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# taz.de -- Geberkonferenz für Afghanistan: Weniger Hilfe trotz Corona
> Kabul erhält wieder hohe Hilfszusagen, doch sind sie auch wegen
> mangelnder Korruptionsbekämpfung niedriger als in den letzten Jahren.
Bild: Gruppenbild vor der Geberkonferenz für Afghanistan (l.-r.) Haavisto, Lyo…
Berlin taz | Die internationale Entwicklungshilfe für Afghanistan wird in
den nächsten vier Jahren deutlich hinter den Bedürfnissen des Landes
zurückbleiben. Zwar belaufen sich die Gesamtzusagen der 66 teilnehmenden
Staaten und 32 internationaler Organisationen wie UNO und Weltbank auf der
zweitägigen Geberkonferenz in Genf, die am Dienstag zu Ende ging, auf 13
Milliarden US-Dollar. Das teilte das Medienbüro des afghanischen
Finanzministeriums am späten Nachmittag mit. Sie steckt den Rahmen für ein
vierjähriges Entwicklungsprogramm ab und fand wegen der Coronapandemie nur
virtuell statt. Klar war aber, dass der wegen Corona laut
UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) um 30 Prozent gestiegene Bedarf nicht
gedeckt würde.
Laut UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi stieg wegen der Pandemie die
Zahl der auf humanitäre Hilfe angewiesenen Afghan*innen von 9 auf 14
Millionen, knapp die Hälfte der Bevölkerung. Institutionen von der Weltbank
bis zum Biruni-Institut in Kabul erwarten für 2020 einen
Wirtschaftseinbruch von 5 bis 10 Prozent.
Weltbank und Kabuler Regierung gehen davon aus, dass die Armutsquote von
54,5 auf 61 bis 72 Prozent steigen wird. Die UNO setzte diese Quote sogar
schon vor Corona mit über 80 Prozent an. Das UNDP erwartet, dass
Afghanistans Wirtschaft, eine der schwächsten der Welt, erst in vier Jahren
wieder ihren Vor-Corona-Stand erreicht.
Präsident Ashraf Ghani, der 2016 angekündigt hatte, sein Land werde bis
2024 weitgehend autark sein, gab jetzt zu, dass sein Land noch „auf Jahre“
von ausländischen Zuwendungen abhängig sein werde. Sie finanzieren derzeit
75 Prozent der Staatsausgaben.
## US-Institut sieht „Entwicklungserrungenschaften in Gefahr“
Vor der Konferenz war erwartet worden, dass wichtige Geberländer ihre
Mittel für Afghanistan zum Teil deutlich kürzen und die Gesamtzusagen im
Vergleich zur Vorgängerkonferenz 2016 in Brüssel um ein Fünftel sinken
könnten. Damals waren 15,2 Milliarden US-Dollar zusammengekommen, davon 3,2
Milliarden aus den USA. Die höheren direkten Kriegsausgaben werden hier
nicht eingerechnet.
Bei den USA, die gegenwärtig [1][die meisten ihrer Truppen abziehen], wurde
sogar eine Halbierung befürchtet. Sollten die Zusagen von 2016 deutlich
unterschritten werden, „wären der afghanische Staat und seine
Entwicklungserrungenschaften in Gefahr“, schreibt das US-Institute for
Peace (USIP) in Washington.
Während Großbritannien mit 127 Millionen Pfund fast 10 Prozent weniger als
2016 bis 2020 zusagte, halten die Europäische Union und Deutschland als
zweitgrößter bilateraler Geber mit 1,2 und 1,72 Milliarden Euro ihr
Zuwendungsniveau. Das soll signalisieren, dass man nach einem etwaigen
Friedensschluss mit den Taliban das Land nicht sich selbst überlassen
wolle.
## Den Taliban wird mit Kürzung der Hilfe an das Land gedroht
Das Bekenntnis zur Wahrung eines demokratischen politischen Systems und von
Bürger- und Menschenrechten im sogenannten „Partnerschaftsrahmen“, einem
Hauptdokument der Konferenz, signalisiert auch an die [2][Aufständischen],
dass man eine Schwächung dieser Faktoren mit Hilfskürzungen beantworten
könne.
Eine Einladung der [3][Taliban] zur Konferenz war am Einspruch Ghanis
gescheitert. Sie hatten in ihrem Abkommen mit den USA vom Februar weitere
Hilfe erbeten.
Die Hilfen sollen künftig aber stärker konditionalisiert, also von ihrer
effizienteren Verwendung durch die Regierung in Kabul, vor allem der
Bekämpfung der Korruption, abhängig gemacht werden. Das soll nun in jedem
Jahr und nicht mehr nur alle vier Jahre überprüft werden. Ghani hatte kurz
vor der Konferenz öffentlichkeitswirksam eine neue Unabhängige
Anti-Korruptions-Kommission gebildet.
## Kabuls bisherige Korruptionsbekämpfung ist „zahnlos“
Dies stieß jedoch auf verbreitete Skepsis. Angesichts von fast einem
Dutzend weiterer Institutionen mit der gleichen Aufgabe hält zum Beispiel
Muska Dastageer, Dozentin an der American University in Kabul, diesen
Schritt für „zahnlos“.
Zuvor warf sogar Scott Guggenheim, Ghanis früherer Chefberater, diesem vor,
seine Anti-Korruptions-Strategie nach den umstrittenen Präsidentenwahlen
2016 und 2019 politischen Deals geopfert zu haben, um seine Macht zu
sichern. Sein Programm beruhe auf „Reden ohne Aktion“ und einer
„dysfunktionalen Bürokratie“.
Laut Umfrage der Kabuler Organisation Integrity Watch zahlten die
Afghan*innen allein im Jahr 2018 insgesamt 1,6 Milliarden Dollar an
Bestechungsgeldern.
24 Nov 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Thomas Ruttig
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