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# taz.de -- Bergbau in Peru: Tiefreichende Probleme
> Bei Protesten gegen eine Erdölanlage und ein Bergwerk gibt es Tote und
> Verletzte. Und auch das Coronavirus verbreitet sich in den peruanischen
> Stollen.
Bild: Die Mine Antepaccay in der Nähe der Kleinstadt Espinar, Peru
Hamburg taz | Perus Innenminister Jorge Montoya Pérez musste sich am
vergangenen Donnerstag im Parlament heftigen Vorwürfen stellen. Warum hat
die Polizei gleich bei zwei Bergbaukonflikten zur Waffe gegriffen?, diese
Frage schlug ihm von den Abgeordneten der Kommissionen für indigene Völker
und für soziale Inklusion entgegen.
Drei indigene Demonstranten waren bei Protesten gegen ein Erdölcamp in der
Amazonasregion von Loreto am 8. August durch Polizeikugeln ums Leben
gekommen. Weitere elf Demonstranten sowie sieben Polizisten wurden
verletzt. Beim zweiten Konflikt rund um die Kupfermine Antapaccay nahe der
Andenstadt Espinar wurden am 22. Juli fünf Demonstranten verletzt, drei
davon durch Polizeikugeln. Greift die Polizei in Peru zu schnell zur Waffe,
agiert sie im Interesse der Bergbaukonzerne, wird sie gar von den Minen
bezahlt?
Unbequeme Fragen für den Minister – doch durchaus berechtigt, meint Jaime
Borda, Koordinator von [1][Red Muqui], einem Netzwerk von
Entwicklungsorganisationen, das landesweit aktiv ist. Die beiden Konflikte
haben eines gemein: „In beiden Fällen fordern die indigenen Gemeinden die
Erfüllung von Vereinbarungen. In Loreto sind es Abkommen über die
Trinkwasser- und Gesundheitsversorgung, in Espinar gibt es einen
Entwicklungsfonds, aus dem Nothilfe für die Bevölkerung mitten in der
Pandemie bereitgestellt werden soll“, sagt Borda gegenüber der taz. Borda
kennt die Situation in Espinar en detail und war auch bei den jüngsten
Verhandlungen zwischen Minenbetreiber, Bergbauministerium und den lokalen
Organisationen zugegen.
Dort wurde ein Kompromiss ausgehandelt: Die Anwohner rund um die Kupfermine
erhalten aus einem Entwicklungsfonds, der aus der Kupferförderung gespeist
wird, pro Familie 1.000 Soles (ungerechnet rund 240 Euro), um die lokale
Wirtschaft nach dem Lockdown wieder anzukurbeln. Doch das Geld, das die
Mine Antapaccay zuerst verweigert hatte, woraufhin es ab Mitte Juli zu
einem 24-tägigen Streik und zu den Schüssen auf Demonstranten kam, wird
nicht bar ausgezahlt. „Über eine Bank wird eine Zahlungskarte ausgegeben,
mit der sich aber nur bestimmte Produkte kaufen lassen“, erklärt Borda.
## Keine Präsenz, kaum Kontrolle
Dennoch ist er froh, dass es überhaupt zu diesem Kompromiss kam. Aber der
Konflikt ist damit nicht gelöst. Weitere Verhandlungen stehen für den 3.
September an, dann geht es um etliche Verträge, die von der Mine nicht
eingehalten wurden, und um Umweltprobleme. Beides sind Faktoren, die sowohl
im Andenhochland, wo vor allem Kupfer, Gold und Silber gefördert werden,
aber auch in der erdöl- und erdgasreichen Amazonasregion für Konflikte
sorgen.
„In beiden Regionen ist die Regierung kaum präsent, die Ansiedlung der
Förderunternehmen erfolgte fast nie einvernehmlich, und sie werden kaum
kontrolliert“, weist José de Echave, ehemaliger Vize-Umweltminister und
Experte [2][der Entwicklungsorganisation CooperAcción] auf eine typische
Konstellation hin. Hinzu kommt, dass in beiden Regionen vor allem indigene
Ethnien leben, die meist kein Spanisch sprechen, große Erwartungen hegen
und dann oft enttäuscht werden.
Mangel an Transparenz ist dafür genauso mitverantwortlich wie die schlechte
Organisation der indigenen Gemeinden, so Melania Canales Poma, Vorsitzender
der indigenen Frauenorganisation Onamiap. Sie engagiert sich für bessere
Strukturen in den Gemeinden, eigene Organisationen, Institutionen und mehr
Autonomie – sowie mehr Partizipation von Frauen. „Während der Pandemie
bekommen wir diese Defizite vor Augen geführt. Hinzu kommt, dass die
Gesundheitseinrichtungen in den ländlichen Regionen noch mieser sind als in
den Städten, und mit dem Bergbau gehen Infektionsrisiken einher.“
Die sind nicht zu unterschätzen. [3][Laut Gewerkschaftsangaben sollen sich
in den letzten Wochen rund 12.000 Bergarbeiter infiziert haben.] Sie
könnten für die Verbreitung des Coronavirus in den Anden und in der
Amazonasregion mitverantwortlich sein. In Peru ist die Zahl der Infektionen
auf derzeit 594.000 hochgeschnellt.
Ein direkter Zusammenhang lässt sich bisher allerdings nicht belegen, da
die Regierung die Zahlen unter Verschluss hält, kritisiert Jaime Borda.
Fakt ist jedoch, dass die Minen vom Lockdown ausgenommen wurden und meist
weiterförderten.
So auch in Espinar, wo am 3. September neue Verhandlungen zwischen den
Konfliktparteien anstehen. Dann geht es um den Ausbau der Mine und die
Umweltprobleme in der Region. Der Konflikt jedenfalls ist noch lange nicht
befriedet.
27 Aug 2020
## LINKS
[1] https://muqui.org/
[2] http://cooperaccion.org.pe/
[3] /Das-Coronavirus-in-Peru/!5683157&s=peru+bergbau/
## AUTOREN
Knut Henkel
## TAGS
Peru
Bergbau
Indigene
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Martín Vizcarra
Schwerpunkt Coronavirus
Amazonas
Peru
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