Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Urteil des EuGH zu Asyl für Syrer: Asyl für Kriegsdienstverweiger…
> Ein Syrer floh vor dem Wehrdienst nach Deutschland. Dort erhielt er kein
> Asyl. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof dürfte dies wohl
> ändern.
Bild: Syrische Kriegsdienstverweigerer werden in künftig bessere Chancen auf A…
Freiburg taz | Syrische Kriegsdienstverweigerer werden in Deutschland
künftig gute Chancen auf Asyl haben. Wie der Europäische Gerichtshof (EuGH)
an diesem Donnerstag entschied, besteht bei syrischen Militärflüchtigen die
„starke Vermutung“, dass ihnen in Syrien politische Verfolgung droht.
Der heute 31-jährige Syrer kam im September 2015 in Deutschland an und
beantragte Asyl. Er habe Syrien verlassen, weil er sonst zum Militärdienst
einberufen worden wäre. Während des Studiums in Aleppo sei er
zurückgestellt gewesen, nach Abschluss der Ausbildung habe er nun aber mit
der Einberufung rechnen müssen. Da es in Syrien keine legale Möglichkeit
der Kriegsdienstverweigerung gibt, müsse er bei seiner Rückkehr mit
Strafverfolgung rechnen oder – noch schlimmer – mit einer ausbildungslosen
Verschickung als „Kanonenfutter“ [1][an die Front].
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte den Asylantrag
ab. Der Mann sei in Syrien nicht wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Gruppe verfolgt worden. Er erhielt deshalb nur „subsidiären Schutz“, weil
ihm in Syrien unmenschliche Bestrafung drohe.
Der subsidiäre Schutz garantiert zwar auch ein Aufenthaltsrecht in
Deutschland, hat aber deutliche Nachteile beim Nachzug von EhegattInnen und
Kindern. Von 2016 bis 2018 war der Familiennachzug bei subsidiär
Geschützten völlig ausgeschlossen. Seit Mitte 2018 ist er auf 1.000
Personen pro Monat beschränkt. Außerdem wird ein besonderer humanitärer
Grund verlangt, etwa eine langjährige Trennung.
## Gefahr, in Kriegsverbrechen gezogen zu werden
Der Syrer klagte deshalb beim Verwaltungsgericht (VG) Hannover gegen die
Ablehnung seines Asylantrags. Das VG legte das Verfahren dann dem EuGH vor.
Denn bisher war die Rechtsprechung in Deutschland gespalten. Eine Hälfte
der Obergerichte sprach syrischen Kriegsdienstverweigerern Asyl zu, die
andere Hälfte verweigerte dies.
Der EuGH verwies nun auf die EU-Asylanerkennungs-Richtlinie, die einen
Asylanspruch für Kriegsdienstverweigerer vorsieht, wenn diese sonst an
Kriegsverbrechen teilnehmen müssten. Im Fall der syrischen Armee seien
[2][Kriegsverbrechen gut dokumentiert]. Die Gefahr, dass Wehrpflichtige
sich daran beteiligen müssen, sei also real.
Es bestehe auch eine „starke Vermutung“, so der EuGH, dass die Flucht vor
dem Militärdienst mit der Weigerung, an Kriegsverbrechen teilzunehmen, zu
tun hat. In Staaten wie Syrien, wo Kriegsdienstverweigerung illegal ist,
könne von den Betroffenen nicht verlangt werden, dass sie ihre Weigerung
gegenüber den dortigen Behörden ausdrücklich zu Protokoll geben. Für einen
Asylanspruch spreche zudem, dass die syrischen Behörden, die Flucht vor dem
Militärdienst als einen „Akt politischer Opposition“ verstehen.
Das Urteil ist von großer praktischer Relevanz, weil viele syrische Männer,
die vor ihrer Flucht nicht politisch aktiv waren, argumentierten, sie
würden nach ihrer Rückkehr als Fahnenflüchtige politisch verfolgt.
Rechtskräftig abgeschlossene Asylverfahren können nun allerdings nicht neu
aufgerollt werden. Das EuGH-Urteil kommt nur denen zugute, die erstmals
Anträge stellen oder deren Verfahren noch nicht abgeschlossen war.
Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt freute sich über das Urteil,
fordert nun aber eine politische Lösung für die Altfälle. Es dürfte um
zehntausende Männer gehen. Auch diese sollen den vollen Asylstatus
erhalten, so Burkhardt. Der Pro Asyl-Rechtshilfefonds hatte den Kläger
unterstützt. Az.: C-238/19
19 Nov 2020
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Syrien/!t5007613
[2] /Gastkommentar-Chemiewaffen-in-Syrien/!5533476
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
EuGH
Asylpolitik
Wehrdienst
Asylrecht
Atomausstieg
Schwerpunkt Brexit
Flüchtlinge
## ARTIKEL ZUM THEMA
Streit um Bürgschaften für Syrer*innen: Hamburg stellt sich stur
In vielen Bundesländern sehen die Behörden davon ab, Geld von Bürger*innen
zu fordern, die für Syrer*innen bürgten. Hamburg hingegen hält daran fest.
Gerichtsurteil zu Atomentschädigung: Atomausstieg immer teurer
Das Verfassungsgericht hat festgestellt, dass Vattenfall beim Atomausstieg
schlecht behandelt wurde. Der Konzern sollte nun andere Prozesse beenden.
Änderung des EU-Freizügigkeitsgesetzes: Sozialbehörden dürfen weiter helfen
Die Bundesregierung wollte Hartz-IV für schutzbedürftige EU-BürgerInnen an
die Zustimmung der Ausländerbehörde knüpfen. Der Bundestag lehnt das ab.
NGO moniert Hartz IV für Flüchtlinge: Verfassungswidrig niedrig?
Flüchtlinge bekommen weniger Geld als Bezieher von Arbeitslosengeld II.
Dabei markiert Hartz IV doch offiziell bereits das Existenzminimum.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.