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# taz.de -- Debatte über Coronaprovokateure: Die große AfD-Opfershow
> Union, SPD, FDP, Grüne und Linkspartei attackieren die AfD, weil sie
> Querdenker in den Bundestag schleuste. Die AfD sieht das aber ganz
> anders.
Bild: Die AfD während der Bundestagsdebatte zum Infektionsschutzgesetz am Mitt…
Berlin taz | Michael Grosse-Brömer hält der AfD vor, „das Ansehen des
Parlaments in den Dreck zu ziehen“ und „als Kulisse für ihre Videoclips zu
missbrauchen“. Der CDU-Mann ist ein eher moderater Redner. Doch am
Freitagmorgen redet er sich so in Rage, dass ihm Bundestagspräsident
Wolfgang Schäuble kurz nach neun einfach das Mikro abdreht. Grosse-Brömer
hat seine Redezeit überzogen.
Mehrere AfD-Abgeordnete hatten [1][am Mittwoch Querdenker-Aktivisten in den
Bundestag geschleust], wo sie Abgeordnete bedrängten. Marko Buschmann (FDP)
attestiert der AfD, sie „erzeuge ein Klima der Bedrohung“ und wolle
demokratische Institutionen „in den Schmutz ziehen, weil sie sie hassen“.
Die Demokratie sei aber stärker als dieser Hass. Stefan Müller (CSU)
bezeichnet die Rechtspopulisten als „Feinde der Demokratie“, die sich mit
dem Versuch, den Bundestag einzuschüchtern, „offiziell aus dem
parlamentarischen Diskurs“ verschiedet haben.
Petra Pau (Linkspartei) kritisierte scharf, wie auch Redner von Union und
SPD, dass die AfD das Infektionsschutzgesetz als „Ermächtigungsgesetz“
bezeichnet und mit Hitlers Machtergreifung 1933 gleichgesetzt habe. Bernd
Baumann, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD, rief Pau zu: „Das haben
wir nicht gesagt.“ Das zeigt das flexible Verhältnis der AfD zur Wahrheit.
Am 8. Oktober hatte AfD-Mann Martin Sichert im Bundestag gesagt, bald gebe
„es keinerlei Unterschied mehr zwischen einer epidemischen Notlage
nationaler Tragweite und Hitlers Ermächtigungsgesetz von 1933“.
## Der Bruchpunkt
Es kommt im Bundestag selten vor, dass die Beiträge von Union, FDP, SPD,
Grünen und Linkspartei fast wortgleich klingen. Auch dass die Linksfraktion
CSU-Rednern applaudiert, ist nicht alltäglich. Aber diese Aktuelle Stunde
ist nicht alltäglich. Sie markiert einen Bruchpunkt. Denn die AfD, so
CDU-Mann Patrick Schnieder, habe „die orchestrierte Aktion“ am Mittwoch
bewusst unterstützt.
Und die AfD? Alexander Gauland entschuldigte sich für das „unzivilisierte“
Benehmen der Gäste der AfD-Abgeordneten. Man hätte leider „nicht damit
rechnen können“, dass so etwas passiert. Die Aktivisten seien ja auch in
das Büro von AfD-Abgeordneten eingedrungen. Gauland erinnerte daran, dass
auch Klimaaktivisten schon unbefugt im Bundestag für ihre Ziele warben –
dass diese keine Parlamentarier vor einer Abstimmung bedrängten, lässt er
weg. Zudem habe die Polizei vor dem Bundestag den AfD-Abgeordneten Karsten
Hilse zu Boden geworfen. Folgt man Gauland, einem geschickten Rhetoriker,
ist somit die AfD das Opfer der Affäre. Diese Verdrehung ist typisch für
die AfD, die regelmäßig auf Provokationen halbe Entschuldigungen folgen
lässt.
Karsten Hilse trat als zweiter AfD-Redner ans Pult, mit einem Schal als
notdürftige Mundbedeckung. Er bezeichnete das Infektionsschutzgesetz als
Ermächtigungsgesetz, damit sei aber nicht 1933, sondern eine Praxis in der
Weimarer Republik gemeint. „Schämen Sie sich“, rief er jenen zu, die für
das Gesetz gestimmt hatten. Die [2][Polizei sei mit „Wasserwerfern gegen
friedliche Demonstranten“] vorgegangen und „Erfüllungsgehilfe der
Bundesregierung“. Die „Hetzpropaganda der Regierung“ habe auch die Polizei
aufgewiegelt.
Das ist die Doppelgesichtigkeit der AfD: Gauland entschuldigt sich pro
forma und stilisiert die AfD zum Opfer. Hilse adressiert mit Keywords wie
„Ermächtigungsgesetz“ und „Hetzpropaganda“ das rechtsextreme Fußvolk.
Die AfD hat sich zum parlamentarischen Arm von Rechtsradikalen und
Querdenkern gemacht. Neu ist vor allem, dass dies im Bundestag für alle
sichtbar geworden ist. CDU-Mann Schieder fordert, künftig die gesamte AfD
vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen.
20 Nov 2020
## LINKS
[1] /Coronaprovokateure-im-Bundestag/!5730087
[2] /Proteste-gegen-Corona-Schutzmassnahmen/!5725575
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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