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# taz.de -- Mord an Jamal Khashoggi: Ein Schlussstrich und viele Fragen
> Saudi-Arabien hat alle Todesurteile im Mordfall Khashoggi endgültig in
> Haftstrafen umgewandelt. Ein weiterer Prozess läuft noch in der Türkei.
Bild: Mahnwache vor dem Tatort in Istanbul im vergangenen Oktober
Berlin taz | Das ging schnell, besonders für einen Prozess von diesem
Ausmaß: Keine zwei Jahre nach dem Aufsehen erregenden Mord an dem
Journalisten Jamal Khashoggi hat Saudi-Arabiens Justiz abschließend
geurteilt: Fünf Todesurteile, [1][die im vergangenen Dezember verhängt
worden waren], wandelte ein Gericht am Montag in Haftstrafen von 20 Jahren
um. Gegen drei weitere Angeklagte wurden Haftstrafen zwischen sieben und
zehn Jahren verhängt. Weitere drei Personen waren im Dezember
freigesprochen worden.
Khashoggi, der als Kolumnist in den USA lebte, war im Oktober 2018 im
saudischen Konsulat in Istanbul getötet worden. Erst Wochen später räumte
die saudische Regierung ein, dass er ermordet wurde. In der Zwischenzeit
hatte der türkische Geheimdienst, der das saudische Konsulat ausspioniert
hatte, ausgewählten Medien häppchenweise Informationen zugespielt und
Saudi-Arabien so international in Erklärungsnot gebracht.
Politisch dürfte das Urteil vom Montag kaum etwas ändern. Bereits im
Dezember hatte die saudische Staatsanwaltschaft betont, dass die
Entscheidung, Khashoggi zu töten, erst im saudischen Konsulat in Istanbul
gefallen sei. Dieser Erklärung folgend kann niemand, auch nicht die
Führungsebene in Riad, vorher von der Tat gewusst, geschweige denn sie
geplant haben. KritikerInnen zweifeln an dieser Erklärung und sehen den
saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman (MBS) direkt in der
Verantwortung.
Beweise, dass MBS die Tat angeordnet oder von ihr gewusst hat, konnte aber
niemand vorlegen. [2][Die weitgehendste Untersuchung hat bislang die
UN-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard vorgelegt]. Sie kam im Juni
2019 zu dem Schluss, dass für den Mord extra ein Killerkommando in die
Türkei eingeflogen wurde.
Ihrem Abschlussbericht zufolge gibt es „glaubwürdige Hinweise“, die es
rechtfertigen, eine Verantwortung hochrangiger saudischer Vertreter zu
überprüfen, einschließlich des Kronprinzen. Callamard ließ die Schuldfrage
aber offen; sie machte MBS nicht direkt verantwortlich. Allerdings forderte
sie eine großangelegte internationalen Untersuchung – zu der es jedoch nie
gekommen ist.
## Saudi-Arabien wieder rehabilitiert
Derzeit läuft noch ein Prozess in der Türkei gegen zwanzig saudische
Staatsbürger. Das Gericht in Istanbul verhandelt gegen sie jedoch in
Abwesenheit. Dass die Angeklagten von Saudi-Arabien ausgeliefert werden,
gilt als äußerst unwahrscheinlich.
Die türkische Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mord nicht erst
im Konsulat beschlossen wurde, sondern von Anfang an geplant gewesen sei
für den Fall, dass Khashoggi nicht einwilligen würde, nach Saudi-Arabien
zurückzukehren. Der Journalist war 2017 ins US-amerikanische Exil gegangen.
Angeklagt in Istanbul sind auch der ehemalige Medienberater des saudischen
Kronprinzen, Saud bin Abdullah al-Kahtani und der ehemalige
stellvertretende saudische Geheimdienstchef Ahmed al–Asiri. Beide waren im
Dezember von dem saudischen Gericht freigesprochen worden. Wer nun in Riad
endgültig schuldig gesprochen wurde, ist bislang nicht bekannt.
Der Mordfall hatte international einen Sturm der Entrüstung ausgelöst und
dem Ansehen Saudi-Arabiens erheblichen Schaden zugefügt. Mittlerweile ist
das Königreich aber wieder weitgehend rehabilitiert – vor allem aufgrund
von US-Präsident Donald Trump, der von Anfang an klarstellte, dass er an
einem Zerwürfnis mit der saudischen Führung nicht interessiert war.
Zuletzt zeigte sich Riad außerdem offen für eine Annäherung der Golfstaaten
an Israel, womit die saudische Führung der US-Administration deutlich
entgegenkam und auch in Europa punkten konnte. Das Königreich gestattete es
Flugzeugen auf dem Weg von Israel in die Vereinigten Arabischen Emirate und
zurück, [3][den saudischen Luftraum zu nutzen]. Eine vollständige
Normalisierung der Beziehungen zu Israel – wie sie derzeit [4][zwischen
Israel und den Emiraten geplant] ist – [5][scheint jedoch noch in weiter
Ferne].
Deutschland hatte nach dem Khashoggi-Mord einen Exportstopp von
Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien verhängt. Dieser wurde seitdem mehrmals
verlängert. Nach jetzigem Stand will die Bundesregierung bis Ende des
Jahres keine neuen Lieferungen in das Königreich genehmigen. Auch bereits
erlaubte Ausfuhren sollen weiter unterbunden werden.
7 Sep 2020
## LINKS
[1] /Mord-an-Journalist-Khashoggi/!5652164
[2] /Khashoggi-Abschlussbericht/!5604440
[3] https://twitter.com/jannishagmann/status/1301446907588472833
[4] /Israel-und-die-Emirate-naehern-sich-an/!5707271
[5] /US-Aussenminister-in-Nahost/!5704473
## AUTOREN
Jannis Hagmann
## TAGS
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