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# taz.de -- Linken-Parteichef Bernd Riexinger hört auf: Abschied eines Prinzip…
> Nach Katja Kipping will auch ihr Co-Vorsitzender nicht erneut
> kandidieren. Damit steht die Linkspartei im Herbst vor einem personellen
> Neuanfang.
Bild: Bernd Riexinger verzichtet auf eine erneute Kandidatur für den Vorsitz d…
Berlin taz | Nach Katja Kipping hat nun auch Bernd Riexinger seinen Rückzug
aus der Spitze der Linkspartei angekündigt. „Ich werde nach über acht
Jahren als Parteivorsitzender der Linken nicht erneut für dieses Amt
kandidieren“, teilte der 64-jährige Bundestagsabgeordnete in einer am
Samstagmorgen veröffentlichten schriftlichen Erklärung mit. Kipping hatte
ihre Entscheidung [1][am Freitagnachmittag bekanntgegeben].
Damit steht die Linkspartei auf ihrem vom 30. Oktober bis 1. November
geplanten Parteitag in Erfurt vor einem personellen Neuanfang. Die
derzeitige Doppelspitze ist seit Juni 2012 im Amt. Riexinger konnte sich
damals knapp gegen den heutigen Bundestagsfraktionsvorsitzenden Dietmar
Bartsch durchsetzen. 2014, 2016 und 2018 wurde der baden-württembergische
Gewerkschafter, der dem linken Parteiflügel zugerechnet wird, mit guten
Ergebnissen wiedergewählt.
„Ich habe die Arbeit als Parteivorsitzender sehr gerne gemacht und bin
stolz darauf, dass wir Die Linke zu einer gesamtdeutschen Partei aufgebaut
und weiterentwickelt haben, die heute eine stabile Kraft im bundesdeutschen
Parteiensystem ist“, schreibt Riexinger in [2][seiner an die Parteigremien
gerichteteten fünfseitigen Erklärung]. Dass es gelungen sei, eine
gesamtdeutsche Partei links von der SPD zu etablieren, sei „bei Weitem
keine Selbstverständlichkeit“.
Als Kipping und er den Parteivorsitz übernommen hätten, sei die Situation
der Linkspartei „riskant“ gewesen, bilanziert Riexinger. Die
innerparteilichen Auseinandersetzungen hätten seinerzeit eine „bedrohliche
Größenordnung“ angenommen. „Es war unsere Aufgabe, die Partei zu einen“…
der frühere Stuttgarter Ver.di-Sekretär. Das sei gelungen. „Von Anfang an
war es mir wichtig, eine aktive verbindende Mitgliederpartei aufzubauen,
die in der Gesellschaft verankert, bündnisfähig und verbunden mit den
fortschrittlichen sozialen, ökologischen und demokratischen Bewegungen
ist.“
## Streit um die Migrations- und Flüchtlingspolitik
Es bleibe eine „Daueraufgabe“ der Parteiführung, „das Gemeinsame und nic…
das Trennende in den Vordergrund zu stellen“, schreibt Riexinger – ein
kleiner Wink mit dem Zaunpfahl an potentielle Nachfolger:innen. Wobei er
allerdings in seiner Abschiedserklärung nicht verschweigt, dass es auch
Grenzen der Verständigung gibt.
So geht Riexinger auch auf einen innerparteilichen Konflikt ein, der die
Linkspartei kräftig durcheinandergewirbelt und von dem sie sich bis heute
nicht ganz erholt hat: der Streit um die Frage, ob die Partei ihre
humanitäre Ausrichtung in der Migrations- und Flüchtlingspolitik
beibehalten oder aufgeben soll. Das sei eine Auseinandersetzung gewesen,
die ihn „besonders geschmerzt hat“ und die ihm „besonders nahe gegangen
ist“. Denn für ihn sei es „eine existenzielle, linke Frage, dass wir nicht
weichen, wenn gegen Geflüchtete und Menschen mit migrantischen Wurzeln
gehetzt wird“, schreibt Riexinger.
Dass dieser erbittert geführte Streit zugunsten der von ihm und auch seiner
Co-Vorsitzenden Kipping vertretenenen Position entschieden worden sei, wäre
„nicht ohne Kosten geblieben“, konstatiert er. Ohne sie namentlich zu
erwähnen, schreibt Riexinger in Richtung von Oskar Lafontaine, Sahra
Wagenknecht und ihrem Anhang: „Einige versuchten, aus der Mitte der Partei
heraus ein neues Projekt, vielleicht eine neue Partei zu gründen.“ Das
hätten sie jedoch nicht geschafft. Aber tiefe Wunden hinterlassen hat der
Konflikt bis heute.
## Positive Gesamtbilanz
Gleichwohl zieht Riexinger ingesamt eine positive Bilanz seiner und der
Amtszeit Kippings. Die Kurve der Mitgliederzahlen würde wieder nach oben
zeigen, die Linkspartei sei heute „deutlich stärker“ als vor acht Jahren.
Zweidrittel der Neumitglieder seien unter 35 Jahre. „Wir sind jünger,
bewegungsorientierter und breiter aufgestellt“, schreibt er. Die Partei sei
zudem migrantischer geworden und würde endlich auch zunehmend Frauen als
Mitglieder gewinnen.
Auch inhaltlich habe die Partei punkten können: In der Mietenfrage sei die
Linkspartei „zur führenden politischen Kraft“ geworden, nicht zuletzt dank
einer konsequenten Politik für die Mieterinnen und Mieter in Berlin.
In Thüringen gebe es den ersten linken Ministerpräsident, in Berlin und
Bremen sei seine Partei inzwischen an den dortigen Landesregierungen
beteiligt. „Natürlich gab es auch Rückschläge, aber insgesamt konnten wir
die Akzeptanz der Linken verbessern“, so Riexinger, der seit 2017 auch dem
Bundestag angehört
Ausdrücklich bedankte er sich bei Kipping für die vertrauensvolle
Zusammenarbeit. „Wir haben bewiesen, dass Teamarbeit zwischen zwei
Vorsitzenden möglich ist, die aus unterschiedlichen politischen und
kulturellen Zusammenhängen kommen und unterschiedliche Gruppen ansprechen,
und die manchmal auch unterschiedlicher Auffassung sind.“
## Nachfolge noch ungeklärt
Nun gehe es darum, „uns mit Energie und mit Stolz auf die eigene Politik,
die eigene Partei in die kommenden Auseinandersetzungen, in die Wahlen und
Kampagnen, in die Organisierungen vor Ort zu werfen“. Dabei werde er sich
„weiterhin mit Begeisterung und Optimismus für eine starke Linke
engagieren“. Zentrale Aufgabe sei es, „die Kämpfe um Klimaschutz, soziale
Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden (zu) verbinden“.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow würdigte Kipping und Riexinger:
„Ich möchte mich für Eure Arbeit und Euer engagiertes Wirken für unsere
Partei herzlichst bedanken!“, [3][schrieb Ramelow auf Twitter]. „Ihr macht
den Weg frei und der Parteitag in Erfurt wird Euren Staffelstab
weitergeben.“
Wer den beiden nachfolgen wird, ist offen. Das linke Personalkarrussel
dreht sich kräftig. Im 44-köpfigen Parteivorstand, der sich an diesem
Wochenende erstmals seit Beginn der Corona-Krise wieder physisch in Berlin
trifft, gibt es viel Diskussionsbedarf – vor und hinter den Kulissen.
29 Aug 2020
## LINKS
[1] /Linken-Parteivorsitzende-tritt-nicht-mehr-an/!5710564
[2] https://www.die-linke.de/start/nachrichten/detail/die-linke-muss-die-kaempf…
[3] https://twitter.com/bodoramelow/status/1299620280877408259
## AUTOREN
Pascal Beucker
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