# taz.de -- US-Fußballerin Megan Rapinoe: Große Angriffslust | |
> Weltmeisterin Megan Rapinoe zeichnet ihren Werdegang zur | |
> Spitzenfußballerin und politischen Influencerin nach – ungeschönt und mit | |
> Pathos. | |
Bild: Megan Rapinoe während des Parteitags der US-Demokraten | |
„Den Mund aufmachen“: diese Formulierung verwendet Megan Rapinoe oft in | |
ihrer Biografie; und wenn eine Frau davon erzählen kann, wie es ist, den | |
Mund aufzumachen, dann ist sie es. | |
Zum Beispiel, als sie sich vor den Olympischen Spielen 2012 outete („Ich | |
bin lesbisch, ich bin Profisportlerin, und das sollen ruhig alle wissen“). | |
Oder in ihrem jahrelangen Kampf mit dem US-Frauennationalteam, die gleichen | |
Gehälter wie die männlichen Kollegen zu erhalten. Berühmt geworden ist ihre | |
präventive Weigerung, das Weiße Haus nach der WM 2019 zu einem möglichen | |
Siegesempfang durch Donald Trump zu betreten: „I’m not going to the fucking | |
White House.“ | |
Manchmal machte [1][Rapinoe] den Mund auch mittels bloßer Geste auf: Im | |
Sommer 2016 ging sie vor dem Spiel ihrer Seattle Reigns gegen die Chicago | |
Red Stars beim Abspielen der US-Hymne auf die Knie. Als erster weißer | |
Sportstar setzte sie dieses Zeichen der Solidarität mit Black Lives Matter | |
und mit Football-Spieler Colin Kaepernick, der eine Woche zuvor | |
niedergekniet war. | |
Megan Rapinoe hat kürzlich ihre Biografie vorgelegt („One Life“), und diese | |
ist auch die Geschichte ihrer persönlichen Politisierung. Zum einen zeigt | |
ihr Buch die beeindruckende Emanzipation einer Frau, die erst ziemlich | |
unpolitisch ist (2004 stimmt sie bei der Wahl wider besseres Wissen für | |
George W. Bush) und die sich dann immer mehr gegen Diskriminierung jedweder | |
Art einsetzt. | |
Zugleich ist „One Life“ eine konventionelle Sportlerbiografie, in der | |
Rapinoe beschreibt, was es braucht, um nach ganz oben zu kommen (spannend | |
etwa, wie die Wege ihrer fußballerisch ebenfalls sehr talentierten | |
Zwillingsschwester Rachael Rapinoe und ihr Auseinandergehen). | |
## Rapinoe hat über den Sport die Gesellschaft verändert | |
Dort, ganz oben, ist Megan Rapinoe nicht nur in sportlicher Hinsicht – sie | |
errang zwei WM-Titel, einen Olympiasieg, wurde Weltfußballerin 2019 – | |
angekommen, sondern längst auch als politische Influencerin. Spätestens | |
nach ihrem Schlagabtausch mit Trump während der WM 2019 kann man sie in | |
eine Reihe jener stellen, die – mit dem US-Team – über den Sport die | |
Gesellschaft verändert haben: „Nach der Woche, die hinter uns lag, spielten | |
wir tatsächlich nicht nur für die Vereinigten Staaten; wir spielten für | |
Diversität, Demokratie, Inklusion. Wir spielten für Gleichberechtigung, | |
gleiche Bezahlung und für den Glanz und die Herrlichkeit des | |
Frauenfußballs“, so Rapinoe. | |
Rapinoe redet zu keinem Zeitpunkt irgendetwas schön, bei sich selbst und | |
ihrer Familie beginnend. Sie erzählt von der Drogensucht und den | |
Gefängnisaufenthalten ihres Bruders Brian, sie erzählt von familiärem | |
Streit während der Trump-Ära, sie erzählt von Differenzen mit | |
Ex-Nationaltrainerin Jill Ellis. Ihr Aufwachsen im kalifornischen Redding | |
gleicht einer typischen Provinzjugend, ihr Erweckungserlebnis ist ihre Zeit | |
an der Universität in Portland („eine dermaßen liberale Stadt, dass es fast | |
schon ein Klischee ist“), wo sie sich erstmals mit Politik auseinandersetzt | |
und mit dem Collegeteam ihren ersten nationalen Titel holt. | |
Man folgt Rapinoe gebannt durch eine Karriere, manche Wahnsinnsspiele | |
werden einem in Erinnerung gerufen: das Viertelfinale der WM 2011 gegen | |
Brasilien mit dem Last-Minute-Ausgleich der USA in der Verlängerung und dem | |
Sieg im Elfmeterschießen, das ebenso irre Halbfinale gegen Kanada bei | |
Olympia 2012 (4:3), natürlich die [2][WM 2019], aber auch historische | |
Niederlagen wie das Viertelfinalaus bei den Olympischen Spielen 2016 gegen | |
Schweden. Vor allem aber lernt man ihre witzige, spontane, angriffslustige | |
Art schätzen. Auch wenn Rapinoe Appelle manchmal mit US-typischem Pathos | |
formuliert, kommen sie noch sympathisch rüber („ich tue nichts, was andere | |
nicht auch tun könnten. Wir alle verfügen über dieselbe Ressource: unser | |
eines, wertvolles Leben“). | |
Liest man „One Life“ mit der deutschen Brille, kommt man ins Grübeln über | |
den behäbigen, mut- und saftlosen Sportbetrieb hierzulande, in dem man von | |
Collegeligen und Draft-Systemen nur träumen kann. Und in dem es immer noch | |
die Ausnahme ist, wenn sich Sportlerinnen und Sportler politisch | |
einmischen. | |
Als die National Women’s Soccer League im Juni nach Corona neu startete, da | |
kniete übrigens ein Großteil der Spielerinnen beim Abspielen der | |
Nationalhymne, auch beim Länderspiel der USA gegen die Niederlande Ende | |
November gingen die meisten Spielerinnen auf die Knie. Das ist auch dem | |
Engagement Megan Rapinoes zu verdanken. | |
5 Jan 2021 | |
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## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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