| # taz.de -- taz-Recherche zum „NSU 2.0“: Wieder Polizeidaten abgefragt? | |
| > Seit zwei Jahren wird die Anwältin Seda Başay-Yıldız vom „NSU 2.0“ | |
| > bedroht. Eine neue Drohmail nennt sogar ihre aktuelle Adresse. | |
| Bild: Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız bekommt seit mehr als zwei Jahren Dr… | |
| Frankfurt a. M./Berlin taz | Der oder die Täter, die hinter den „NSU | |
| 2.0“-Drohmails stecken, haben erneut private Daten der bedrohten Anwältin | |
| Seda Başay-Yıldız erlangt. In einer mit „NSU 2.0 Der Führer“ | |
| unterzeichneten Mail von Ende Juni wird nach taz-Recherchen ihre aktuelle, | |
| öffentlich nicht bekannte Wohnanschrift in Frankfurt genannt. Es steht also | |
| der Verdacht im Raum, dass erneut persönliche Daten in einem Polizeisystem | |
| abgefragt wurden. | |
| Als Absendername der Mail ist „SS-Obersturmbannführer“ angegeben, sie ist | |
| nicht direkt an die Anwältin gerichtet und liegt der taz vor. Abgeschickt | |
| wurde die Nachricht von der Mailadresse des russischen Anbieters Yandex, | |
| die laut Ermittler*innen von dem oder den Tätern benutzt wird. Mehr als 80 | |
| Drohschreiben wurden demnach bisher vom „NSU 2.0“ verschickt, die meisten | |
| von dieser Mailadresse, die als User-Name ein rassistisches Schimpfwort | |
| hat. | |
| Başay-Yıldız bekommt seit mehr als zwei Jahren [1][Drohschreiben vom „NSU | |
| 2.0“.] Im ersten Fax an sie am 2. August 2018 standen neben Beschimpfungen | |
| ihre Wohnadresse und der Name ihrer Tochter, der mit dem Tode gedroht | |
| wurde. Die Daten waren kurz zuvor von einem Dienstrechner in einem | |
| Frankfurter Polizeirevier abgerufen worden. Es wird nach wie vor ermittelt, | |
| ob ein Frankfurter Polizist die Daten abgefragt hat und an den Drohungen | |
| beteiligt ist. | |
| In einem weiteren Fax Ende Dezember 2018 wurden erneut private Daten zu | |
| Başay-Yıldız' Familienangehörigen genannt. Die Ermittler gingen damals | |
| davon aus, dass diese aus derselben Abfrage stammen. Das kann bei der jetzt | |
| erwähnten aktuellen Wohnanschrift nicht der Fall sein. Sie muss aus einer | |
| erneuten Abfrage oder aus einer anderen Quelle kommen. | |
| ## „Innenminister Beuth ist Teil des Problems“ | |
| Weder das hessische Landeskriminalamt (LKA) noch das Innenministerium in | |
| Wiesbaden beantworteten die Frage der taz, ob in diesem aktuellen Fall die | |
| Nutzung von Polizeidatenbanken überprüft wurde. Die Staatsanwaltschaft | |
| Frankfurt wollte sich “aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht äußern. … | |
| Ermittler*innen liegt die Mail seit Mitte Juli vor. Auch die Frage, ob | |
| Başay-Yıldız darüber informiert wurde, dass dem „NSU 2.0“ ihre aktuelle | |
| Privatanschrift bekannt ist, wurde vom LKA und vom Innenministerium nicht | |
| beantwortet. Entsprechende Anfragen wurden bereits am Freitag vergangener | |
| Woche beziehungsweise am Dienstag gestellt. Başay-Yıldız selbst wollte sich | |
| auf taz-Anfrage nicht äußern. | |
| In einer aktuellen Mail von der Nacht zum Donnerstag weist der „NSU 2.0“ | |
| ungefragt explizit auf die Adressänderung der Rechtsanwältin hin. In der | |
| Antwortmail auf eine taz-Presseanfrage heißt es, sie sei mittlerweile in | |
| Frankfurt umgezogen. „Hilft ihr aber nicht.“ Diese Mail wurde auch an | |
| verschiedene LKA-Adressen in Hessen und Berlin geschickt. | |
| Für Günter Rudolph, den parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion | |
| im hessischen Landtag, ist es ein „deutliches Alarmsignal“, wenn jüngst | |
| nochmals missbräuchlich auf persönliche Daten Betroffener zugegriffen | |
| wurde. Gegenüber der taz kritisierte er den hessischen Innenminister Peter | |
| Beuth (CDU): Wer solche Straftaten zwei Jahre laufen lasse und erst jetzt | |
| weitere Sicherungsmaßnahmen ankündigt, habe die Problematik schlicht nicht | |
| erkannt. „Innenminister Beuth ist Teil des Problems, nicht der Lösung“, so | |
| Rudolph. | |
| Auch der innenpolitische Sprecher der Linken im Landtag Hermann Schaus | |
| findet es „sehr erschreckend, wenn wieder eine gesperrte Adresse beim NSU | |
| 2.0 landet“. Er betont: „Dieser Laissez-faire-Stil, den die Ermittler an | |
| den Tag legen, muss mit Hochdruck geändert werden.“ | |
| Abfragen an Polizeirechnern in Zusammenhang mit „NSU 2.0“-Schreiben hatte | |
| es auch Anfang 2019 beziehungsweise 2020 auf zwei unterschiedlichen | |
| Polizeirevieren in Wiesbaden gegeben. Dort wurden die Daten der | |
| Kabarettistin Idil Baydar und der [2][hessischen | |
| Linken-Fraktionsvorsitzenden Janine Wissler] abgefragt, die wenig später | |
| beide „NSU 2.0“-Drohschreiben bekommen haben, per SMS und per E-Mail. | |
| Die beiden Beamten, die jeweils zur fraglichen Zeit an dem Dienstrechner | |
| eingeloggt waren, beteuerten, die Daten nicht abgefragt zu haben. Baydars | |
| Daten wurden im März 2019 auch bei der Polizei in Berlin abgefragt. In | |
| Hamburg wurden im Sommer an Polizeirechnern [3][Daten von taz-Kolumnist*in | |
| Hengameh Yaghoobifarah abgefragt], auch in diesem Fall ist laut Polizei | |
| kein dienstlicher Zusammenhang erkennbar. Zuvor war am 15. Juni in der taz | |
| eine polizeikritische Kolumne von Yaghoobifarah erschienen, die eine | |
| heftige Debatte zur Folge hatte. | |
| Nach taz-Informationen wurden in den vergangenen Tagen wieder mehrere “NSU | |
| 2.0“-Drohmails von der Yandex-Adresse verschickt, sie gingen unter anderem | |
| an Wissler, Baydar, die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner und | |
| weitere Empfänger*innen in Polizei, Justiz und Medien. | |
| Die gesamte Recherche über die Drohschreiben des „NSU 2.0“ und die | |
| Verbindungen zur Polizei lesen Sie in der [4][taz am Wochenende vom 5./6. | |
| September 2020]. | |
| 3 Sep 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Drohung-gegen-Anwaeltin-Baay-Yldz/!5626256 | |
| [2] /Die-Linkspartei-sucht-neue-Vorsitzende/!5706497 | |
| [3] /taz-Autorin-bekommt-Drohbriefe/!5704558 | |
| [4] /Ausgabe-5/6-September-2020/!171514/ | |
| ## AUTOREN | |
| Sebastian Erb | |
| Christina Schmidt | |
| Konrad Litschko | |
| Dinah Riese | |
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