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# taz.de -- Kenia verklagt Uganda wegen Victoriasee: Wer hat die Macht über de…
> Das Wasser steht so hoch wie nie, ganze Dörfer in den Anrainerstaaten des
> Victoriasees sind geflutet. Kenia macht Uganda verantwortlich.
Bild: Steigende Wassermassen: Fischer vor der Küste Kenias auf dem Victoriasee
Nairobi/Berlin taz | Der [1][Streit um das Wasser] zwischen den
Nachbarländern Kenia und Uganda eskaliert. Kenianische Anwälte haben in
diesem Jahr beim Ostafrikanischen Gerichtshof mit Sitz im tansanischen
Arusha Klage gegen Uganda eingereicht. Der Grund: Der Victoriasee, an den
beide Länder sowie Tansania grenzen, steigt seit Anfang des Jahres stetig
an. Mittlerweile hat er ein Rekordhoch von 13,4 Metern über dem Normallevel
erreicht.
Seit April wurden in den drei Anrainerstaaten Uganda, Kenia und Tansania
ganze Dörfer überflutet, zum Teil vollkommen zerstört. Industrieanlagen,
Häfen und die darin liegenden Schiffe wurden geschädigt. Über 200.000
Menschen haben ihre Häuser verloren.
Die Kläger aus Kenia geben Ugandas Regierung die Schuld dafür. Sie habe
versäumt, den Abfluss des Wassers aus dem See zu kontrollieren, und damit
gegen internationale Verträge verstoßen. Jackson Twinomujuni von Ugandas
Ministerium für Wasser und Umwelt bestätigt gegenüber der taz, dass die
Klage eingegangen sei und sich nun Ugandas Staatsanwaltschaft damit
beschäftigen werde, sie abzuwehren.
Der [2][Victoriasee in Ostafrika] ist mit einer Größe von Bayern das größte
Süßwassergewässer auf dem Kontinent. Er wird von Zuflüssen aus allen
Himmelsrichtungen gespeist. Doch es gibt nur einen Abfluss: den Nil, der in
der ugandischen Kleinstadt Jinja abfließt und sich von dort aus gen Norden
bis ans Mittelmeer schlängelt.
Jenseits der Nilquelle in Jinja hat Uganda drei Staudämme errichtet, die
Strom generieren – und über die lässt sich der Wasserstand regeln. Deswegen
findet Kenia, dass Uganda verantwortlich ist, wenn das Wasser zu hoch
steigt.
## Wassermengen vertraglich geregelt
Wie viel Wasser in Jinja durchfließen darf und soll, ist eigentlich
vertraglich geregelt: zum einen durch eine Vereinbarung unter den
Mitgliedstaaten der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) von 2012 und zum
anderen durch einen Rahmenvertrag für das Nilbecken, den sämtliche
Nil-Anrainerstaaten, darunter auch Ägypten, Sudan und Äthiopien,
unterzeichnet haben. Über die Umsetzung dieser komplizierten Vereinbarung
wird jedoch bis heute gestritten.
Uganda kann über seine Dämme das Wasser auf- und abdrehen. In den
vergangenen zwei Jahren fiel in der ganzen Region des Victoria-Beckens so
viel Regen, dass das Wasser stetig anstieg. Dann kam es im April zum Eklat:
[3][Marschland aus Wasserlilien] von der Größe von knapp zehn
Fußballfeldern löste sich vom Ufer nahe Jinja und trieb wie eine
schwimmende Insel durch die Strömung in Richtung Nilabfluss.
Der Morast verstopfte die dortigen Staudämme, die Turbinen standen
wochenlang still. Die Folgen: Es kam in Uganda und in Teilen Kenias zu
Stromausfällen und der Wasserstand des Sees stieg rasant an. Dörfer am Ufer
wurden geflutet.
So auch in der großen Stadt Kisumu im Westen Kenias am See. „Wir Kenianer,
die in Kisumu wohnen und Häuser am Seeufer besitzen, haben enorme Schäden
davongetragen“, so Isaac Okero, ehemaliger Vorsitzender des kenianischen
Anwaltverbandes und Hauptkläger im derzeitigen Verfahren.
Die Anwälte aus Kenia fordern von Ugandas Regierung sowie von der
Betreiberfirma der Staudämme, Eskom Uganda, Schadensersatz. Sie
argumentieren, Eskom Uganda habe die Schleusen der Dämme nicht ausreichend
geöffnet. Die Entscheidung, wann wie viel Wasser abfließt, sei allein nach
dem Strombedarf ausgerichtet worden, nicht nach dem Wasserstand und der
Notwendigkeit, Überschwemmungen zu verhindern.
Ugandas Kommissar für Planung und Regulierung von Wasserressourcen, Callist
Tindimugaya, bestreitet, dass Uganda für die aktuellen Überschwemmungen in
Kisumu verantwortlich sei: „Was auch immer in Kisumu passiert, hängt nicht
mit dem zusammen, was Uganda tut“, sagte er.
## Zuflüsse oder Abflüsse entscheidend?
Im Moment fließe weitaus mehr Wasser ab als die üblichen vereinbarten 1.000
Kubikmeter pro Sekunde, nämlich fast doppelt so viel. Tindimugaya
versichert: „Je höher der Wasserstand, desto mehr setzen wir frei.“ Der
Wasserstand werde täglich kontrolliert.
Die Klage berührt aber eine Grundsatzfrage: Wer hat die Macht über den
Wasserpegel des Victoriasees?
Kenias Anwälte argumentieren, dass der Nil-Abfluss in Uganda entscheidend
sei. Sie verweisen auf eine Weltbankstudie von 2005, als Dürre herrschte
und der See besonders niedrig war. Weltbankspezialist Daniel Kull kam
damals zum Schluss, „dass 45 Prozent der großen Abnahme des Wasserstandes
in 2004 und 2005 auf Dürre zurückzuführen sind und 55 Prozent darauf, dass
Uganda viel Wasser abfließen ließ“. Im Umkehrschluss sei Überschwemmung
hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass Uganda zu wenig Wasser abfließen
lässt, lautet nun die kenianische Argumentation.
Ugandas Wasserexperten argumentieren hingegen, dass nicht nur der
Nil-Abfluss in Betracht gezogen werden solle, sondern auch die 23 Zuflüsse
aus allen drei Ländern und dem erweiterten Becken, auch aus Ruanda und
Burundi. Denn aufgrund verstärkter Abholzung und zunehmender Regenfälle
durch den Klimawandel würden auch diese Zuflüsse stetig mehr Wasser in den
See spülen. Es müssten mehr Studien unternommen werden, die das ganze
System untersuchen – eine Vereinbarung im Rahmen der EAC, die bislang nicht
umgesetzt worden sei.
18 Sep 2020
## LINKS
[1] /Sauberes-Wasser-weltweit/!5709864
[2] /Koloniale-Herkunft-von-Victoriasee/!5713972
[3] /Victoriasee-in-Uganda/!5713745
## AUTOREN
Simone Schlindwein
Ilona Eveleens
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