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# taz.de -- Steigende Mieten im Berliner Umland: Wohnungsmangel wegdefiniert
> Die Brandenburger Landesregierung will Mietpreisbegrenzungen in
> zahlreichen Kommunen aufheben. Mieterbund und die Linke kritisieren den
> Zeitpunkt.
Bild: Hoch, höher, Potsdam: Nicht nur dort steigen die Mieten
Potsdam taz | Während Berlin den Mietendeckel hat und über Enteignungen
diskutiert, ticken in der Mark die Uhren anders. Denn seit gut einem Jahr
regiert die CDU wieder mit und kontrolliert das Bauministerium. Nun zeigen
sich die ersten Auswirkungen: Zwar will das Ministerium die zum Jahresende
auslaufenden Verordnungen zu Mietpreisbremse bei Neuvermietungen und
Kappungsgrenze für Bestandsmieten verlängern, aber die Zahl der Kommunen,
in denen das gilt, wird von 31 auf 19 gekürzt. Mieten in einem Dutzend
Berliner Umlandkommunen können so ab Januar um bis zu 20 Prozent erhöht
werden.
Rausgefallen sind 15 Speckgürtelkommunen – beispielsweise Oranienburg und
viele Gemeinden im Umfeld des Flughafens BER und der Tesla-Fabrik, die
eigentlich weiteren Zuzug und steigende Mieten erwarten. Das Ministerium
beruft sich zur Begründung auf zwei Gutachten, die nach monatelanger
Verzögerung Mitte Dezember veröffentlicht wurden. Sowohl der Ansatz der
Gutachten als auch die Interpretation der Ergebnisse werfen Fragen auf.
Eines untersuchte Wirksamkeit und mögliche Schäden durch die Regelungen. Es
kommt zu dem Schluss, dass weder Bautätigkeit noch Modernisierungen und
Instandhaltung gelitten hätten. Die Mietbegrenzungen seien allerdings nur
gering wirksam, weil sie am Ende nur auf Initiative der einzelnen
betroffenen Mieter durchgesetzt werden können.
Das zweite Gutachten beschäftigt sich mit der Frage, in welchen Kommunen
die strengeren Regeln gelten sollen, weil der Wohnungsmarkt dort angespannt
sei. Dazu werden vier Kriterien untersucht. Treffen drei davon zu, gilt der
Wohnungsmarkt in dieser Kommune als angespannt. Weichen die Werte zu stark
vom bundesweiten Durchschnitt ab, gehen sie in die Wertung ein.
## Die Marktlage ist angespannt
Doch an einigen Stellen hat der Ansatz Schwächen – etwa beim Kriterium des
sogenannten Wohnungsversorgungsgrads. Dabei wird die Zahl der vorhandenen
Wohnungen ins Verhältnis zur Zahl der ansässigen Haushalte gesetzt. Liegt
der Wert etwa bei 1, gibt es rechnerisch genug Wohnungen. Doch auf den
Wohnungsmärkten im Speckgürtel konkurrieren Ortsansässige mit oft
zahlungskräftigeren Zuziehenden. Die Nachfrage ist also tatsächlich höher.
Dennoch führt die Anwendung dieses Kriteriums dazu, dass die strenge
Mietpreisbegrenzung in elf Kommunen aufgehoben werden soll.
Aus Sicht vieler betroffener Kommunen dürfte das Ergebnis enttäuschend
sein. Denn sie wurden von den Gutachtern sogar befragt: Drei Viertel der
befragten Kommunen schätzen die Marktlage als angespannt oder sehr
angespannt ein. Fünf Jahre zuvor waren es nur 40 Prozent. Und 57 Prozent
der Kommunen erwarten auch in fünf Jahren noch einen angespannten
Wohnungsmarkt. Die Gutachter selbst kommen zu dem Urteil, dass „in den
nächsten Jahren auch eine weitere Zunahme der Wohnungsnachfrage in den
Stadt-Umland-Gemeinden von Berlin zu erwarten“ ist.
Die im Land oppositionelle Linke will die Landesregierung zu einem anderen
Vorgehen bringen. In einem Antrag fordert sie, die bestehenden Verordnungen
pauschal um ein halbes Jahr zu verlängern. In der Zwischenzeit könnten dann
neue Regelungen ausgearbeitet und weitere Städte und Gemeinden mit
angespanntem Wohnungsmarkt in deren Geltungsbereich aufgenommen werden.
Die Linke wirft dem Ministerium außerdem ein intransparentes Vorgehen vor,
weil die Gutachten erst spät veröffentlicht wurden. Zudem sei die
Datengrundlage nicht nachvollziehbar, sagte die wohnungs- und
mietenpolitische Sprecherin der Linke-Landtagsfraktion, Isabelle Vandre,
der taz. Daten zu den tatsächlich leer stehenden Wohnungen fehlten.
Bei den mitregierenden Grünen sieht man die Einschränkung des
Geltungsbereichs gar nicht kritisch. Stattdessen bejubelt man, dass die
Verordnungen überhaupt neu aufgesetzt werden. „Ein wichtiges Signal an die
Mieterinnen und Mieter im Land Brandenburg“, teilte die Fraktion mit. „Im
berlinnahen Raum wie Potsdam, Kleinmachnow, aber auch Blankenfelde steigen
die Mieten nach wie vor und Wohnraum wird knapper.“
Der Brandenburger Mieterbund ist nicht erfreut. Er hatte gefordert, dass
die Verordnungen um fünf Jahre verlängert werden. Mieterbundschef Rainer
Radloff weist auch auf den Zeitpunkt hin: Mitten in der Coronakrise
Mieterhöhungen bis zu 20 Prozent zu ermöglichen sei nicht vermittelbar.
Die Vermieterseite will die Begrenzungen natürlich am liebsten ganz
weghaben. Der Verband berlin-brandenburgischer Wohnungsunternehmen
beispielsweise hatte die beiden Landesverordnungen schon bei ihrer
Einführung als Investitionsbremse bezeichnet. Die Vermutung widerlegt
allerdings das Gutachten. Weder Expertengespräche noch die Zahl der
Baugenehmigungen wiesen auf eine Einschränkungen der Bautätigkeit hin.
23 Dec 2020
## AUTOREN
Marco Zschieck
## TAGS
Mietendeckel
Oranienburg
Mietenpolitik
Miete
Mietpreisbremse
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Stadt-Land-Gefälle
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
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