# taz.de -- Geflüchtete in Spanien: Die unsichtbaren Einwanderer | |
> Corona beschert Spanien mehr Migranten – vor allem aus Lateinamerika. Die | |
> Zustände ihrer Ankunft verschleiert die Regierung. | |
Bild: Bei Migranten aus Marokko wird Fieber gemessen nach ihrer Ankunft am Stra… | |
Was sich derzeit vor den Küsten der Kanarischen Inseln abspielt, hat | |
Spanien seit 2006 nicht mehr gesehen. Die Behörden melden wie damals | |
[1][Rekordzahlen von Flüchtlingen], die in den sogenannten Cayucos – für | |
Westafrika typischen hölzernen Fischerbooten – an den Stränden der | |
Inselgruppe im Atlantik ankommen. | |
Weit über 20.000 Menschen sind es seit Jahresbeginn, die versuchen auf | |
diesem Weg ins verheißene Europa zu gelangen. Rund die Hälfte derer, die | |
derzeit auf den Kanaren anlanden, stammen aus Marokko. Viele kommen aus dem | |
Hotel- und Gaststättengewerbe, wo sie durch die Covid-Krise ihren Job | |
verloren haben. | |
Schlagzeilen zum Thema bleiben ebenso wenig aus wie rassistische Proteste, | |
etwa in der Stadt Mogán auf Gran Canaria. Dabei ist, was auf den Inseln | |
geschieht, nur ein Nebenschauplatz. Denn die meisten Immigranten ohne | |
Papiere kommen nach wie vor auf ganz anderem Weg, nämlich im Flieger auf | |
dem Flughafen in Madrid oder in Barcelona. | |
Nur jeder fünfte Neuankömmling stammt aus Afrika. Längst haben die Menschen | |
aus Südamerika die aus Afrika abgelöst, wenn es um irreguläre | |
Grenzübertritte geht. „Das Foto der irregulären Einwanderung in Spanien ist | |
das einer Frau um die 30 aus Kolumbien, Venezuela oder Honduras“, | |
[2][schreibt die konservative Onlinezeitung elconfidencial.com]. | |
## Afrikaner in der Landwirtschaft, Latinas im Haushalt | |
Ende 2019 lebten in Spanien, nach Schätzung einer Studie der Universität | |
Carlos III. in Madrid, zwischen 390.000 und 470.000 Einwanderer ohne | |
Papiere. Das entspricht zwischen 11 und 13 Prozent aller im Lande lebenden | |
Ausländer. | |
Während viele der Afrikaner – wenn sie nicht zu meist unerträglichen | |
Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft unterkommen – oft am Rand des | |
Existenzminimums in großen Städten leben, arbeiten Lateinamerikanerinnen | |
meist als Pflege- oder Haushaltspersonal in Familien. Sie sprechen die | |
gleiche Sprache, haben die gleiche Religion – das macht vieles leichter. | |
Die spanische Linkskoalition aus der sozialistischen PSOE und der | |
linksalternativen Unidas Podemos tut sich schwer im Umgang mit der | |
Situation auf den Kanaren. Es herrscht eine Art Nachrichtensperre. | |
Fotografen dürfen nicht mehr direkt im Hafen arbeiten, sondern können nur | |
noch aus großer Distanz fotografieren. | |
## Schöne Boote statt Seenotrettung | |
Und seit Innenminister Fernando Grande-Marlaska eine „einheitliche | |
Kommandostruktur“ eingerichtet hat, der neben der Grenzpolizei auch die | |
zivile Hochseerettung Salvamento Marítimo unterstellt ist, gibt es auf | |
deren Twitterkanal nur noch schöne Boote, Sicherheitsregeln für Yachten und | |
Hilfe bei Fischereiunfällen zu sehen. | |
Einst veröffentlichten sie in Echtzeit, wo und wie viele Flüchtlinge aus | |
Seenot gerettet und wann sie wo angelandet werden. Damit konnte die Presse | |
arbeiten. | |
Was das soll? Alfonso Armada, Vorsitzender der [3][spanischen Sektion von | |
Reporter ohne Grenzen (RoG)], hat die Antwort: „In einem Telefongespräch | |
erklärte die Pressestelle des Innenministeriums ganz offen, dass zu viele | |
Bilder ausländerfeindliche politische Gruppen stärken könnten.“ | |
12 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Flucht-aus-Westafrika-auf-die-Kanaren/!5727787 | |
[2] https://www.elconfidencial.com/espana/2020-06-25/inmigracion-irregular-espa… | |
[3] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/spanien | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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