# taz.de -- Justiz in der Türkei: Anklage erhoben | |
> Für den Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi 2018 sollen | |
> 20 führende Persönlichkeiten in Riad zur Verantwortung gezogen werden. | |
Bild: Ein Bild des Journalisten Khashoggi in Istanbul | |
ISTANBUL taz | Die Istanbuler Staatsanwaltschaft hat am Mittwoch eine lange | |
vorbereitete Anklage wegen [1][des Mordes an dem saudischen Journalisten | |
Jamal Khashoggi] erhoben. Khashoggi war im Oktober 2018 auf grausame Weise | |
im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet worden. | |
Angeklagt sind jetzt 20 Personen, an führender Stelle der ehemalige | |
Medienberater des saudischen Kronprinzen, Saud bin Abdullah al-Kahtani und | |
der ehemalige stellvertretende saudische Geheimdienstchef Ahmed al – Asiri. | |
Außerdem der saudische Gerichtsmediziner, der die Leiche Khashoggis nach | |
dem Mord zerstückelt und in Säure aufgelöst haben soll. | |
Der brutale Mord an dem einflussreichen saudischen Journalisten hatte in | |
aller Welt für große Empörung gesorgt. Khashoggi war gut ein Jahr zuvor aus | |
Saudi-Arabien geflüchtet, weil er mit dem neuen Kronprinzen Mohammed bin | |
Salman (MbS) aneinandergeraten war. Er ging nach Washington ins Exil und | |
arbeitete von dort aus als Kolumnist für die Washington Post. | |
In Istanbul hatte er enge Kontakte zu anderen arabischen Exilanten, die von | |
der Türkei aus unterdrückte Nachrichten für den arabischen Raum aufbereiten | |
wollten. Khashoggi war zwar nicht Mitglied der in Saudi-Arabien verfemten | |
Muslimbrüder, stand der Organisation aber wohl in vielen Fragen nahe. In | |
Istanbul wollte er seine türkische Verlobte heiraten und war zum Konsulat | |
gegangen, um sich die Heiratsunterlagen zu besorgen. | |
## Die Monarchie will nichts gewusst haben | |
Da er diese vorher beantragt hatte, erwartete ihn im Konsulat offenbar | |
bereits ein Mordkommando, das einen Tag vorher von Riad aus mit einem | |
Privatflugzeug in Istanbul eingereist war, wie die türkische Polizei später | |
ermittelte. | |
Während Saudi-Arabien zunächst alle Verantwortung von sich wies, gestand | |
Mohammed bin Salman später ein, dass dem Mord angeblich eine aus dem Ruder | |
gelaufene Vernehmung Khashoggis vorangegangen sei. Er, MbS, habe aber | |
nichts damit zu tun gehabt. | |
Während alle Welt davon ausgeht, dass ein Mord im eigenen Konsulat in einer | |
absolutistischen Monarchie wie Saudi-Arabien nicht ohne Wissen und | |
Anordnung des Kronprinzen geschehen konnte, stritt die saudische Justiz das | |
bis zuletzt ab und [2][verurteilte fünf Handlanger aus dem Konsulat zum | |
Tode]. | |
Die türkische Justiz nennt nun die wohl wahren Schuldigen, die direkt im | |
Auftrag von MbS das „Ärgernis Khashoggi“ aus dem Weg schafften. Das | |
Problem: keiner der 20 Angeklagten befindet sich in der Türkei. | |
## Ernsthaft Druck ausüben will niemand | |
Nach Anklageerhebung hat die türkische Justiz nun bei Interpol eine | |
Fahndung gegen die Angeklagten beantragt und will außerdem in Saudi-Arabien | |
Auslieferungsanträge stellen. Es ist wohl nicht damit zu rechnen, dass auch | |
nur einer der Angeklagten in der Türkei vor Gericht erscheinen wird. | |
Deshalb wird das gesamte Verfahren eher einen symbolisch-politischen | |
Charakter haben. | |
Denn ernsthaft Druck ausüben auf Saudi-Araber wollte außer der Türkei und | |
einigen weiteren Ländern, die sowieso mit den Saudis verfeindet sind, | |
niemand. Insbesondere US-Präsident Donald Trump weigerte sich, seinen | |
„Freund“ MbS zur Rechenschaft zu ziehen. | |
Unvergessen auch das freundschaftliche Schulterklopfen zwischen Russlands | |
Präsident Wladimir Putin und MbS auf dem ersten G-20 Gipfel nach dem Mord. | |
Aber auch in Europa verhängten nur wenige Länder ein Waffenembargo gegen | |
das gut zahlende Saudi-Arabien. Am Ende dürfte Kronprinz Mohammed bin | |
Salman, der kommende König der saudischen Öldynastie, wohl ungeschoren | |
davonkommen. | |
25 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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