| # taz.de -- Remake des Computerspiels „Mafia“: Schöne neue alte Welt | |
| > Remakes von Games sind in. Die Neuauflage des Klassikers „Mafia“ zeigt, | |
| > wie sie gelingen: mit einer Mischung aus Nostalgie und moderner Grafik. | |
| Bild: Cool, aber gefährlich: Figuren in „Mafia“ | |
| New York, 1930: Die große Depression hat die USA mit aller Härte getroffen. | |
| Thomas Angelo lehnt sich an sein Taxi, er hat einen harten Arbeitstag | |
| hinter sich und grübelt, ob das Geld für die nächste Miete reicht. Ein | |
| Knall reißt ihn aus seinen Gedanken; zwei Gangster kommen auf ihn zu, | |
| bedrohen ihn mit vorgehaltener Pistole: „Los, fahr!“ | |
| Die beschriebene Szene ist der Anfang des Computerspiels „Mafia“ aus dem | |
| Jahr 2002, das für viele Spieler*innen als Klassiker gilt. Damals | |
| [1][konnten Games allmählich] glaubwürdige 3D-Welten darstellen und | |
| spannende Geschichten erzählen. | |
| Die Handlung um den Taxifahrer Thomas, der in die Fänge der Mafia gerät | |
| und bald selbst zum Mafioso wird, vergleichen einige Kritiker*innen mit | |
| einem spannenden Mafiafilm. Das US-amerikanische Entwicklerstudio Hangar 13 | |
| hat jetzt, 18 Jahre später, eine Neuauflage veröffentlicht. | |
| Dabei standen die Entwickler*innen unter Druck. Im Jahr 2016 hatten sie | |
| schon einmal ein „Mafia“-Spiel herausgebracht. Das war aber voller | |
| technischer Fehler und langweilte Spieler*innen mit den immergleichen | |
| Aufgaben. Und ausgerechnet jenes Studio setzte sich nun an das Remake des | |
| Klassikers. | |
| Neuauflagen sind bislang vor allem in der Spielfilmbranche beliebt, weil | |
| sich damit ohne großen Aufwand alten Stoff aufwärmen und schnelles Geld | |
| machen lässt. Bei Computerspielen sind Remakes jedoch wesentlich | |
| schwieriger umzusetzen. | |
| ## Das Wesen des Originals bewahrt | |
| Neben einer besseren Grafik muss der Inhalt neu interpretiert werden. Was | |
| vor zwanzig Jahren als modern galt, kann heute schon längst wieder veraltet | |
| sein. Außerdem müssen Remakes Fans des Originals überzeugen und zugleich | |
| jüngere Spieler*innen ansprechen. | |
| Deshalb [2][dominieren bei Computerspielen] immer noch sogenannte | |
| Remasters, die nur die Grafik verbessern. Schon wegen des | |
| Nostalgiefaktors sind sie häufig Bestseller. Aber noch viel wichtiger: Sie | |
| bewahren das Wesen des Originals. | |
| Die Entwickler*innen von Hangar 13 haben begriffen, was „Mafia“ so | |
| besonders macht: das glaubwürdige Szenario. Das Remake strafft behutsam die | |
| Geschichte, setzt neue Schwerpunkte und erweitert die Schauplätze. | |
| Mit der modernen Technik wirken die Figuren, etwa der Mafia-Chef Don | |
| Salieri und Thomas’ Kumpel Paulie und Sam wie echte Menschen, die | |
| Spieler*innen durch die Welt des organisierten Verbrechens der 1930er | |
| Jahre führen. | |
| Auch das Remake orientiert sich beim Gangsterleben an Filmen wie „Der | |
| Pate“, verherrlicht es aber nicht. Spieler*innen merken schnell: Wer einmal | |
| in der Mafia ist, kommt nicht mehr raus. Innerhalb der zwanzig Missionen | |
| fahren Spieler*innen innerhalb New Yorks herum, treiben Schutzgeld ein, | |
| liefern sich Autorennen und töten andere Gangsterbosse. | |
| ## Intensive Wahrnehmung | |
| Die Schießereien sind ähnlich intensiv wie im Original, nun reicht aber ein | |
| simpler Knopfdruck, um in Deckung zu gehen. Viele Missionen sind | |
| geradliniger geworden. Im Original konnten sich Spieler*innen im Hafenlevel | |
| noch verlaufen, das Remake gibt nur noch einen Weg vor. Es wirkt wie eine | |
| Zeitreise in das Jahr 2002. | |
| Denn das Original prägte eine Form der offenen Spielwelt, in der es abseits | |
| der Haupthandlung in der Stadt nicht viel zu tun gab. Moderne sogenannte | |
| Open-World-Spiele wie die „Grand Theft Auto“-Reihe stopfen ihre digitalen | |
| Welten mit Aufgaben voll, um Spieler*innen zu beschäftigen und möglichst | |
| viele Spielstunden pro Euro zu bieten. | |
| „Mafia“ bietet im Vergleich nur rund 15 Stunden Unterhaltung. Doch die | |
| narrative Kürze und Leere der Spielwelt erzeugen eine viel intensivere Form | |
| der Wahrnehmung. Spieler*innen werden nicht durch blinkende Symbole auf | |
| der Karte abgelenkt. | |
| Wer sich auf einen Spaziergang durch die Stadt begibt, entdeckt das | |
| alltägliche Leben der 1930er Jahre: In den [3][New Yorker Stadtteilen] | |
| Chinatown und Little Italy bieten Händler*innen Obst und Gemüse in den | |
| engen Gassen an, im Hafenviertel qualmen die Schornsteine, Putz bröckelt | |
| von den Wänden. | |
| „Mafia“ belohnt auch jene, die gern mal stehenbleiben und hinhören: alte | |
| Autos, deren Bremsen quietschen, und ratternde Hochbahnen, während in den | |
| Radios Swingmusik von Duke Ellington und Django Reinhardt läuft. Die | |
| Entwickler*innen haben aus ihren Fehlern gelernt. Sie liefern mit dem | |
| „Mafia“-Remake einen neuen Klassiker ab. | |
| 17 Oct 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Denis Giessler | |
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