| # taz.de -- Stichwahlen in NRWs Städten: Herzkammer der SPD intakt | |
| > Bei den nordrhein-westfälischen Oberbürgermeisterwahlen dominieren lokale | |
| > Themen: Beobachtungen aus Düsseldorf, Dortmund und Bonn. | |
| Bild: Thomas Westphal, Sieger der Stichwahl in Dortmund mit seiner Frau Janine … | |
| Bochum taz | Jubeln konnte Ministerpräsident Armin Laschet nach den | |
| Oberbürgermeister-Stichwahlen in Nordrhein-Westfalen zumindest in | |
| Düsseldorf. Die „Ehre der CDU“ gerettet hätten die Christdemokraten und i… | |
| Spitzenkandidat Stephan Keller in der Landeshauptstadt, sagte der | |
| Regierungschef. | |
| Am Rhein hat Keller den amtierenden SPD-Oberbürgermeister Thomas Geisel mit | |
| fast 56 Prozent entmachtet – und entsprechend erleichtert zeigte sich | |
| Laschet am Sonntagabend bei der Wahlparty seiner Christdemokraten im | |
| ehemaligen Böhler-Stahlwerk: „Die CDU ist auch großstadtfähig“, verkünd… | |
| er stolz. | |
| Schließlich stellen die Christdemokraten jetzt wieder zumindest einen | |
| Rathauschef in der Hauptstadt eines großen Flächenlandes – und stützen so | |
| den in der Düsseldorfer Staatskanzlei regierenden Laschet. Denn dessen | |
| Konkurrenten um [1][Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur], Friedrich Merz | |
| und Norbert Röttgen, hatten immer wieder gemahnt: Um bundesweit Wahlen zu | |
| gewinnen, müsse die CDU auch in Großstädten wie in Düsseldorf mit seinen | |
| mehr als 620.000 Einwohnern mehrheitsfähig sein. | |
| Fast euphorisch gab sich deshalb der designierte neue OB Keller, der am 1. | |
| November ins Rathaus einziehen wird. Ein „Mittelstürmer“ sei er, dem die | |
| „Mannschaft den Ball nach vorne getrieben und auf den auf den Elfmeterpunkt | |
| gelegt“ habe, sagte der 50-jährige Jurist, der bisher in Köln | |
| Verwaltungs-Stadtdirektor war. | |
| ## Im Stau steckengeblieben | |
| Der entthronte Amtsinhaber Geisel, der seine Niederlage schon weniger als | |
| eine Stunde nach Schließung der Wahllokale einräumte, wollte über die | |
| Gründe erst einmal „nicht spekulieren“ – dabei scheint klar, dass der | |
| Streit um die schnelle Einführung von Umweltspuren auf den | |
| Hauptverkehrsstraßen nicht unentscheidend gewesen sein dürfte. | |
| Wegen Corona setzen viele der fast 260.000 Menschen, die täglich in | |
| Deutschlands Pendlerhauptstadt Nummer 1 drängen, aufs Auto – und blicken im | |
| Stau-Frust auf für Busse. Taxis und Fahrräder freigeräumte Spuren, die noch | |
| weniger genutzt werden als vor der Pandemie. Aber auch die fehlende | |
| Wahlempfehlung der Grünen hat zu seiner Niederlage beigetragen, räumte | |
| Geisel ein. | |
| Unklar bleibt, auf welche Ratsmehrheit sich der CDU-Mann Keller künftig | |
| stützen kann. Im auf 90 Sitze aufgestockten Kommunalparlament hätte sowohl | |
| die Ampel, auf die sich bisher Geisel stützte, als auch Schwarz-Grün eine | |
| Mehrheit: Bei der Ratswahl am 13. September gingen an die CDU 30, an die | |
| Grünen 22 Sitze. Die SPD kam auf 16 und die FDP auf 8 Mandate. | |
| „Wir reden mit allen demokratischen Parteien“, sagte der | |
| Landtagsabgeordnete Stefan Engstfeld, der im ersten Wahlgang der | |
| Oberbürgermeister-Direktwahl mit 17 Prozent auf Platz 3 gelandet war, der | |
| taz. Ab Mittwoch werde ein 12-köpfiges Team sondieren, mit wem grüne | |
| Positionen in Klimaschutz, Verkehr, Sozialpolitik und Wohnen am besten | |
| durchsetzbar seien. | |
| „Bei unserer Mitgliederversammlung hat sich die Basis bewusst gegen eine | |
| Wahlempfehlung für Keller oder Geisel entschieden“, so Engstfeld: „Die | |
| hätten wir nur ausgesprochen, wenn die Wahl eines undemokratischen | |
| Oberbürgermeisters etwa von der AfD gedroht hätte.“ | |
| Wobei eine Wahlempfehlung nicht unbedingt mobilisierend wirken muss: In | |
| Dortmund haben die Grünen vor der Stichwahl massiv für den CDU-Kandidaten | |
| Andreas Hollstein getrommelt. Doch gegen den Sozialdemokraten Thomas | |
| Westphal konnte sich der bisherige Bürgermeister des sauerländischen | |
| Städtchens Altena, nicht durchsetzen. In der alten [2][„Herzkammer“ der | |
| SPD] landete Hollstein, der Ende 2017 durch die Messerattacke eines Gegners | |
| seiner liberalen Migrationspolitik bekannt wurde, mit 48 Prozent knapp | |
| hinter Dortmunds bisherigem Wirtschaftsförderer und früheren | |
| Juso-Bundesvorsitzenden Westphal. Der seit 2009 regierende SPD-OB Ullrich | |
| Sierau war nicht wieder angetreten. | |
| Trotz der mit mehr als drei Punkten auf nur noch 32,6 Prozent abgesunkenen | |
| Wahlbeteiligung habe er mehr Stimmen als im ersten Wahlgang bekommen, | |
| bilanzierte Westphal erleichtert und zufrieden – allerdings reichten 75.755 | |
| Stimmen, um den SPD-Mann in der knapp 590.000 Menschen zählenden | |
| Ruhrgebiets-Großstadt zum Rathauschef zu machen. | |
| Entsprechend enttäuscht reagierten die Grünen: „Dortmund wird seit 74 | |
| Jahren von der einen Partei regiert – und das tut der Demokratie überhaupt | |
| nicht gut“, sagte die grüne Ratsfraktionssprecherin Ingrid Reuter am Morgen | |
| nach der Stichwahl der taz. Nicht umsonst habe bei Westphal und seiner SPD | |
| die Haltung geherrscht: „Um die Grünen müssen wir uns gar nicht bemühen – | |
| die machen sowieso, was wir wollen“, klagt die Ratsfraktionschefin. | |
| ## Grüne gegen Blockadehaltung | |
| Mit der CDU sei dagegen ein Ende des über die Stadtwerke subventionierten | |
| Flughafenausbaus ebenso fest verabredet worden wie der Verkauf der | |
| städtischen Beteiligung am Steinkohle-Stromkonzern Steag. | |
| Bürgermeisterkandidat Hollstein habe versprochen, den einstigen | |
| Stahlstandort Dortmund bis 2035 klimaneutral zu machen. Auch mit den | |
| Planungen zum Weiterbau der autobahnähnlichen Schnellstraße OWIIIa, die die | |
| Stadt in weiten Teilen zerschneidet, sollte deshalb Schluss sein. | |
| Im Rat dürfte es deshalb für den designierten OB Westphal nicht einfach | |
| werden, Mehrheiten zu finden. Zwar stellt seine SPD mit 27 Mandaten die | |
| stärkste Fraktion – aber im Kommunalparlament gibt es wie in Düsseldorf 90 | |
| Sitze. Doch auch für Schwarz-Grün reicht es nicht: Die CDU verfügt nur über | |
| 20 Sitze – ihre Fraktion ist kleiner als die der Grünen, die über 22 | |
| Mandate verfügen. Christdemokrat Hollstein hat deshalb bereits dazu | |
| aufgerufen, es „Thomas Westphal im Rat schwer zu machen“ – schließlich | |
| hatte der den Grünen nach ihrer Wahlempfehlung wütend | |
| „Taschenspielertricks“ vorgeworfen. | |
| Auch Westphals Klagen, sie machten Politik im „Hinterzimmer“ und gingen mit | |
| der CDU „ins Bett“, kamen bei den Grünen als sexistisch an. Deren | |
| Ratsfraktionschefin Reuter will von einer Blockadepolitik trotzdem nichts | |
| wissen – und kann sich sogar Sachentscheidungen gemeinsam mit den Stimmen | |
| von Grünen, Christdemokraten und Linken vorstellen. | |
| In Bonn dürfte die CDU dagegen definitiv ausgebootet sein. In der einstigen | |
| Hauptstadt Westdeutschlands mit ihren fast 40.000 Studierenden holte die | |
| grüne Bundestagsabgeordnete Katja Dörner mehr als 56 Prozent – und ist | |
| damit neben Sibylle Keupen in Laschets Heimatstadt Aachen und Uwe | |
| Schneidewind in Wuppertal eine der drei frisch gewählten | |
| Oberbürgermeister*innen in NRW. | |
| Der bisherige CDU-Rathauschef, Ashok Sridharan, muss damit sein Büro | |
| räumen. Seine 44 Jahre alte Nachfolgerin will künftig mit einem | |
| „progressiven Bündnis“ regieren, dass sich im 66-köpfigen Stadtrat auf die | |
| 19 Mandate der Grünen, die 10 Sitze der SPD und die 4 Vertreter*innen der | |
| Linkspartei stützen soll. | |
| Sozialdemokraten und Linke hatten vor der Stichwahl eine Wahlempfehlung für | |
| Dörner ausgesprochen. Zusammen mit deren Stimme als Oberbürgermeisterin | |
| hätten die drei Parteien allerdings nur die denkbar knappste Mehrheit im | |
| Stadtparlament. „Wir werden deshalb auch mit Volt reden“, sagte Dörner der | |
| taz – die proeuropäisch-progressive Partei ist mit drei Mandaten im Rat | |
| vertreten. | |
| Dörner, die im ersten Wahlgang vor zwei Wochen noch deutlich zurückgelegen | |
| hatte, hatte selbst bis zum Wahlabend mit einem knappen | |
| „Kopf-an-Kopf-Rennen“ gerechnet. Nun steht Bonns Kommunalpolitik vor einem | |
| signifikanten Kurswechsel. Um die Hauptstadt der alten Bundesrepublik mit | |
| ihren knapp 330.000 Einwohnern bis 2035 klimaneutral zu machen, soll die | |
| Innenstadt in fünf Jahren autofrei sein. | |
| Die Christdemokraten, die fest an die Wiederwahl ihres Rathauschefs | |
| Sridharan geglaubt hatten, gaben sich geschockt. Am Montag nach der Wahl | |
| blieb unklar, ob die CDU überhaupt noch für Gespräche mit den Grünen zur | |
| Verfügung steht. | |
| 28 Sep 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Wyputta | |
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