# taz.de -- Biopic „Harriet“ über US-Heldin auf DVD: Kopfgeld für die Flu… | |
> „Harriet“ ist ein Biopic über die berühmte Fluchthelferin des | |
> Schleuser-Netzwerks Underground Railroad. Es ist der erste Hollywoodfilm | |
> über sie. | |
Bild: Fluchthelferin Harriet Tubman (Cynthia Erivo), genannt Moses, und William… | |
[1][Harriet Tubman ist eine Heldin], wenn es je eine gab. Geboren als | |
Sklavin im Jahr 1822 auf einer Farm in Dorchester, Maryland, vielleicht | |
aber auch etwas früher oder später, genau weiß man es nicht. Ihr Name war | |
Araminta Ross, Minty genannt, den Namen, unter dem man sie heute kennt, gab | |
sie sich selbst nach ihrer Flucht in die Freiheit. Als Jugendliche schlägt | |
ihr ein Aufseher ein massives Stück Metall an den Kopf. Fast stirbt sie, | |
sie trägt auf der Stirn eine Narbe davon und von dieser Verwundung datiert | |
das Auftreten von Visionen. Es wird Gott sein, denkt sie, der mit ihr | |
spricht. | |
Gott, falls er es ist, spricht zu ihr auch [2][auf der Flucht]. Ein | |
entscheidender Moment, sie ist nach Philadelphia entkommen, sie hat ihren | |
neuen Namen angenommen und sie kehrt ein Jahr später zurück zur Farm der | |
Familie Brodess, von der sie ganz allein floh, um ihren Mann, der frei ist, | |
aber hier arbeitet und lebt, zu sich zu holen. Sie muss erleben, dass er, | |
im Glauben, sie sei auf der Flucht gestorben, erneut geheiratet hat. | |
Er also bleibt, aber eine Schar von Schicksalsgenoss:innen flieht mit | |
ihr mit, die Flucht gelingt, weil Tubman im rechten Moment zu Boden sinkt | |
und die richtige Eingebung hat. Der Weg geht durch den Fluss, der an dieser | |
Stelle flach genug ist. | |
Es wird nicht Tubmans letzte Großtat als Fluchthelferin sein. In | |
Philadelphia schließt sie sich der [3][Underground Railroad] an, dem | |
konspirativen Schleuser-Netzwerk von Schwarzen, darunter ehemaligen | |
Sklavinnen und Sklaven, und abolitionistisch gesinnten Weißen, die | |
Fluchtwege finden, Fluchten organisieren und auch die Ankunft der Befreiten | |
in sicheren Staaten. Bald wird sie „Moses“ genannt, das Kopfgeld, das auf | |
sie ausgesetzt ist, wächst. | |
Das zeigt, das erzählt [4][Kasi Lemmons] in „Harriet“, teils notgedrungen | |
summarisch, denn nicht nur diesen als wichtig ausgewählten Episoden im | |
Leben ihrer Titelfigur, sondern auch den Konventionen des Biopic folgt der | |
Film ziemlich treu. Als Historienfilmillusion ohne Brechung wird also im | |
Kostüm mehr oder weniger aufwendig in Szene gesetzt, was geschah. | |
## Schönheit, die das Herz erhebt | |
Eindrucksvoll sind die Bilder, Kameramann John Toll, der viel für die | |
Wachowski-Schwestern gedreht hat, hat den Blick für die Sorte Schönheit an | |
der Grenze zum Kitsch, die das Herz durchaus erhebt: in den Szenen im Wald | |
im Dunkel der Nacht wie bei der Aussicht auf die weite Landschaft der Hügel | |
und Felder von Maryland und Delaware. | |
Mitreißend ist die Musik, gelegentlich wird die Erzählung beinahe | |
stillgestellt dafür, die gospelige Ballade „Stand up“ war, wie ihre | |
Sängerin Cynthia Erivo, für den Oscar nominiert. Historisch verbürgt, im | |
Film eher angedeutet, ist, dass Tubman Lieder wie „Go Down, Moses“ | |
umschrieb und im veränderten Text kodierte Nachrichten für Fluchtwillige | |
verbarg. | |
Erivo ist es auch, die die körperlich nicht große Tubman spielt, mit | |
enormer Intensität, von brütender Entschlossenheit, dabei recht nahe an | |
ihrer anderen großen Rolle der jüngeren Zeit, der übersinnlich begabten | |
Detektivin Holly Gibney in der Serie [5][„The Outsider“ nach Stephen King] | |
– uramerikanische Rollen, die sie als Engländerin spielt. | |
Verblüffend und wenig überraschend zugleich: „Harriet“ ist der erste | |
Hollywoodfilm, der die Geschichte von Harriet Tubman erzählt. Es gab eine | |
Fernsehserie im Jahr 1978 nach einer problematischen Romanvorlage, aber das | |
Oscar-Treatment erhielt sie erst jetzt. Mit allen mit dem Genre verbundenen | |
Stärken und Schwächen. Der große Film, den Harriet Tubman verdient, ist | |
„Harriet“ nicht; aber als aufrechte Würdigung in Ordnung genug. | |
3 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Ekkehard Knörer | |
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