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# taz.de -- BVerfG zu Freihandelsabkommen Ceta: Blankoscheck für die Regierung?
> Die Linksfraktion hat 2016 Verfassungsklage gegen die Zustimmung des
> Bundestags zu Ceta erhoben. Am Dienstag wird in Karlsruhe darüber
> verhandelt.
Bild: Langes Ringen um das Freihandelsabkommen: Anti-Ceta-Demonstration 2016 in…
Berlin taz | Am Dienstag, den 13. Oktober, wird sich das
Bundesverfassungsgericht mit dem Ceta-Freihandelsvertrag von EU und Kanada
befassen. Geklagt hat die Bundestagsfraktion der Linken. Der Grund: Mit der
Zustimmung dazu, das Abkommen vorläufig umzusetzen, sei der Bundestag
seiner Verantwortung nicht gerecht geworden und habe damit das Grundgesetz
verletzt, finden die Linken.
Durch das Ceta-Abkommen soll der Handel zwischen der EU und Kanada
intensiviert werden. Über 99 Prozent der Zölle werden beseitigt. EU-Firmen
können in Kanada auch bei öffentlichen Ausschreibungen auf regionaler und
kommunaler Ebene zum Zuge kommen.
Der EU-Ministerrat stimmte Ceta im Oktober 2016 zu. Das
Bundesverfassungsgericht hatte der Bundesregierung die Zustimmung dort in
einem Eilbeschluss unter Auflagen erlaubt. Der Großteil des Ceta-Vertrags
wird seit 2017 aufgrund eines separaten Beschlusses bereits vorläufig
angewandt.
Beim Bundesverfassungsgericht sind zwei Großverfahren zu Ceta anhängig. Die
inhaltliche Bewertung, ob die EU beim Abschluss des Vertrags jenseits ihrer
Kompetenzen („ultra vires“) agierte, wird voraussichtlich im nächsten
Frühjahr verhandelt. Kläger ist hier ein Bündnis von „Mehr Demokratie“,
foodwatch und campact, das von 125.000 Bürgern unterstützt wird. Auch die
Linksfraktion im Bundestag ist mit einer separaten Klage dabei.
## Eine Chance, Umweltschutzstandards zu untergraben?
An diesem Dienstag wird aber zunächst über die parlaments-rechtlichen
Fragen diskutiert. Die Linksfraktion greift in ihrer Organklage die
Stellungnahme des Bundestags zur vorläufigen Anwendung von Ceta an. Im
September 2016 gab der Bundestag grünes Licht, unter der Voraussetzung,
dass der Investitionsschutz und Themen mit nationaler Kompetenz ausgenommen
werden.
Den Linken ging das alles nicht weit genug. Statt einer Stellungnahme mit
beschränkter Verbindlichkeit hätte der Bundestag seine Position verbindlich
per Gesetz festklopfen müssen, finden sie. Auch inhaltlich sei die
Stellungnahme zu vage und stelle der Regierung quasi einen „Blankoscheck“
aus, heißt es in der Klage, die vom Berliner Rechtsprofessor Andreas
Fischer-Lescano formuliert wurde. Der Bundestag benenne weder genau, welche
Materien von der vorläufigen Anwendung ausgenommen werden sollten, noch
stelle er sicher, dass die EU nicht jenseits ihrer Kompetenzen handelt.
Im Oktober 2015 [1][demonstrierten in Berlin rund 250.000 Menschen gegen
Ceta]. Kritisiert wurde vor allem der Schutz von Investoren aus dem jeweils
anderen Wirtschaftsraum. Investoren wird im Vertrag eine „gerechte und
billige“ Behandlung zugesichert, außerdem werden sie gegen „indirekte
Enteignungen“ geschützt.
Kritiker fürchten, dass Konzerne auf diesem Weg eine Verbesserung der
Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz sowie im Arbeitsrecht blockieren
können. Aufgrund der Proteste wurde für den Investorenschutz in Ceta
allerdings eine innovative Lösung vereinbart. Im Ceta-Gericht sollen 15
dauerhaft bestellte Richter sitzen, während Schiedsgerichte bisher aus
fallweise bezahlten Anwälten und Professoren zusammengesetzt wurden.
## Es droht eine Blamage für die Groko
Ursprünglich richtete sich der Protest gegen das geplante TTIP-Abkommen mit
den USA, das aber nicht zustandekam, weil US-Präsident Donald Trump kein
Interesse an Freihandelsabkommen zu haben scheint. Für die EU dient nun
Ceta als beispielhaftes Abkommen, an dem sich weitere Freihandelsverträge,
etwa mit China, orientieren sollen.
Und das Abkommen hat tatsächlich deutliche Konsequenzen: Im Jahr 2018 stieg
der Warenausfuhr aus der EU nach Kanada um 15 Prozent gegenüber dem Schnitt
der drei Vorjahre. Es wuchsen vor allem die Ausfuhren für Käse (plus 33
Prozent) und Pharmaprodukte (29 Prozent).
Die vorläufige Anwendung des Abkommens gilt indes nicht für die Regeln zum
Investitionsschutz, bei denen noch die Ratifikation der nationalen
Parlamente erforderlich ist. Bisher haben die Volksvertretungen von 14
EU-Staaten den Vertrag ratifiziert, es fehlen noch 13 EU-staaten, darunter
Deutschland. Zuletzt hatte das zyprische Parlament [2][gegen das Abkommen
gestimmt]. In der Bundesrepublik ist umstritten, ob neben dem Bundestag
auch der Bundesrat zustimmen muss, wo die Grünen, die Ceta bislang
kritisierten, ein Veto durchsetzen könnten. Die Bundespolitik wartet
derzeit auf den Ausgang der Prozesse in Karlsruhe und will erst
anschließend über eine Ceta-Ratifikation entscheiden.
Das Urteil zur aktuellen Klage der Linksfraktion wird erst in einigen
Monaten verkündet. Ein Erfolg der Linken wäre eine Blamage für die Große
Koalition und würde wohl Standards für die künftige EU-Verantwortung des
Bundestags setzen. Da es um innerstaatliche Abläufe geht, hätte ein Erfolg
der Verfassungsklage aber wohl keine Auswirkungen auf die vorläufige
deutsche Bindung an Ceta.
13 Oct 2020
## LINKS
[1] /Kommentar-Inkrafttreten-von-Ceta/!5446975
[2] /Handelsabkommen-zwischen-EU-und-Kanada/!5699909
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Bundesverfassungsgericht
Kanada
Freihandel
CETA
Europäische Union
Gerichtsprozess
Schwerpunkt TTIP
ISDS
Mercosur
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