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# taz.de -- Album „Good News“ von Megan Thee Stallion: Sie nennt sich Hengst
> Megan Thee Stallion veröffentlicht ihr Debütalbum. Darauf geht es um das
> Erkunden des eigenen Körpers. Kann das Album mehr als explizite Texte?
Bild: Down South: Megan Thee Stallion aus Houston/Texas
„Die Muschi ist feucht.“ Handschellen und Halsbänder liegen bereit und
Hunderte Millionen Menschen feiern gemeinsam eine auditive Orgie: Megan
Thee Stallion und Cardi B ist im Sommer mit dem Song „WAP“ ein Geniestreich
gelungen. Ihre Single „WAP“ – die drei Buchstaben stehen für Wet Ass Pus…
–, ist eine Ode an die weibliche Sexualität und ein guter Rapsong noch
dazu. Das dazugehörige Video, in dem die beiden Rapperinnen durch ein
surreal wirkendes Schloss tanzen, hat [1][mittlerweile fast 300 Millionen
Aufrufe bei Youtube]. Männer kommen darin übrigens keine vor!
„WAP“ ist einer der Raphits dieses Seuchenjahres. Dass so ein Song mit
unverblümter Botschaft sowohl im HipHop-Kontext als auch im Pop-Mainstream
Erfolge feiert, ist immer noch ungewöhnlich.
Wenn man Megans männlichen Rapkollegen beim Reimen zuhört, stellt sich oft
die Frage, ob die Kerle in ihrem Leben überhaupt schon mal Sex hatten. Die
immer gleichen seriellen Sexfantasien und Praktiken werden in Rapsongs
reproduziert, seit den 1980ern, als 2Live Crew aus [2][Florida] mit
anstößigen Reimen auffiel, hat sich da kaum etwas geändert.
Diese Männer-Reime klingen oft wie Nacherzählungen von billigen Pornos und
nicht nach glaubwürdigen sexuellen Erfahrungen. Vor allem aber beschränken
sich die Texte reduziert auf die Beschreibung von männlichen Orgasmen und
Männerspaß.
Frauen werden nach wie vor von Rappern in ihren Vorstellungswelten
objektiviert, ihre Bedürfnisse spielen keine Rolle. Darum sind HipHop-Texte
in ihren Frauenbildern maximal konservativ, verklemmt und sexistisch. Mehr
als eine Blowjobs verteilende „Bitch“ gibt die Vorstellungskraft nicht
her. Zumindest in den USA ändert sich diese öde Perspektive allmählich.
Allerdings nicht wegen einsichtiger Rapper oder liberaler Fans.
Der Begriff Sexpositivität existiert schon länger als männliche Sexraps. Er
hinterfragt den durch [3][patriarchale Strukturen] geprägten Blick auf Sex.
In den letzten fünf Jahren tauchten in den USA vermehrt Rapperinnen auf,
die HipHop-Tracks mit sexpositiven Texten veröffentlichen. Rapperinnen wie
cupcaKKe, Brooke Candy oder eben die Texanerin Megan Thee Stallion. Ihre
Musik findet längst nicht mehr in einer Nische statt, sie sind keine
Einzelkämpferinnen. Es scheint so, als können Frauen endlich vor einem
Mainstreampublikum ungeniert über Sex rappen, der auch ihren Vorstellungen
entspricht.
## Reduzieren auf ein Thema
„WAP“ ist der vorläufige Gipfel dieser Entwicklung, der Song wurde für
Stallion zum endgültigen Durchbruch. Mit ihrem Debütalbum „Good News“
versucht die 25-jährige Künstlerin aus Houston nun nach einigen EPs und
Mixtapes an den großen Erfolg anzuknüpfen. Die Frage ist nur: Wie spannend
ist Rappen über Sex auf Dauer, egal aus welcher Perspektive? Und ist es
im Sinne Stallions, sie nur auf dieses eine Thema zu reduzieren?
Denn auf „Good News“ geht es wirklich sehr viel um Sex, um den damit
verbundenen Spaß, um das Erkunden des eigenen Körpers. Die Songs sind
humorvoll, vulgär, oft beides zusammen. „Bust that pussy wide / Let him
adventure inside / If my pussy was a beach, he get swept up by the tide“,
rappt sie zum Beispiel auf „Freaky Girls“ zusammen mit SZA.
Spannend ist zu hören, welche Metaphern und Umschreibungen Stallion findet,
wie sie diesen neuen feministischen Sound im Sprechen über Sex im Kontext
von HipHop performt. Und dass sie dem Motiv des „Players“ mit ihren Songs
eine weibliche Konnotation verleiht. Das Vulgäre wechselt nie ins
Aggressive. Megan dreht die Rolle also nicht einfach um, sie erfindet eine
neue, eine empathischere.
„Good News“ ist eine große Party von Thee Stallion und talentierten
Freund*innen wie Beyoncé und den City Girls. Aber das Album ist zu lang.
Dieses Gefühl entsteht vor allem durch die schwankende Qualität der Beats.
Während „Good News“ inhaltlich stringent ist, sind es die Produktionen
leider nicht. Banale Trap-Beats wechseln sich ab mit von eingängigen
Samples getriebenen Tunes, die wiederum negiert werden durch im schlechten
Sinne an die nuller Jahre erinnernde Synthie-Hooklines („Sugar Baby“). Dem
bouncenden Sound geht im Vergleich zu Stallions reimender Kraft immer
wieder die Luft aus.
Dass die musikalische und inhaltliche Qualität auseinanderdriften, ist
bedauerlich, deswegen wird Stallion als Künstlerin aber nicht weniger
relevant. „Good News“ wirkt wie ein Zwischenschritt zur musikalischen
Selbstfindung nach „WAP“. Gerade wurde Stallion vom Time Magazine in die
Liste der „100 Most Influential People“ gewählt. Sie schreibt
Meinungsstücke für die [4][New York Times], setzt sich gegen Rassismus und
Polizeigewalt und für soziale Gerechtigkeit ein. Sex ist also nur ein
kleiner Teil ihres Schaffens.
26 Nov 2020
## LINKS
[1] https://youtu.be/hsm4poTWjMs
[2] /Besuch-der-Musikmetropole-Miami/!5202766
[3] /Neues-Album-von-Rapper-Weekend/!5728424
[4] https://www.nytimes.com/2020/10/13/opinion/megan-thee-stallion-black-women.…
## AUTOREN
Johann Voigt
## TAGS
HipHop
Houston
Sexualität
Rapperin
Feminismus
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