# taz.de -- Rechter Kandidat für Ärzteparlament: Einspruch abgelehnt | |
> Steffen Grüner postet rechte Botschaften in sozialen Medien. Jetzt steht | |
> der Arzt für die Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen zur | |
> Wahl. | |
Bild: Sollte alle Menschen gleich behandeln: Arzt | |
Osnabrück taz | Steffen Grüner ist ein Mann mit großen Ambitionen. | |
Aktuelles Ziel des Allgemeinmediziners, der seit Mai 2020 Leiter der | |
Osnabrücker Bezirksstelle der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) ist, ist der | |
Einzug in die Kammerversammlung der ÄKN, das Hannoveraner Ärzteparlament – | |
doch daran gibt es große Kritik. Grüner fiel in der Vergangenheit häufig | |
mit rechten Parolen auf. | |
Auf Twitter stellt er muslimische Männer als generell gewalttätig dar, | |
spricht von „Linksfaschismus“, hetzt gegen Migranten. So postete er zum | |
Beispiel ein Vorher-Nachher-Bild eines muslimischen Pärchens. Vorher sagt | |
sie lächelnd und unversehrt: „Ich war zu Beginn gegen das Kopftuch.“ | |
Nachher: „Aber mein Mann hat mich doch überzeugt.“ Auf dem Nachher-Bild hat | |
sie neben dem Kopftuch ein blaues Auge und ausgeschlagene Zähne. | |
Grüner kandidiert im Wahlbezirk Osnabrück/Aurich, auf Wahlliste 11, Motto: | |
„Arzt sein verbindet“. Die Wahl läuft noch bis zum 14. Dezember. Würde | |
Grüner gewählt, hätte er Einfluss auf die Ausschüsse, auf das Präsidium. | |
Das wollen einige seiner Ärztekollegen nicht zulassen. Sie haben Einspruch | |
gegen Grüners Eintragung ins Wählerverzeichnis erhoben, sind damit aber | |
gescheitert. Unter den Gegnern der Kandidatur ist Uwe Lankenfeld, | |
Bezirksausschussvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen | |
(KVN). Bis heute weiß er nicht, warum der Einspruch erfolglos war: „Der | |
Wahlausschuss hat die vorgetragenen Argumente gar nicht geprüft.“ | |
Dabei sprechen für den KVN-Repräsentanten formale Gründe gegen Grüner: „I… | |
sehe da einen Interessenkonflikt.“ Grüner praktiziert hauptsächlich in | |
Westerkappeln, in Nordrhein-Westfalen, ist also auch Mitglied der | |
Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL). Das hatte schon bei seiner Wahl zum | |
Leiter der Osnabrücker Bezirksstelle der ÄKN für Zündstoff gesorgt, denn | |
die Kammersatzung besagt, dass den Bezirksstellen Kammermitglieder | |
angehören, „die ihren Beruf überwiegend in deren Verwaltungsbezirk | |
ausüben“. Lankenfeld hatte Grüners Wahl angefochten, mit Erfolg. Aber | |
Grüner klagt noch vor dem Verwaltungsgericht, und das hat aufschiebende | |
Wirkung. Seither schwebt das Verfahren und Grüner ist somit vorerst Leiter | |
der Bezirksstelle. | |
In dieser Funktion mochte sich Grüner auch von Siegfried Sonneck nicht | |
offiziell distanzieren [1][(taz berichtete)] – ungeachtet des | |
Imageschadens, den das für die ÄKN bedeutet. Sonneck ist Mitglied der | |
Osnabrücker Bezirksstelle der ÄKN und es läuft derzeit ein Verfahren wegen | |
islamfeindlicher Volksverhetzung gegen ihn. Arzt sein verbindet? Hier | |
sicher nicht. Oder eben doch, unter Gleichgesinnten. | |
Filiz Polat, Bundestagsabgeordnete aus Bramsche bei Osnabrück, zeigt sich | |
fassungslos angesichts der Tatsache, dass jemand, „der das Manifest des | |
Hanau-Attentäters in den sozialen Medien verbreitet und die Verwendung der | |
Reichsflagge verharmlost“, Akzeptanz oder gar Zuspruch findet. „Ich bin | |
sehr irritiert, dass so was in der Ärzteschaft unwidersprochen bleibt“, | |
sagt Polat. Sie frage sich, ob diese Vorgänge bekannt seien. „Denn dann | |
würde ich eine klare öffentliche Distanzierung erwarten. Doch mit der Wahl | |
in verschiedene Vertretungsgremien findet das Gegenteil statt.“ | |
Der ÄKN in Hannover sind Grüners rechte Postings allerdings bekannt. Das | |
bestätigte die Organisation gegenüber der taz. „Dass hier keine | |
Distanzierung kommt“, sagt Polat, ist wirklich befremdlich“. | |
Von der taz gefragt, warum Grüner trotz seiner Äußerungen für die | |
Kammerversammlung kandidieren darf, beruft sich Thomas Spieker, | |
Pressesprecher der ÄKN Hannover, auf Formalia: Die Wählbarkeit richte sich | |
nach dem Niedersächsischen Heilkammergesetz. „Insoweit besteht hier für die | |
Ärztekammer Niedersachsen bzw. den Wahlleiter kein Raum, weitere bzw. | |
andere Kriterien aufzustellen.“ Gäbe es einen Richterspruch, der Grüner die | |
„Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden oder Rechte aus öffentlichen | |
Wahlen zu erlangen“ abspräche oder „eine berufsgerichtliche Entscheidung“ | |
vorläge, wäre er unwählbar. | |
Lankenfeld ist das zu wenig: „Untragbar“ seien Grüners rechte Äußerungen. | |
„Da müsste er eigentlich über seine Amtseignung nachdenken.“ Es gelte nun, | |
„wachsam“ zu bleiben. | |
„Ein solches Verhalten ist rufschädigend für die Kammer“, sagt auch der | |
Kinderarzt Gisbert Voigt, der bereits im Landesvorstand der ÄKN sitzt. | |
„Aber leider bringt es wenig, berufsrechtlich dagegen vorzugehen.“ Er kenne | |
weitere solcher Fälle und bisher habe es meist von den Berufsgerichten | |
geheißen: Recht auf freie Meinungsäußerung, sagt Voigt. „Ich bin da | |
ziemlich illusionslos.“ | |
4 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Harff-Peter Schönherr | |
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