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# taz.de -- Die US-Demokraten nach Trump: Normal verliert
> Viele in den USA und auf der Welt wünschen sich nach vier Jahren Trump
> eine Rückkehr zur „Normalität“. Das wäre ein Rezept zum Scheitern.
Bild: Normalität unter Joe Biden? Hier mit Kamala Haris und dem nominierten Na…
Robert Reich, der ehemalige Arbeitsminister der Regierung Bill Clintons,
schrieb kürzlich im britischen [1][Guardian], so verlockend es sei, in
Bezug auf das Coronavirus und auf Donald Trump auf die baldige Rückkehr zur
Normalität zu hoffen, so gefährlich sei das auch. Denn es sei ja gerade
diese Normalität gewesen, die beide hervorgebracht habe. Ein wichtiger
Gedanke.
Es ist nicht verwerflich, nach vier Jahren der permanenten Lügen, des
Rassismus, der psycho-politischen Vergiftung des Alltags und der
politischen Diskursmöglichkeiten direkt aus dem Weißen Haus „Normalität“,
ja sogar die von [2][Joe Biden] verkörperte Langweiligkeit, als große
Verheißung zu empfinden. Aber wer glaubt, Normalität könnte etwas heilen,
erklärt wider besseres Wissen Trump zum historischen Betriebsunfall.
Im Jahr 2016 hätte Trump vermutlich gegen so ziemlich alle demokratischen
Kandidat*innen verloren, nur nicht gegen Hillary Clinton – den Inbegriff
einer vom Washingtoner Politestablishment geführten „Normalität“. 2020,
gegen Joe „Normalität“ Biden, legte Trump noch einmal Millionen Stimmen zu.
Das Personaltableau, das [3][Biden] derzeit nach und nach der
Öffentlichkeit präsentiert, hat genau diesen Background: So divers es in
Hautfarbe, Geschlecht und persönlichem Hintergrund ist, so wenig innovativ
sind doch die politischen Ideen, für die sie alle stehen. Da versammeln
sich viele Jahrzehnte Washington. Man kann das Erfahrung nennen, und als
Gegenmodell zu Trumps geballter Inkompetenz überzeugt das auch. Als
Verheißung für eine Wähler*innenschaft, die lange vor Trump ihr Vertrauen
in die Politik verloren hat, aber eher nicht. Nicht nur, um den
progressiven Flügel in der eigenen Partei ruhig zu halten, muss Bidens
Präsidentschaft so viel mehr sein als „normal“.
Allerdings wird es extrem schwierig, überhaupt irgendetwas Bedeutsames
durchzusetzen, was über die reine Rücknahme etlicher von Trumps
Präsidialanordnungen hinausgeht. Denn um überhaupt wieder regieren zu
können, stehen umfassende Reparaturarbeiten dessen ins Haus, was Trump in
den letzten vier Jahren zerstört hat. Da geht es um die Funktionsfähigkeit
von Regierungsbehörden, deren Expertise und institutionelle
Beharrungsfähigkeit dem [4][Autokraten Trump] so sehr im Weg standen, dass
er ihnen die Finanzierung vorenthielt, Stellen nicht mehr besetzte, Leute
an die Spitze berief, die ihren eigenen Laden von oben in die
Handlungsunfähigkeit schubsten. Die Umweltbehörde EPA ist dabei nur das
herausragendste Beispiel. Wiederaufbauarbeit ist notwendig – aber sie ist
auch langweilig.
Überparteiliche Zusammenarbeit im Kongress ist ein Traum der Vergangenheit.
Überhaupt nur dann, wenn die Demokrat*innen am 5. Januar in Georgia beide
ausstehenden Senatsmandate gewinnen, hat Biden eine theoretische Chance,
mit der knappstmöglichen Senatsmehrheit Gesetze zu verabschieden. Aber
nicht einmal das gibt Gewissheit. Denn während die Republikaner*innen im
Kongress schon seit rund eineinhalb Jahrzehnten wie eine Wand
zusammenstehen – und sich unter Trumps Twitter-Knute fast niemand mehr
traute auszuscheren –, ist das politische Spektrum der Demokrat*innen viel
breiter aufgestellt. Es umfasst, auf europäische Verhältnisse übertragen,
praktisch alle nicht rechtspopulistischen Strömungen, von sozial- oder
christdemokratisch über liberal und grün bis links. Oder eben von Joe Biden
bis Alexandria Ocasio-Cortez.
Der parteiinterne Frieden in diesem Jahr hatte nur das Ziel, Trumps
Wiederwahl zu verhindern. Das hat funktioniert – es reicht aber nicht, um
ab Januar Politik zu gestalten.
Entgegen seinem Instinkt, „Heilung“ durch Versöhnung anzustreben, muss
Biden im Gegenteil recht brutale Führung zeigen. Dabei kann er aus der
Regierungszeit Obamas lernen: Der hatte so viel Zeit damit verschwendet,
auf Zusammenarbeit mit den Republikaner*innen zu hoffen, dass er etliche
seiner Versprechen von „Hope & Change“ nicht oder erst sehr spät angegangen
ist. Erst in den letzten Amtsjahren leitete er Veränderungen durch
Präsidialdekrete ein – ein Vorgehen, das unumgänglich ist, wenn der
Kongress blockiert und nicht reformfähig ist. Biden muss von Beginn an so
handeln, damit ein klares Profil gewinnen, genau dafür werben und eine
Mehrheit für sich gewinnen, die gestaltungswillig und nicht nur Anti-Trump
ist.
## Skrupel helfen nicht weiter
Nur dann auch wird es dem neuen Präsidenten gelingen, dem widerwillig und
jammernd aus dem Weißen Haus scheidenden Trump die Oberhoheit über die
Nachrichten zu entreißen. Niemand weiß sicher, was Trump nach dem 20.
Januar tun wird – viele erwarten allerdings, dass er rund um Bidens
Amtseinführung seine erneute Kandidatur für 2024 erklärt, um seinem
kommunikativen Zugriff auf die republikanische Basis einen Rahmen zu geben.
Regiert Biden einfach nur „normal“, überlässt er Trump die Medienbühne. …
das ausgeht, konnte man 2016 beobachten.
Wenn „normal“ bedeutet, einen Moment des Durchschnaufens nach dem
auslaugenden Dauerirrsinn der vergangenen vier Jahre zu schaffen, dann sei
das so. Wenn „normal“ aber bedeutet, dass Demokrat*innen wieder in Angst
auf Trumps Truppen schauen, sich vor dem einsetzenden Trommelfeuer von
rechts fürchten und weder bei Klimapolitik noch Bildungsgerechtigkeit noch
Gesundheitspolitik noch Umverteilung noch der Bekämpfung des strukturellen
Rassismus vorangehen, dann schaffen sie sich selbst ab. Wenn sie von den
Republikaner*innen etwas lernen können, dann, dass Scheu und Skrupel nicht
weiterhelfen. Verlieren die Demokrat*innen Wahlen, diskutieren sie
monatelang, wann, wo und warum sie welche Wähler*innengruppen verloren
haben. Wenn Republikaner*innen verlieren, sind immer andere Schuld. Ja, das
ist unredlich, unehrlich und ohne Anstand. Aber erfolgreich.
3 Dec 2020
## LINKS
[1] https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/nov/29/beware-going-back-to-…
[2] /Biden-benennt-weiteres-Spitzenpersonal/!5732135
[3] /Kandidatin-fuer-US-Haushaltsbehoerde/!5728901
[4] /Donald-Trump-streitet-weiter-um-US-Wahl/!5732098
## AUTOREN
Bernd Pickert
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Schwerpunkt USA unter Donald Trump
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