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# taz.de -- Journalismus in Frankreich: Der Gelbwesten-Versteher
> Mit seiner Berichterstattung erreicht Rémy Buisine Menschen, die sich von
> anderen Medien nicht gehört fühlen. Das hat auch Macron kapiert.
Bild: Engagierter Echtzeitberichterstatter: Rémy Buisine
Paris taz | Von den Gilets jaunes, den Menschen in gelben Warnwesten, die
sich unverstanden und von den traditionellen Medien verachtet fühlen, wird
Rémy Buisine schon lange als Held gefeiert. In seiner unmittelbaren
Berichterstattung per Handykamera fand die Protestbewegung zu ihrer
Hochzeit besonders Gehör.
Präsident Macron hat nun kapiert, wie zentral diese neue Form von
Live-Journalismus vor allem für die jüngeren Generationen ist. Deshalb wohl
gewährte er Buisine und dessen Kolleg:innen Yağmur Cengiz und Thomas
Snégaroff auf dem [1][schlagkräftigen Onlinekanal Brut.], der mittlerweile
fünf Ableger zählt, jüngst ein [2][fast zweieinhalbstündiges Interview.]
Der aus Nordfrankreich stammende Rémy Buisine ist selbst erst 30 Jahre alt.
Er hat, anders als die meisten bei Zeitungen und elektronischen Medien
tätigen Journalist:innen, keine brillante Hochschulkarriere hinter sich
oder eine der renommierten Journalismusschulen absolviert. Buisine hatte
schon immer davon geträumt, eines Tages Journalist zu werden – doch als
Schulabbrecher glaubte er nicht an eine Chance.
Seinen Reporterjob hat er in der Praxis gelernt mit der Telefonkamera in
der Hand und via Periscope während der basisdemokratischen Debatten der
„Nuits debout“ 2016 auf der Place de la République in Paris. Bei diesen
Protesten gegen die arbeits- und sozialrechtlichen Reformen in Frankreich
hat sich Buisine einen Namen gemacht.
Smartphone „an die Hand gewachsen“
Wie traditionelle Medien mittlerweile neidlos eingestehen, hat Buisine –
und er ist natürlich nicht der Einzige in Frankreich – eine neue Form der
engagierten Echtzeitberichterstattung miterfunden. Das Publikum dafür
existierte bereits. Le Parisien schreibt etwa über Buisines ersten Erfolg,
wie er 2017, als die Nation gebannt eine TV-Debatte von
Präsidentschaftskandidaten guckte, zu den Champs-Élysées raste, weil er von
einer Schießerei dort gehört hatte. Wenige Minuten später übermittelte er
seine Bilder mit Facebook-Kommentaren an fast fünf Millionen
Zuschauer:innen.
Buisines Rezept laut Libération: „Keine Filter, keine Montage, alles in
direkter Rede.“ Von seinem Hauptarbeitsmittel sagt Buisine, das Smartphone
sei ihm „an die Hand gewachsen“. In seiner Berichterstattung bezeichnet er
sich selbst als „unvoreingenommen“ – im Unterschied zu den großen Medien,
die alle eine Ausrichtung und eine redaktionelle Linie hätten. Bei
Demonstrationen spricht er vor Ort mit sehr vielen Menschen, um so ein
möglichst repräsentatives Gesamtbild zu bekommen.
Aus seiner Sympathie für die Gelbwesten und andere Demonstrierende macht er
kein Geheimnis. Auch die Polizei kennt ihn – und schätzt ihn wenig. Als er
am 23. November das Polizeiaufgebot filmte, das anschließend auf der
Pariser Place de la République gewaltsam ein Flüchtlingscamp räumte, wurde
Buisine von Beamten, die wohl meinten, [3][man dürfe sie bereits nicht mehr
filmen,] recht unsanft deplatziert.
Staatspräsident [4][Macron] ging mit dem Interview auf Brut. ein
kalkuliertes Risiko ein. Für Buisine aber war dies eine Anerkennung, die
für seine weitere Arbeit wichtiger ist als ein Presseausweis oder das Lob
der arrivierten Kollegen.
6 Dec 2020
## LINKS
[1] https://www.brut.media/fr
[2] https://youtu.be/IvkewyupR_8
[3] /Proteste-gegen-Gesetz-in-Frankreich/!5731998
[4] /EU-Minigipfel-zu-Terrorabwehr/!5728014
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
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Glaube, Religion, Kirchenaustritte
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