# taz.de -- Umstrittener Klimaschützer Wasserstoff: Eine Rettung fürs Klima? | |
> Wasserstoff schützt angeblich das Klima. Doch zu den Risiken und | |
> Nebenwirkungen darf nicht geschwiegen werden. | |
Bild: Die Wasserstoff-Produktionsanlage der Firma Linde AG in Leuna | |
Ein Mittel gegen alles Übel gibt es weder in der Medizin noch beim | |
Klimaschutz. Dennoch wird häufig der Eindruck erweckt, Wasserstoff könnte | |
die Lösung für alle klimapolitischen Probleme sein. Doch so einfach ist es | |
nicht. Die Liste an Risiken und Nebenwirkungen ist lang. | |
Die Herstellung und [1][Nutzung von Wasserstoff] sind sehr ineffizient: Es | |
werden gigantische Mengen erneuerbaren Stroms benötigt ebenso wie Wasser | |
und seltene Rohstoffe, etwa Iridium für den Bau von Elektrolyseuren. Zudem | |
gibt es für viele Anwendungsbereiche deutlich bessere, weil ausgereiftere | |
und effizientere Alternativen. | |
Darum ist Wasserstoff vielmehr ein Antibiotikum, das nur bei spezifischen | |
Symptomen, hier der klimapolitischen Alternativlosigkeit, eingesetzt werden | |
darf. Dies gilt für die Stahl- und Grundstoffchemie-Herstellung sowie im | |
[2][Schiffs- und Flugverkehr.] | |
Klimapolitisch ist klar, dass von Beginn an das richtige Mittel eingesetzt | |
werden muss und nicht übergangsweise auf ein weniger wirksames mit | |
chronischen Langzeitfolgen zurückgegriffen werden sollte. Nur grüner | |
Wasserstoff auf Basis 100 Prozent zusätzlicher erneuerbarer Energien ist | |
zielführend. Übergangsweise auf CO2-reduzierten Wasserstoff auf Erdgasbasis | |
zu setzen, verzögert die Genesung (Klimaneutralität) nur unnötig. Die | |
Wasserstoffstrategie muss sich an klimapolitischen Fortschritten messen | |
lassen. | |
## Gefahren globaler Lieferketten | |
Zu guter Letzt ist es essenziell, die benötigte Menge des Wundermittels zu | |
kennen und den Konsum gesundheitsschädigender Produkte möglichst zu | |
unterlassen. Leider liefert die Nationale Wasserstoffstrategie hierzu nur | |
grobe Eckpfeiler statt eine genaue Dosierung und Empfehlungen für einen | |
suffizienten Lebensstil. | |
Für erneuerbare Energien nennt die Strategie unambitionierte Ausbauziele. | |
Der aktuelle Entwurf zur Überarbeitung [3][des | |
Erneuerbaren-Energien-Gesetzes] unterminiert diese noch. Dies öffnet die | |
Pforten für blauen Wasserstoff und erhöht die Importabhängigkeit einer | |
zukünftigen Wasserstoffwirtschaft. | |
Unsere Unfähigkeit, den Ausbau der Erneuerbaren zu beschleunigen, darf | |
nicht dazu führen, dass im Kongo ein Riesenstaudamm ganze Dörfer und | |
Ökosysteme zerstört, um Wasserstoff für den deutschen Markt zu produzieren. | |
Gerade [4][durch die Coronapandemie] haben wir gelernt, wie anfällig | |
globale Lieferketten und eine hohe Importabhängigkeit sein können. Insoweit | |
Wasserstoff ein globales Handelsgut wird, ist es vordringlich, | |
ambitionierte Nachhaltigkeitsstandards und Herkunftsnachweise zu | |
etablieren. Dafür werden wir uns im nationalen Wasserstoffrat einsetzen. | |
25 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christiane Averbeck | |
Verena Graichen | |
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