, führen unter den Teilnehmenden zu keiner klaren Antwort. „Na, | |
| das wüsste ich ja auch gerne“, antwortet F. nur. Das bloße Gerücht reicht | |
| offensichtlich. | |
| Am Sonntag soll es dann weitergehen mit dem Protest gegen die Medien. Vor | |
| dem Gebäude des Axel Springer Verlags möchte eine Gruppe von „Querdenkern“ | |
| vier Stunden lang „räuchern“ – mutmaßlich mit Räucherstäbchen und | |
| Weihrauch. | |
| 2 Dec 2020 | |
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| Kevin Čulina | |
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