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# taz.de -- FDPlerin über Lindners sexistischen Witz: „Einfach rausgerutscht…
> Christian Lindner hat einen sexistischen Witz gemacht. FDP-Politikerin
> Maren Jasper-Winter fand das nicht lustig – glaubt aber an ein Versehen.
Bild: Linda Teuteberg und Christian Lindner beim 70. Parteitag der FDP im April…
taz: Frau Jasper-Winter, FDP-Chef Christian Lindner hat beim Parteitag am
Samstag [1][einen sexistischen „Witz“] über die scheidende
Generalsekretärin Linda Teuteberg gemacht. Er hat gesagt: „Ich denke gerne
daran, Linda, dass wir in den vergangenen 15 Monaten ungefähr 300 Mal, ich
hab' mal so grob überschlagen, ungefähr 300 Mal den Tag zusammen begonnen
haben.“ Dann hat das Publikum gelacht und er hat klargestellt: „Ich spreche
über unser tägliches, morgendliches Telefonat zur politischen Lage. Nicht
was ihr jetzt denkt.“ Konnten Sie darüber lachen?
Maren Jasper-Winter: Nein. Auch viele andere im Übrigen nicht. Es wurde ja
berichtet, dass es Lachen darüber gab. Ich habe das als sehr vereinzeltes
Lachen wahrgenommen. Die Mehrheit der Leute, die um mich herum saßen, waren
befremdet.
Mittlerweile hat sich Lindner entschuldigt und behauptet, dass das spontan
entstanden sei und missverständlich war. Aber es kursiert gerade [2][ein
Video], das zeigt, wie Lindner 2017 einen ähnlichen „Witz“ über Claudia
Roth gemacht hat. Kratzt das nicht an seiner politischen Glaubwürdigkeit?
Sprüche dieser Art gibt es zu Tausenden. Das ist nicht in Ordnung. Aber ich
glaube Christian Lindner, dass die Entschuldigung ernst gemeint ist. Ich
glaube ihm, dass ihm das in der angespannten Situation so rausgerutscht
ist.
Das Verhältnis zwischen Lindner und Teuteberg war vor dem Parteitag schon
sehr belastet. Am Samstag wurde sie offiziell [3][durch Volker Wissing
ersetzt]. Und ausgerechnet bei seinen Abschiedsworten leistet er sich so
einen Fauxpas? Er wird sich doch Gedanken gemacht haben.
Das denke ich auch: Er wird sich über seine Abschiedsworte sehr genau
Gedanken gemacht haben, weil das Verhältnis zwischen den beiden
wahrscheinlich kompliziert ist. Aber dieser Nachsatz „Nicht das, was sie
jetzt denken“, dieser Satz hat das ja erst in eine falsche Richtung
gewendet. Und der kam erkennbar spontan.
Er hat diesen „Witz“ ja schon mal mit Claudia Roth gemacht. Er hat gesagt:
„Ich bin heute Morgen wach geworden mit Claudia Roth.“ Dann hat er genauso
wie beim Parteitag eine Pause eingeplant, auf das Lachen gewartet und dann
gesagt: „Entschuldigung Sie, ich habe gesagt ‚mit‘, nicht ‚neben‘.“…
kann das nicht als Spontanität verkaufen.
Vielleicht ist ihm das gerade deswegen, weil er den Witz schon mal so
gemacht hat, einfach rausgerutscht. Er war in einer unangenehmen Situation,
vielleicht war das einfach ein Zeichen der Unsicherheit. Ich glaube ihm,
dass er das ernsthaft bedauert.
Sind Vorkommnisse wie Lindners „Witz“ nicht ein Grund, warum die FDP bei
Frauen so schlecht ankommt?
Der Spruch geht nicht, aber er steht nicht symptomatisch für den Zustand
der Partei und wie sie dasteht in der Partizipation von Frauen. Wir sind in
den vergangenen Jahren viel weiter vorangekommen als man durch diesen
Spruch sieht. Unsere Programmatik auf dem Parteitag wurde maßgeblich von
den Frauen nach vorne gebracht. Der Antrag auf die Senkung des Wahlalters
auf 16 Jahre war die Vorarbeit der Jungen Liberalen unter Ria Schröder. Es
gab einen außenpolitischen Dringlichkeitsantrag von Gyde Jensen. Zum Thema
Gründerinnen haben die Liberalen Frauen sehr viele Änderungen eingebracht,
wo die Partei auch mitgegangen ist. Frauen haben sich auf dem Parteitag zu
Wort gemeldet. Und die Reaktion auf den Spruch war sehr verhalten.
Die ganze Geschichte erinnert sehr an die Sprüche und das Gebaren des
früheren FDP-Bundestagsfraktionschefs Rainer Brüderle, der 2012 zur
Journalistin Laura Himmelreich unter anderem gesagt haben soll: „Sie können
ein Dirndl auch ausfüllen.“ Lindner richtet sich offenbar an ein Publikum,
das Altherrenwitze goutiert.
Brüderle und Lindner kann man nicht vergleichen, diese Situationen kann man
nicht vergleichen. Und das Publikum ist kein Altherrenpublikum. Ich bin
seit 20 Jahren in der Partei, die Delegierten haben sich verändert. Das ist
ein Spruch aus vergangenen Zeiten, der keinen Widerhall findet in der
Partei. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen.
Warum sind die Situationen nicht vergleichbar?
Das ist beides nicht zu entschuldigen. Aber Rainer Brüderle hat ja
offenkundig eine körperliche Anspielung gemacht. Das ist viel
weitergehender.
Wäre es nicht Zeit für einen Wechsel an der Spitze der FDP?
Wegen eines Spruchs? Das halte ich für völlig überzogen. Wenn, dann muss
sich die Partei von innen heraus reformieren. Wir haben ja ein neues
Netzwerk gegründet, um Frauen in der Partei weiter nach vorne zu bringen,
in der Spitze, aber auch in der Fläche, in den Ländern und in den Kommunen.
Christian Lindner begrüßt diese Initiative. Und wir Frauen in der FDP
wollen uns nichts geben lassen, sondern wir wollen es uns nehmen. Diesen
Weg werden wir weiter gehen.
Aber worüber jemand Witze macht, erzählt doch etwas über eine Person. Es
geht ja auch ums Image. Will man mit diesem Chef in einen schwierigen
Wahlkampf ziehen?
Für das Image war das nicht gut, darin sind sich alle einig. Wir hatten
vergangenes Jahr einen Parteitag zum liberalen Feminismus. Lindner hat uns
immer unterstützt. Er hat sich jetzt nicht wegen einem Spruch
disqualifiziert. Lindner wird sich auch darüber ärgern. Bis auf den Spruch
hat er auch eine gute Rede gehalten. Ich war da als FDP-Frau sehr
zufrieden.
21 Sep 2020
## LINKS
[1] /Bundesparteitag-der-FDP/!5711427
[2] https://twitter.com/shengfui/status/1307757329375531008
[3] /Bundesparteitag-der-FDP/!5715058
## AUTOREN
Jasmin Kalarickal
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