# taz.de -- Protest nach Räumung: Zurück im ganz großen Wohnzimmer | |
> Die geräumten, überwiegend obdachlosen Kurzzeitbesetzer eines Hauses in | |
> Mitte fordern bei einem öffentlichen Mittagessen Unterbringung in | |
> Coronazeiten. | |
Bild: Von der Polizei nicht einbezogen: Stephan von Dassel (Grüne), Bezirksbü… | |
BERLIN taz | „Gerade geräumt – Zurück im größten Wohnzimmer der Welt“… | |
diesem ironischen Hinweis hatte das Bündnis „Leerstand hab ich saath“ am | |
Donnerstagmittag zu einer Kundgebung und einem Mittagessen vor das Rathaus | |
Tiergarten eingeladen. Unter den etwa 80 TeilnehmerInnen waren zahlreiche | |
Obdachlose, die am vergangenen Donnerstag mehrere Wohnungen in der | |
Habersaathstraße 46 in Mitte besetzt hatten und nach wenigen Stunden | |
geräumt wurden (taz berichtete). Sie hatten mit der Besetzung die Hoffnung | |
auf ein selbstbestimmtes Leben verbunden. | |
„Ich möchte eine Wohnung, weil ich nicht will, dass ständig meine Sachen | |
geklaut werden“, sagte eine Frau. Wie die anderen BesetzerInnen beklagt | |
sie, dass die Polizei nach der Räumung die Schlafsäcke der BesetzerInnen | |
beschlagnahmte und fordert die sofortige Herausgabe. Auch einer der noch | |
verbliebenen Mieter der Habersaathstraße 46 solidarisiert sich auf der | |
Kundgebung am Donnerstag mit den BesetzerInnen. | |
Der Mitbegründer der Nachbarschaftsinitiative Habersaathstraße, die gegen | |
den spekulativen Leerstand in dem Gebäudekomplex kämpft, verwies auf die | |
Verantwortung der Politik. 2006 wurde das ehemalige Schwesternwohnheim der | |
Charité vom Berliner Senat privatisiert. 2017 wurde es an die Arcadia | |
Estates GmbH weiterverkauft, hinter dem Andreas Piechotta steht. Seitdem | |
sei der 1983 errichtete Gebäudekomplex mit 106 gut erhaltenen Wohnungen | |
systematisch entmietet worden, kritisiert der Mieter. Er unterstützt die | |
Forderungen der BesetzerInnen nach Beschlagnahme des Wohnraums nach dem | |
Gesetz zur Öffentlichen Sicherheit und Ordnung (ASOG). Schließlich sei es | |
unzumutbar für Obdachlose, in der kalten Jahreszeit unter Coronabedingungen | |
im Freien zu übernachten, während gleichzeitig Wohnraum leer stehe. | |
Die Initiative „Leerstand hab ich saath“ verwies auf einen Beschluss der | |
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte, der eine Rekommunalisierung des | |
Gebäudekomplex in der Habersaathstraße fordert. Mehrere RednerInnen | |
monierten, dass es trotz der Verhandlungen mit dem Bürgermeister von Mitte, | |
Stephan von Dassel (GRÜNE), zur Räumung kam. Gegenüber der taz betont von | |
Dassel, nicht in die Entscheidung der Polizei zur Räumung einbezogen | |
gewesen zu sein. Das Bezirksamt versuche, eine schnelle Wiedervermietung | |
der Wohnungen zu erreichen. Die Entschließung der BVV zur | |
Rekommunalisierung richte sich anders als ein Ersuchen nicht an das | |
Bezirksamt, das deshalb aus formalen Gründen für die Umsetzung nicht | |
zuständig sei, erklärt der Bürgermeister. | |
Einer Beschlagnahme der Wohnungen kann von Dassel politisch viel | |
abgewinnen, verweist gegenüber der taz aber auf rechtliche Probleme: „Auf | |
Basis des ASOG sind Beschlagnahmungen von Wohnraum nur zulässig, wenn die | |
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, die Obdachlosigkeit darstellt, | |
nicht durch eine andere Maßnahme abgestellt werden kann.“ Dazu zählen die | |
von vielen Wohnungslose abgelehnten Gemeinschaftsunterkünfte. | |
5 Nov 2020 | |
## AUTOREN | |
Peter Nowak | |
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