# taz.de -- Feminismus und Geld: Mehr schenken in der Freundschaft | |
> Warum führen wir kein gemeinsames Konto mit der besten Freundin? | |
> Zusammenhalt kann Abhängigkeit von Staat und Patriarchat verkleinern. | |
Bild: Warum nicht über Geld reden? | |
Über Geld spricht man nicht. Zum Glück ist das, zumindest um mich herum, | |
vorbei. Ich spreche oft über Geld. Von Freund:innen weiß ich, wie viel sie | |
verdienen, und frage Bekannte, was sie für angemessene Honorare halten. Für | |
uns ist das selbstverständlich geworden, weil nur dieses Wissen uns davor | |
schützt, besonders als junge Frauen, als Menschen mit | |
Migrationsgeschichten, unfair bezahlt zu werden. | |
Manchmal sprechen wir auch darüber, was wir mit unserem Geld machen, was | |
wir uns gekauft haben oder wofür wir sparen. Und manchmal sagen wir uns, | |
dass gerade fast keines da ist. Nur über eines sprechen wir kaum: über Geld | |
in unseren Freundschaften. Wenn aus zwei Menschen ein Paar wird, dann merkt | |
man das daran, dass sie nun zusammen nach Hause gehen – und nur noch eine:r | |
für beide zahlt. Wir gehören zusammen! Fühlt sich schön an, mache ich auch. | |
Irgendwann habe ich mich aber gefragt: Warum schmeiße ich fast nie für eine | |
Freundin mit? Wir gehören ja auch zusammen! Warum eröffnet man mit seinem | |
Liebespartner ein Konto, aber nicht mit seiner besten Freundin? | |
Ich bin es nicht gewohnt, zusammen Cappuccino zu trinken, und dann zahlt | |
jeder 3,20. Aber was wir machen, heißt: Ich zahle heute, du nächstes Mal. | |
Ist eigentlich auch nur: Jede:r zahlt für sich. Wie viel schöner wäre es, | |
wenn wir auch in Freundschaften mehr teilen? Wenn ich gerade mehr verdiene, | |
klar, lade ich dich ein. | |
Und sagen zu können: Ich bin gerade eher pleite, aber ich würde trotzdem | |
mit ins Theater. Kannst du das übernehmen? „Geben stärkt Gemeinschaft“, | |
schreibt [1][bell hooks] in ihrem wirklich besonderen Buch „all about | |
love“. Etwas für jemand anderen herzugeben, beschreibt sie als eine | |
Dimension von Liebe, die einen auch selbst erfüllt. Aber es ist nicht nur | |
das: Es ist auch eine Frage von Macht – und dieser etwas entgegensetzen zu | |
können. | |
## Kapitalismus und Patriarchat greifen zusammen | |
bell hooks beschreibt, wie Großfamilien an Bedeutung verloren. | |
„Kapitalismus und Patriarchat haben als Unterdrückungsstrukturen über die | |
Zeit zusammengearbeitet, um diese größere Einheit zu untergraben und zu | |
zerstören“, schreibt sie. Erst so seien Kleinfamilien zur primären | |
Organisationsform geworden, oft beherrscht und deshalb abhängig vom Vater. | |
„Diese Abhängigkeit wurde, und ist, der Nährboden für Machtmissbrauch“, | |
schreibt hooks. | |
Großfamilien oder Menschen ohne Blutsverwandtschaft, die sich unterstützen, | |
auch finanziell, können Abhängigkeiten verkleinern: von Männern, aber auch | |
[2][von Banken und vom Staat, von Eltern und Herkunftsverhältnissen]. Warum | |
schmeißen wir nicht als Freund:innen zusammen, damit sich eine von uns ein | |
neues Fahrrad kauft, das Startkapital für einen Kredit für ihr Business | |
zusammenhat oder ein Buch schreiben kann, ohne nebenbei arbeiten zu müssen? | |
An vielen Orten der Welt ist es normal, sich unter Verwandten Geld zu | |
borgen und zu schenken. Wir können auch als Freund:innen davon lernen. | |
30 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Susan Djahangard | |
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