# taz.de -- Das Kunstwochenende: Mit Luft und Ruhe | |
> Kunst vor Schluß: Noemi Molitor empfiehlt was es sich noch schnell | |
> anzuschauen lohnt und Events, die exklusiv dieses Wochenende stattfinden. | |
Bild: Skulpturales Gruppentreffen in der Ausstellung „Only“ von Jonas Wende… | |
Die unzähligen abstrakten Keramikfamilien, die sich in [1][Jonas Wendelins] | |
Ausstellung im Untergeschoss der Galerie [2][Dittrich & Schlechtriem] am | |
Boden zwischen Sandspuren tummeln, sind in ihrer Größe und Zusammensetzung | |
kaum erfassbar. Welches der an Krater und Unterwasserkreaturen erinnernden | |
Gebilde wie wo dazugehört ist zwar durch unmittebare Nähe zu anderen | |
angedeutet, Titel wie „ONLY TWO (Small Evolution VII)“ geben aber über die | |
Anzahl der Mitglieder einer Gruppe gerade keine Auskunft, sondern verwirren | |
eher die Zuordnungsimpule. | |
Diese ergeben sich allein dadurch, dass die Oberflächen der im Cone 10- und | |
Rokuverfahren gebrannten Skulpturen so unterschiedlich sind: schillernd und | |
matt, rauh und hell, dunkel und ölfarben zeigen sie sich nach Außen. Und | |
doch gehören sie eben übergreifend zusammen, verbinden sich über die | |
Sandkörner am Boden hinweg, der dunkel gehaltene Raum sorgt dafür, dass | |
sich die Besuchenden hier als mehr als besondere Gäste denn als omnipotente | |
Beobachter_innen fühlen. | |
Eigentlich beginnt die Ausstellung „ONLY“ schon vor der Galerie, deren | |
Fenster und Glastüren mit der Zeitung „The a-llusion“ bepflastert sind. | |
Eine weitere Zusammenkunft verschiedener Ausrichtungen und Positionen: | |
Wendelin hat für das 10.000-Auflagen umfassende Blatt andere Künstler_innen | |
und Schriftsteller_innen gebeten sich mit der realitätsstiftenden Qualität | |
der Fiktion zu beschäftigen. | |
Gedichte von Fiona Alison Duncan duchziehen die kollektive Zeitung und | |
„Seashell“, ein Text von Analisa Teachworth, ruft erneut die mit Luft | |
abgelöschten Keramiken Wendlins auf, die der See entsiegen zu sein | |
scheinen. Auf den Seiten 8 und 9 hat Kandis Williams außerdem ihren 2018 | |
zusammengestellten Reader „Cassandra“ beigetragen, eine Übersicht über | |
wissenschaftliche Literatur zu „Misogynoir“, wie Dr. Moya Bailey die | |
Wirkweise der kulturellen Bildermaschine nennt, die Schwarze Frauen | |
abwertet. | |
Im Eingangsbereich der Galerie ist es [3][Soufiane Ababri], der mit seinen | |
eindringlichen Buntstiftstrichen die Traditionslininen des heutigen | |
Rassismus nachzeichnet. Die Ausstellung seiner neuen Serie „Bedwork“ ist | |
die letzte Ausgabe der Reihe [4][“Berliner Luft“], mit der die Galerie seit | |
April dafür gesorgt hat, all ihre Künstler_innen während der Pandemie eine | |
Woche lang zu zeigen. Ein schöne Geste von „Curating as Caring“ angesichts | |
der vielen abgesagten Ausstellungen und auch sonst erschwerten | |
Arbeitsbedingungen, mit denen vor allem Künstler_innen akut zu kämpfen | |
haben. | |
## Verabredung mit Moabit | |
In Moabit steigt diesen Freitag, den 28. 8., um 18 Uhr die offizielle | |
Eröffnung des bereits seit Mitte August kochenden Moabiter Kunstfestivals | |
[5][“Ortstermin 20 – bis hierher und nicht weiter“] im Hof des Berlin | |
Kolleg (18 Uhr, Turmstraße 75, hinter der Galerie Nord). Bis zum 30. 8. | |
gibt es Ausstellungen, Lesungen und Performances, darunter Videoscreenings | |
in den Fenstern der Galerie Nord / Kunstverein Tiergarten. Viele | |
Künstlerateliers sind geöffnet, das volle Pogramm unter: | |
[6][https://ortstermin.kunstverein-tiergarten.de/veranstaltungen]. | |
Am Sonntag kommt es zum „Umherschweifen durch Raum und Klang“ mit einer | |
performativen Stadtteilerkundung von und mit Claudius Hausl. Treffpunkt ist | |
vor dem [7][ZK/U] (Smartphone und Kopfhörer mitbringen, max. 20 | |
Teilnehmer_innen, Anmeldung erforderlich: [email protected]). | |
## Praying Boy in Mitte | |
In Mitte ist am Samstag, den 29. 8., die letzte Gelegenheit, um die | |
wundervollen semi-abstrakten Polymer-Malerien von Egan Frantz in der | |
[8][Galerie Nagel Draxler] zu begutachten. Die Ausstellung „The Praying | |
Boy“ zeigt sechs neue großformatige Gemälde des Künstlers. Rechts neben der | |
Eingangstür hängt „Music“ (180 x 180 cm), eine Freude aus pinken Rastern | |
und orange-grauem Fluss. Jedes Bild trägt auch unter den Farbschichten | |
eingearbeitete Übergangslinien, die eine weitere, kaum sichtbare | |
geometrische Schicht erzeugen. | |
Auf dem im Vergleich kleineren „Hours“ lässt sich schließlich die Lust an | |
Farbkontrasten erkennen, mit denen der US-Amerikanische Künstler seine | |
Kompositionen entsehen lässt. Dass dies auch immer mit Schwierigkeiten | |
verbunden ist und vor allem Silence, also absolute Ruhe, erfordert, glaubt | |
man ihm gern. | |
28 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.jonaswendelin.com/ | |
[2] https://dittrich-schlechtriem.com/ | |
[3] /!5645897/ | |
[4] https://dittrich-schlechtriem.com/berliner-luft-soufiane-ababri/ | |
[5] https://ortstermin.kunstverein-tiergarten.de/ortstermin20 | |
[6] https://ortstermin.kunstverein-tiergarten.de/veranstaltungen/ | |
[7] https://www.zku-berlin.org/ | |
[8] https://nagel-draxler.de/exhibitions/egan-frantz-2/ | |
## AUTOREN | |
Noemi Molitor | |
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