# taz.de -- Ines Kappert über UN-Resolution für Frauenrechte: „Sie will Tei… | |
> 2000 hat die UN anerkannt, dass sexualisierte Gewalt gegen Frauen eine | |
> Kriegswaffe ist. Das reiche aber nicht, sagt Ines Kappert von der | |
> Böll-Stiftung. | |
Bild: Die jungen Frauen aus Liberia helfen sich gegenseitig, um ihre Gewalt-Erf… | |
taz: Frau Kappert, [1][die UN-Resolution 1325 gilt als Meilenstein der | |
internationalen Frauen- und Friedenspolitik]. Aber sexualisierte Gewalt | |
wird weltweit weiterhin als Kriegswaffe eingesetzt. Und die meisten | |
Friedensabkommen werden immer noch von Männern verhandelt. Bleibt die | |
Resolution ein bürokratisches Instrument ohne Wirkung? | |
Ines Kappert: Sie zeigt tatsächlich zu wenig Wirkung. Das liegt nicht an | |
der Resolution selbst, die klug gedacht und geschrieben wurde, sondern an | |
der mangelnden Umsetzung durch die Regierungen. Mit der Resolution wurde | |
erstmals sexualisierte Gewalt als systematisch eingesetzte Kriegswaffe | |
anerkannt. Man muss sich das vorstellen: Bis 2000, also noch zehn Jahre | |
nach dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien, gab es auf internationaler Ebene | |
keinen organisierten Diskurs zu sexualisierter Gewalt in Kriegen. | |
Was ist seitdem passiert? | |
Dank der Resolution können progressive Akteur:innen die Themen der | |
Resolution immer wieder auf die Agenda setzen und etwa Ministerien der | |
beteiligten Länder dazu aufrufen, ihre Arbeit gendergerecht zu gestalten. | |
Leider ist der institutionelle Widerstand auch in Deutschland gegen ein | |
Gender-Mainstreaming nach wie vor massiv. Hier ist in den letzten 20 Jahren | |
kaum etwas passiert. Frauen tauchen in der Außenpolitik und auch bei | |
Friedensverhandlungen fast nur als schmückendes Beiwerk oder Opfer auf. | |
Woran liegt das? | |
Zum einen an dem international erfolgreich geführten Kampf gegen | |
feministische Errungenschaften wie sexuelle Selbstbestimmung, das Recht, | |
Schwangerschaften zu beenden sowie den Schutz vor Gewalt. Russland und | |
China als ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat spielen hier eine | |
wichtige, negative Rolle. In Russland etwa wird häusliche Gewalt kaum noch | |
bestraft. Und mit Trump haben sich auch die USA auf deren Seite geschlagen. | |
Aber nur über die Großen zu schimpfen, ist zu einfach. | |
An wem liegt es sonst? | |
Auch im Auswärtigen Amt fehlt bislang ein systematischer Wissensaufbau zu | |
Gender und den Ursachen von sexualisierter Kriegsgewalt. Da werden kaum | |
Ressourcen reingesteckt. Es gibt einzelne engagierte Mitarbeitende, aber | |
sie kriegen zu wenig Unterstützung. Außenpolitik ist Männersache, gemacht | |
für und von Männern, die sich mit patriarchaler Gewalt nicht beschäftigen | |
wollen. | |
Das Auswärtige Amt hat doch die Umsetzung der Resolution zu einem | |
Schwerpunkt während der derzeitigen [2][zweijährigen Mitgliedschaft | |
Deutschlands im Sicherheitsrat] erklärt. | |
Das widerspricht sich, ja. Die Bundesregierung hat sich aber leider noch | |
nie mit Ruhm bekleckert, was die Resolution 1325 angeht. Erst elf Jahre | |
nach der Verabschiedung haben sie einen Nationalen Aktionsplan vorgelegt, | |
der beschreibt, wie die Resolution mit Leben gefüllt werden soll – und auch | |
das nur auf Druck der Zivilgesellschaft. Wir haben uns deshalb über Heiko | |
Maas’ Entscheidung sehr gefreut, den temporären Sitz im Sicherheitsrat zu | |
nutzen, um das Thema zu pushen. Nur leider ist bislang nicht viel Gutes | |
passiert. | |
Was ist mit der von ihm eingebrachten [3][Folgeresolution zum Schutz von | |
Frauen]? | |
Die war ein Rückschritt. Die Bundesregierung hat sich völlig verschätzt, | |
was sie durchbringen kann. Nach der Wahl von Trump war klar, dass die USA | |
ihre Agenda ändern und reproduktive Rechte attackieren würden. Zusammen mit | |
Russland und China können sie alles blockieren. In einer solchen Situation | |
ist es ein politischer Fehler, eine progressive Resolution einzubringen. | |
Die USA haben zum Beispiel dafür gesorgt, dass der Zugang zu | |
Schwangerschaftsabbruch nach Vergewaltigung – ein grundlegender Baustein | |
der Resolution 1325 – gestrichen wurde. | |
Kann das aufgefangen werden? | |
Das ist die große Frage. Es ist unklar, ob das heißt, dass ein Abbruch nach | |
Vergewaltigung jetzt insgesamt illegalisiert wird. Wir haben die | |
Bundesregierung dazu aufgerufen, zu betonen, dass die Vorgängerresolutionen | |
weiterhin gelten. Dann hätte man die reproduktive Gesundheit doch noch | |
gerettet. Damit aber würde die Bundesregierung ihr eigenes Scheitern | |
anerkennen, weshalb sie das bisher nicht getan hat. | |
Was hätte Maas stattdessen tun sollen? | |
Er sollte vor der eigenen Haustür kehren und die Voraussetzung für eine | |
politisch kohärente geschlechtergerechte Politik schaffen. Aber das ist | |
natürlich mühsamer als ein medienwirksamer Fototermin mit Angelina Jolie. | |
Dabei möchte ich betonen: Maas ist so empfänglich für die Relevanz von | |
Geschlechterpolitik wie kein deutscher Außenminister vor ihm. Wir | |
kritisieren ihn, aber wir sehen trotzdem eine relative Bewegung und sind | |
gespannt auf den neuen Nationalen Aktionsplan, der noch dieses Jahr | |
vorliegen soll. Auch bemüht sich das Auswärtige Amt sichtlich darum, mehr | |
Frauen und sogar Feministinnen in die Gremien und auf die internationale | |
Bühne zu bringen. | |
Sind das nicht sehr kleine Fortschritte? | |
Ich finde diese Hintergrundarbeit wichtig. Im Sicherheitsrat und überhaupt | |
in der Außenpolitik gibt es kein anerkanntes Wissen um Diskriminierung von | |
Menschen, die nicht als der dominanten männlichen Kultur zugehörig gelesen | |
werden. Solche Auftritte bringen eine andere Expertise ein. Schweden ist da | |
das große Vorbild. | |
Inwiefern? | |
Die haben innerhalb eines globalen patriarchalen Systems auf einer | |
feministischen Außenpolitik beharrt, die auf der Repräsentation von Frauen | |
und Mädchen, gleichen Rechten und dem gleichen Zugang zu Ressourcen beruht. | |
Das haben sie nicht hingekriegt, indem sie nur mit den Großen verhandelt, | |
sondern auch mit ganz vielen kleinen Partnern gesprochen haben. Sie haben | |
eine Allianz mit Spanien, Portugal und den nordischen Ländern aufgebaut und | |
so den Diskurs beeinflusst. Das würden wir uns auch von Heiko Maas | |
wünschen: Dass er nicht weiter die große Bühne will, sondern anerkennt, | |
dass der UN-Sicherheitsrat momentan keine Plattform ist, auf der | |
Frauenrechte nach vorn gebracht werden können. Dafür könnte er innerhalb | |
der EU Allianzen bilden. Zudem muss er die politische Kultur im Auswärtigen | |
Amt verändern. | |
Ihr Netzwerk kritisiert, dass die Resolution als Frauenförderinstrument | |
betrachtet wird. Was ist daran falsch? | |
Es gab schon vor zwanzig Jahren Kritik an dem Titel „Frauen, Frieden und | |
Sicherheit“. Wo ist die sexualisierte Gewalt an Kindern und Menschen, die | |
als männlich gelesen werden? Warum ist da nicht von Geschlechtern die Rede, | |
sondern von Frauen? Sexualisierte Kriegsgewalt betrifft längst nicht nur | |
Frauen. | |
Aber zu einem sehr großen Teil, weshalb Frauen doch auch benannt werden | |
sollten. | |
Wir müssen das verbinden. Aus feministischer Perspektive müssen wir | |
selbstverständlich an der Beschreibungs- und Analysekategorie Frau | |
festhalten. Trotzdem ist es wichtig, den Prozess der Vergeschlechtlichung | |
zu benennen, um die Strukturen verändern zu können. Ich will den Begriff | |
„Frau“ auf keinen Fall loswerden. Aber ich will ihn in Verbindung sehen mit | |
einer transformativen Geschlechterpolitik. | |
Was heißt das? | |
Es darf nicht so laufen, dass Männer erst die Waffenruhe unter sich | |
klarmachen, und wenn das geschafft ist, kann man sich auch irgendwann um | |
die vergewaltigten Mädchen und Frauen kümmern. Dass Frauen und Mädchen als | |
Opfer geschützt werden müssen, ist wichtig – aber es verkürzt den Gedanken | |
der Resolution. Man muss die patriarchalen Strukturen in den Blick nehmen. | |
Feminismus ist Arbeit an der Demokratie. | |
Geht denn die Resolution selbst über Frauenpolitik hinaus? | |
Ja. Deshalb wurde in diesem Zusammenhang das Konzept der menschlichen | |
Sicherheit geprägt. Die wird eben nicht erst dann hergestellt, wenn | |
Waffenruhe herrscht und Frauen als Opfer in den Blick geraten. | |
Sondern? | |
Sie entsteht zum Beispiel dann, wenn vergeschlechtlichte Gewalt | |
grundsätzlich nicht mehr stattfindet. Wenn eine Zivilgesellschaft gestärkt | |
ist, die diese überwinden kann. Wenn es ein Verständnis davon gibt, dass | |
Geschlecht nicht nur dann eine Rolle spielt, wenn es sexualisierte Gewalt | |
schon gegeben hat – sondern dass es ein strukturelles Umdenken braucht, | |
damit Krisenprävention möglich wird. Die Resolution fordert auf allen | |
Ebenen den Abbau von Diskriminierung. Auch deshalb muss sie gerade jetzt | |
hochgehalten werden. Die Resolution 1325 will nichts anderes als eine | |
Revolution: Teilhabe für alle. | |
31 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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