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# taz.de -- Gespräche über Zukunft von Afghanistan: Start in Doha
> Zum ersten Mal treffen Regierungsvertreter und Taliban-Repräsentanten
> direkt aufeinander. Gesucht wird ein Weg, den 19 Jahre währenden Krieg zu
> beenden.
Bild: Ein Mitglied der Taliban-Delegation während der Eröffnungssitzung in Do…
BERLIN taz | 19 Jahre und einen Tag nach den Terroranschlägen des 11.
September, die eine US-geführte Militärintervention in Afghanistan
auslösten, begannen am Samstag in Katars Hauptstadt Doha
Friedensverhandlungen zwischen der Regierung in Kabul und den
aufständischen Taliban. Beide Seiten saßen sich zum ersten Mal offiziell
gegenüber.
Während die international anerkannte Regierung von [1][Präsident Aschraf
Ghani] seit langem auf Direktgespräche gedrungen hatte, verweigerten die
Taliban dies bisher. Den Weg dafür machte das im Februar ebenfalls in Doha
geschlossene US-Taliban-Abkommen frei. Darin sagen die USA einen
vollständigen Abzug ihrer Truppen, einschließlich der Militäreinheiten
ihrer Verbündeten, also auch die der Bundeswehr, bis Juli 2021 zu. Die
Bedingung ist, dass die Taliban im Gegenzug verhindern, dass
Terrororganisationen wie al-Qaida und der Islamische Staat von Afghanistan
aus operieren können.
In Erklärungen während der live aus einem Luxushotel gestreamten
Eröffnungssitzung legten beide afghanische Konfliktparteien ihre
Grundpositionen dar. Der Chef des afghanischen Versöhnungsrates Abdullah
Abdullah würdigte die nach dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 erzielten
„Errungenschaften“ wie „Demokratie, Wahlen, Redefreiheit,
[2][Frauenrechte], Minderheitenrechte, den Rechtsstaat, Bürger- und
Menschenrechte“, die in der gegenwärtigen Verfassung verbrieft sind, auch
wenn sie bisher nur in Ansätzen verwirklicht wurden.
Abdullah vermied aber zu sagen, dass diese Errungenschaften vollständig
bewahrt werden müssten. Im Vorfeld hatte die Regierung den Taliban eine
„Verfassungsreform“ angeboten. Abdullah, ein erfahrener Diplomat, setzte
auch einen neuen Akzent in Bezug auf die bisherige Forderung Kabuls, dass
mit Gesprächsbeginn eine landesweite Waffenruhe erklärt werden müsse. Nun
sprach er davon, dass Kabul eine „humanitäre Waffenruhe“ anstrebe und ein
umfassender Waffenstillstand „so bald wie möglich“ folgen solle. Die
Taliban beharren bisher darauf, dass darüber erst verhandelt werden müsse.
## Nur Afghanen dürfen in den Raum
Mulla Baradar, der Taliban-Vizechef für politische Fragen, fasste sich
kürzer. Er versicherte, seine Bewegung sei „in aller Ehrlichkeit“ an den
Verhandlungstisch gekommen, und beschränkte sich auf deren Hauptforderung,
dass eine „islamische Ordnung“ für das Land am Ende der Verhandlungen
stehen müsse.
Zudem sprachen in Doha oder über Videolink UN-Generalsekretär António
Guterres und ein Dutzend Außenminister, darunter auch Heiko Maas. Seine
norwegische Amtskollegin Ine Marie Eriksen Søreide bot auch im Namen
Berlins an, die Verhandlungen „bei Nachfrage“ zu unterstützen. Zusammen mit
Indonesien, Usbekistan und Gastgeber Katar bilden Norwegen und Deutschland
eine Unterstützergruppe, die im Vorfeld bereits sogenannte innerafghanische
Dialogtreffen unter Einschluss der afghanischen Zivilgesellschaft
organisiert hat.
Die Idee steht weiter im Raum, dass die Doha-Gespräche in Hauptstädte
dieser Länder weiterziehen. Die Regierung in Kabul wie auch die Taliban
bestehen bisher darauf, dass aber nur Afghanen im Raum sitzen. Selbst eine
UN-Vermittlung lehnten sie ab.
Abdullah und Baradar sind nicht die jeweiligen Verhandlungsführer, sondern
deren Vorgesetzte. Für Kabul wird der frühere Geheimdienstchef Massum
Stanaksai diese Rolle übernehmen, der seit einem Taliban-Anschlag am Stock
geht. Die Aufständischen ernannten noch kurz vor Gesprächsbeginn einen
neuen Chefunterhändler. Abdul Hakim Hakkani Ishaksai ist der Chef ihres
Rates der Islam-Geistlichen und gilt als konservativ. Das wird die
Gespräche nicht leichter machen, gibt der Taliban-Delegation aber mehr
Gewicht und Entscheidungsbefugnis.
Die Rolle der USA bleibt selbst als Beobachter stark. Hafis Mansur aus dem
Regierungsteam sagte afghanischen Medien, US-Unterhändler hätten
angedeutet, beide Parteien sollten bei ihrer Entschlussfindung die
Interessen Washingtons im Blick haben, wenn sie an weiterer Unterstützung
interessiert seien.
Auch mit den Taliban in der Regierung ist Afghanistan [3][ohne externe
Finanzhilfe nicht überlebensfähig]. Das größte Fragezeichen für einen
Friedensschluss steht sowieso in Washington: Es ist nicht klar, ob
US-Präsident Donald Trump die Geduld hat, mit dem Truppenabzug bis zum Ende
der vermutlich langwierigen Gespräche zu warten.
12 Sep 2020
## LINKS
[1] /Regierungsbildung-in-Afghanistan/!5686099
[2] /Vor-Friedensgespraechen-in-Afghanistan/!5702474
[3] /Washington-ist-enttaeuscht/!5673826
## AUTOREN
Thomas Ruttig
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Schwerpunkt Afghanistan
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