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# taz.de -- NS-belastetes Hamburg: Wie umgehen mit den Mitläufern?
> Was? Unsere Heidi Kabel? Die Kommission zum Umgang mit NS-belasteten
> Straßennamen rührt an einer lokalen Heiligen – aber nur irgendwie.
Bild: Aus Liebe in die NSDAP? Hans Mahler und seine Frau Heidi Kabel auf einem …
Hamburg taz | „Hamburgs berühmteste Deern“: So überschreibt das
halbamtliche Onlineportal www.hamburg.de [1][einen Artikel zum
Heidi-Kabel-Platz], Kategorie: „Sehenswürdigkeiten“. Als selbst nicht in
Michel-Hörweite Geborener kann der Autor das mindestens in Teilen
bestätigen:
Für Angehörige der entsprechenden (westdeutschen) Altersgruppe war die
[2][2010 verstorbene „Volksschauspielerin“] Stimme und Gesicht, ja: ganzer
Phänotyp der Menschen da im Norden; bei etwas anderer Interessenlage hätte
auch HSV-Ikone Uwe Seeler diese Rolle eingenommen, aber so war es nun mal
im Fall des Autors nicht.
Und diese [3][Verkörperung verschmitzter hafenstädtischer Bodenständigkeit]
war Nazi? Nein, zumindest nicht streng genommen. Dass sich aber Hamburgs
noch recht frische [4][Kommission zum Umgang mit NS-belasteten
Straßennamen] auch mit dem „Heidi-Kabel-Platz“ gleich neben dem
Hauptbahnhof befasse, [5][meldete am Donnerstag der NDR].
Bloß: Richtig neu war daran eigentlich nichts – was an Kabels Vita
problematisch ist, war lange bekannt, stand etwa [6][2010 auch schon] in
der taz: „Wenn Bremen eine Brücke nach SA-Mann Karl Carstens benennt und
Oldenburg eine Straße nach dem Landesleiter der Reichsschrifttumskammer
August ‚Blut und Boden‘ Hinrichs, dann ehrt Hamburg mit Heidi Kabel ja fast
schon den Widerstand. Schließlich war die ja bloß Mitglied der
NS-Frauenschaft und hat ihren Mann zum Beitritt in die NSDAP überredet, aus
Karriere-Erwägungen.“
## Nazinah aus Karrieregründen
Selbst nie NSDAP-Mitglied, drängte die beliebte Schauspielerin – auch laut
den eigenen Lebenserinnerungen – ihren Mann Hans Mahler 1937 dazu, eines zu
werden. „Hintergrund dieses Parteibeitritts war Mahlers Bewerbung um eine
Intendantenstelle in Lüneburg“, so formulierte es 2017 der Historiker David
Templin in [7][seiner Studie] „Wissenschaftliche Untersuchung zur
NS-Belastung von Straßennamen“, erstellt im Auftrag des Hamburgischen
Staatsarchivs.
58 Hamburger Straßen- und Platznamen waren darin Thema – auch solche, deren
Namensgeber*innen „Aktivismus jenseits der formalen Mitgliedschaft (...)
nicht nachweisbar“ sind; so lautet etwa das Fazit im Falle Kabels.
Wer Mitglied in der NSDAP war, nach dem wird in Hamburg keine Straße mehr
benannt, das ist so weit durchgesetzt. Nun aber sollen die komplizierteren
Fälle in den Blick genommen werden, die nicht ganz so eindeutigen. Oder wie
es Kultursenator Carsten Brosda (SPD) vor Längerem äußerte: Es gehe
„zunehmend um die Frage, ob jemand weggeschaut oder sich nicht ausreichend
engagiert hat“.
Das betrifft etwa auch den Großschauspieler Gustaf Gründgens oder den
erklärt „unpolitischen“, indes von Benito Mussolini faszinierten
Literaturnobelpreisträger Gerhart Hauptmann, den seinerseits die
Nationalsozialisten als „Leibdichter des Marxismus“ anfeindeten. Aber auch
weniger Prominente wurden 2017 ausgeleuchtet, darunter der völkische
Theologe Christian Boeck (1875–1964), dem noch 1992 eine Straße gewidmet
wurde.
## Es sollen keine „Unschärfen“ bleiben
Aufbauen auf die Studie von 2017 soll nun also die Kommission. Schon im
Januar ins Leben gerufen, trat sie coronabedingt erst am 30. September auch
tatsächlich zusammen.
Zu den Gründungsmitgliedern zählen Historiker*innen – darunter [8][Rita
Bake] (ehemalige Vizechefin der [9][Landeszentrale für politische
Bildung]), [10][Miriam Rürup] (Institut für die Geschichte der deutschen
Juden), [11][Detlef Garbe] (Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte)
und [12][Rainer Nicolaysen] (Verein für Hamburgische Geschichte); aber etwa
auch Ex-Schulsenatorin Christa Goetsch und Hans-Peter Strenge, ehemals
Bezirksamtsleiter in Altona.
Beauftragt seien sie mit der Entwicklung von Kriterien dafür, wie bestimmte
Personalien zu bewerten seien, so die Kulturbehörde. Damit könne der Senat
dann „vernünftige“ Entscheidungen treffen. Das muss nicht in jedem Fall
heißen, dass eine Straße umbenannt wird, sondern kann etwa auch eine
Kommentierung bedeuten. „Aber es geht darum, sichtbar und transparent zu
machen, wofür die Namen stehen“, so der Kultursenator jetzt gegenüber dem
NDR. Es sollen erklärtermaßen keine „Unschärfen“ bleiben.
Zunächst hat das Gremium ein Jahr Zeit für seine Aufgabe. Sollte die zu
erledigen länger brauchen, sei das eben so, erklärte die Kulturbehörde am
Freitag auf taz-Anfrage. Schließlich sollen die Ergebnisse – also Kriterien
für den Umgang – ja Bestand haben.
10 Oct 2020
## LINKS
[1] https://www.hamburg.de/sehenswuerdigkeiten/3320686/heidi-kabel-platz/
[2] /Denkmal-fuer-Heidi-Kabel/!5112876
[3] /Zum-Tod-von-Heidi-Kabel/!5140201
[4] https://www.hamburg.de/bkm/strassennamen/13512150/ns-belastete-strassenname…
[5] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Belastete-Strassennamen-kommen-auf-P…
[6] /Debatte/!5140781
[7] https://www.hamburg.de/contentblob/13462796/1d4b36cbfb9adc7fca682e5662f5854…
[8] /!387809/
[9] https://www.hamburg.de/politische-bildung/
[10] /Neue-alte-Synagoge/!5640874
[11] /Detlef-Garbe-ueber-die-Arbeit-im-einstigen-KZ/!5085558
[12] /!842677/
## AUTOREN
Alexander Diehl
## TAGS
Hamburg
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Straßennamen
Geschichtspolitik
Gender
Schwerpunkt Nationalsozialismus
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geschichtsvergessen.
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