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# taz.de -- Einseitiger Kampf um Bergbauprojekte: Bewegungen unter EU-Beobachtu…
> Brüssel finanziert ein Forschungsprojekt zur Akzeptanz von
> Bergbauvorhaben. Tatsächlich dient es wohl dazu, Daten über
> ProtestlerInnen zu sammeln.
Bild: Die spanische Bergbauregion Asturias hat eine hohe Arbeitslosigkeit. Auch…
Madrid taz | Die Kommission der Europäischen Union stellt sich taub. Ein
vor Wochen eingereichtes Beschwerdeschreiben von 31 Bürgerinitiativen aus
Portugal, Spanien, Bosnien, Finnland, der Slowakei und Irland bleibt
bislang ebenso unbeantwortet wie ein Brief spanischer Vereinigungen gegen
Bergbau oder eine Anfrage der EU-Abgeordneten der spanischen Vereinigten
Linken.
Allen geht es um das Forschungsprojekt „Mining and Metallurgy Regions of
EU“ (Mireu). Dessen offizielle Aufgabe ist es, die gesellschaftliche
Akzeptanz von Bergbau und Metallverarbeitung in Europa zu untersuchen. Die
Ergebnisse sollen die Grundlage für künftige EU-Richtlinien bilden. Das
Projekt erhält 3 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt. Der Vorwurf nun: Mireu
sammle Daten über Proteste und ihre InitiatorInnen und werde so als
Kontrollinstrument missbraucht.
Bedingung für die Förderung sei gewesen, Sozialwissenschaft- lerInnen
einzubeziehen und betroffene Gemeinden und Bürgerinitiativen zu
berücksichtigen, sagt Nik Völker von der Initiative MiningWatch Portugal,
der Mitautor der 13-seitigen Beschwerde ist. „Doch das wurde nie so
umgesetzt.“
Vielmehr diene das Projekt dazu, die Proteste zu überwachen, so der
deutsche Informatiker, der in Portugal lebt. Die Berichte würden
„willkürlich von einem Team aus technischen Bergbaufakultäten,
Lobbyverbänden, Industrieberatern und nationalen Bergämtern“
zusammengestellt. „Die Unterzeichner dieser Erklärung fordern die
Europäische Kommission und ihre zuständigen Stellen auf, (…) Mireu zu
überprüfen, da sie ernsthafte Zweifel haben, dass das Projekt seine
Versprechen erfüllt, ein neues, funktionierendes Modell für soziale
Akzeptanz – SLO – für europäische Regionen bereitzustellen“, [1][heißt…
deshalb in der Beschwerde].
## Selektive Information
Völker wurde auf Mireu aufmerksam, als er an einem Seminar teilnahm, bei
dem es um die sogenannte Social License to operate (SLO) von Mireu ging.
Seitdem ist er auf der Mailingliste der Organisation. Er erinnert sich:
„Irgendwann wurde Portugal diskutiert, und es ging um Fallstudien.“ Dabei
sei schnell klar geworden, „dass Mireu die Stimmung vor Ort analysiert,
Listen erstellt, welche Gruppen Demonstrationen veranstalten und an ihnen
teilnehmen“.
Im Namen von MiningWatch ging Völker auf andere Bürgerinitiativen zu. Diese
forderten schließlich bei Mireu alle Dokumente zu Portugal an und bekamen
auch die meisten. Nur zu den am [2][weitesten fortgeschrittenen
Lithium-Bergbauprojekten in Covas do Barroso und Montalegre im Norden des
Landes] gab es absolut nichts. „Sie wären noch nicht dazu gekommen, dies zu
untersuchen, erklärten sie uns“, sagt Völker. Glauben tut er das nicht.
Portugal ist eines der Länder, auf das die EU schaut, wenn es darum geht,
die Elektronikindustrie und vor allem die Industrie für Elektrofahrzeuge
mit Lithium für Batterien zu versorgen, ohne aus Drittländern zukaufen zu
müssen. Derzeit wird weiträumig untersucht, ob der Abbau im Tagebau
lukrativ ist – und allerorts regen sich Proteste.
## Grenzübergreifende Vernetzung
Zwar versprechen die Bergbauunternehmen Arbeitsplätze, doch die Erfahrung
ist, dass sie nach zehn Jahren Ausbeutung eines Vorkommens eine Landschaft
hinterlassen, in der wichtige Wirtschaftszweige wie der langsam entstehende
nachhaltige Tourismus und Landwirtschaft nicht mehr möglich sind.
Die Anti-Bergbau-Initiativen in Portugal haben sich mit denen im
benachbarten Spanien vernetzt. Dort verlangte Ecologistas en Acción – ein
Zusammenschluss aus über 300 Umweltgruppen – von Mireu die entsprechenden
Dokumente. Sie bekamen sie nicht. „Uns ist aber bekannt, dass Ecologistas
en Acción und andere Gruppen in mehreren Fallstudien und auch in
öffentlichen Dokumenten erwähnt werden, die von Mireu erstellt wurden“,
sagt Elena Solis. Dabei habe niemand jemals Kontakt zu der Gruppe gesucht.
Solis ist Anwältin für Umweltrecht und Bergbauverantwortliche bei
Ecologistas en Acción. Unter ihrer Regie entstand eine Studie über
spekulative Bergbauprojekte in Spanien. Was sie am meisten empört: „In
Spanien nehmen also die öffentlichen Verwaltungen, die über bestimmte
Bergbauprojekte entscheiden müssen, an Mireu teil, das die Gegner dieser
Projekte untersucht.“
Direkt an Mireu beteiligt ist etwa die Bergbauforschungs- und
Ausbeutungsgesellschaft der Region Castilla y León, kurz Siemalcasa.
Siemalcasa untersteht der Regionalregierung. Diese wiederum vergibt die
Genehmigungen an die Bergbaugesellschaft Berkeley, die jahrhundertealte
Steineichenwälder unweit der westspanischen Stadt Salamance rodet, um
Probebohrungen durchzuführen. Dort wird Uran vermutet. Unweit davon sucht
man unter Leitung von Siemacalsa auch nach Lithium.
Allen Initiativen, die die Beschwerde bei der EU-Kommission unterzeichnet
haben, haben eines gemeinsam: Sie kommen aus wirtschaftlich
vernachlässigten europäischen Randregionen. Und in den meisten Ländern, wie
etwa Portugal, Spanien, Irland sind die Staatskassen leer. „Es entsteht der
Eindruck, dass die Entscheider in Brüssel, Paris, Berlin in ihrem warmen
Nest sitzen, wo etwa Tesla eine Fabrik mit 2.000 Mitarbeitern baut. Aber
die Rohstoffe müssen ganz neokolonial aus der europäischen Peripherie
kommen“, resümiert Völker.
24 Oct 2020
## LINKS
[1] /https://www.ecologistasenaccion.org/wp-content/uploads/2020/08/statement-H…
[2] /Lithiumabbau-in-Portugal/!5655713&s=lithium+portugal/
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Bergbau
Kommission
Lithium
Umverteilung
Verkehrswende
Lesestück Recherche und Reportage
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