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# taz.de -- Trumps Geschäfte: Der oberste Plutokrat
> Seit 2016 recherchiere ich Geschäften und Kontakten von US-Präsident
> Donald Trump hinterher. Jetzt brauche ich eine neue Obsession.
Bild: Ein Mann mit Trump-Maske vor dem Trump Tower in New York
Bald ist es vorbei. Spätestens am 20. Januar 2021 werde ich mir eine neue
Obsession suchen müssen. Es wird sich schon was finden, unsere Epoche
bietet einiges an verwirrenden Entwicklungen und beängstigenden
Bedrohungen. Doch aller Wahrscheinlichkeit nach wird meine Existenz am
Tropf der täglichen Nachrichten nicht so sehr auf eine Person fixiert sein,
wie dies in den letzten vier Jahren der Fall war, sondern eher thematisch
fokussiert. Höchste Zeit also, die Ära Trump Revue passieren zu lassen.
Als Mensch war [1][Donald Trump] von Anfang an völlig uninteressant, als
Chiffre und Sinnbild hingegen von faszinierender Bedeutung. Meine Obsession
begann an einem extrem kalten Januartag 2016. Als Wahrnehmung eines
medialen Zirkus. Inmitten der Manege, alle Scheinwerfer auf ihn gerichtet
und jede seiner Aussagen von Trommelwirbel untermalt, stand der Clown, der
seine bösartige Verachtung über alles ergoss, was seiner egozentrischen
Weltsicht nicht ins Konzept passte.
Schon früh war offensichtlich, dass dieser Digitalhofnarr eine
hypnotisierende Wirkung auf die Medienwelt hatte. Schon wenige Wochen
später hatte er die angeblich stärkste Riege von Kandidaten und einer
Kandidatin aller Zeiten als Vertreter eines maroden Systems hinter sich
gelassen und wurde zum Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen
Partei gekrönt. So endete der erste Akt dieser Tragikomödie und ich stand
völlig in ihrem Bann.
Das Frühjahr verbrachte ich als Gastprofessor an dem renommierten Dartmouth
College in New Hampshire. Es verfügt über eine außergewöhnliche Bibliothek,
zudem kann man so gut wie jede existierende Publikation von einer der
anderen Ivy-League-Universitäten bestellen. Ich nutzte die Gelegenheit und
begann über diesen Mann zu recherchieren, der mir bis dahin nur als Bild
geläufig war. Es dauerte nicht lange und ich hatte erstaunlich viel
zusammengetragen über die wirtschaftlichen und finanziellen Verflechtungen,
die sein korruptes Wirken ausgemacht haben. Besonders auffällig: die engen,
jahrzehntelangen Verbindungen zu russischen Oligarchen und Mafiosi, die ihr
Geld mit seiner Hilfe wuschen; da besaß er noch Casinos in Atlantic City
und schon Gespür für große Auftritte.
Seine halbseidenen, pseudolegalen Geschäfte waren kein großes Geheimnis,
mit ein wenig Aufwand und etwas Zeit konnte man genug über ihn
herausfinden, um zu wissen, dass er „bad news“ war. Aber offenbar nicht
„schlechte Presse“, denn die Medien stürzten sich auf ihn und
skandalisierten seine Sprüche, ohne sein bisheriges Verhalten als
Geschäftsmann ausreichend zu thematisieren. So wurde er geradezu zur
Karikatur des hässlichen alten weißen Mannes, aber nicht zum Symbol der
plutokratischen Durchherrschung der Gesellschaft. Offensichtlich steht
derart viel Information zur Verfügung, dass wir das Wesentliche zugunsten
des Aktuellen aus den Augen verlieren.
Wäre er nicht zum Präsidenten gewählt worden, ich hätte mein Interesse
wieder verloren. Stattdessen verbrachte ich täglich mehrere Stunden im
Netz, recherchierte weiter und schrieb schließlich einen Roman über
„Schiefer Turm“ und dessen schmutzige Hände („Doppelte Spur“). Der Man…
Weißen Haus beging derweil einen Tabubruch nach dem anderen, zwischendurch
sorgte er aber für eine Steuerreform, die den Konzernen und den
Ultrareichen ins Portfolio spielte. Er zerbrach so viel Porzellan, dass er
manchen als Abrissbirne der Demokratie erschien.
Das täuschte. Trump war vielmehr der vorläufige Endpunkt einer
Konzentration von Geld und Macht, die man gemeinhin Plutokratie nennt,
salopp übersetzt: die „Herrschaft der Börse“. Wie die Journalistin Jane
Meyer in ihrem großartigen Buch „Dark Money: The Hidden History of the
Billionaires Behind the Rise of the Radical Right“ (leider noch nicht ins
Deutsche übersetzt) anhand der [2][Gebrüder Koch] beschreibt, führen
Milliardäre in den USA seit Längerem einen Krieg gegen jede demokratische
Kontrolle der Wirtschaft, gegen ökologische Regulierung, gegen soziale
Maßnahmen. Und sie sind enorm erfolgreich, in der Politik, in der Bildung,
in der Mondlandschaft der Medien. Manche dieser Ultrareichen haben Trump
schon früh unterstützt, die meisten anderen legten sich für ihn ins goldene
Gewicht, nachdem er die Kandidatur gewonnen hatte. Und die russischen
Oligarchen, die halfen auch, wie eh und je.
## Für sich das Beste rausholen
Insofern irrte die konventionelle Weisheit, die davon ausging, dass Trump
eine funktionierende Demokratie bedroht. Eher hat er aufgezeigt, wie sehr
plutokratische Strukturen an die Stelle von Teilnahme und Mitbestimmung
getreten sind. Was wiederum erklärt, wieso so viele Menschen für ihn
gestimmt haben. Wären die meisten Wählerinnen und Wähler überzeugte
Anhänger einer florierenden Demokratie, sie würden nicht für jemanden
stimmen, der so offensichtlich selbstherrlich, menschenverachtend und
inkompetent ist wie Donald Trump. Wenn wir aber annehmen, dass nicht wenige
Menschen die existierenden Demokratiedefizite klar erkennen und die
Hoffnung aufgegeben haben, etwas grundsätzlich zum Besseren ändern zu
können, dann ergibt es Sinn, für sich das Beste aus einer misslichen Lage
rauszuholen. Trump war somit eine zynische, aber realistische Wahl.
Diese geringen Erwartungen hat er erfüllt. Denn die Unterstützung
plutokratischer Interessen durch Deregulierung und Subventionen wirft auch
Arbeitsplätze ab, vor allem im [3][Öl- und Gassektor] und in den Branchen,
die diesen versorgen. So wurden 2019 1,7 Millionen Arbeitsplätze
geschaffen. Wie teuer diese Arbeitsplätze längerfristig die Gesellschaft
kommen werden, spielt keine Rolle, denn „Ökologie“ ist die Erfindung linker
Spinner an Ostküstenuniversitäten. Dort also, wo ich genug über Trump
erfuhr, um zu wissen, dass er angetreten ist, um aus der herrschenden
Plutokratie eine Kakistokratie zu machen – die „Herrschaft der
Schlechtesten“.
18 Nov 2020
## LINKS
[1] /Artikel-mit-Trump/!s=Trump
[2] /US-Milliardaer-David-Koch-gestorben/!5620514
[3] /Klimaschutz-in-den-USA-unter-Biden/!5724141
## AUTOREN
Ilija Trojanow
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